Von: Barbara Stäbler/Keystone-SDA
Nach dem Corona-Winter mit Lockdowns und Ausgangssperren warten viele Menschen ungeduldig auf den Sommer, den sie im sonnigen Süden verbringen möchten. Mit der zunehmenden Ungeduld der Menschen wächst auch der Druck auf die Politik. Zudem drängen mehrere Staaten im Süden der EU mit Blick auf die Sommersaison auf die schnelle Einführung eines EU-Impfpasses.
Schliesslich beauftragten die EU-Staats- und Regierungschefs Ende Januar die EU-Kommission, einen Vorschlag für ein Corona-Impfzertifikat auszuarbeiten. Doch so verlockend dies klingt, so schwierig dürfte sich die Umsetzung gestalten.
Das zeigte sich an der Sitzung der 27 EU-Botschafter am vergangenen Mittwoch. Einig waren sie sich darüber, dass Ungeimpfte gegenüber Geimpften nicht diskriminiert werden dürften – vor allem weil wegen Lieferengpässen bis zum Sommer wohl noch nicht alle, die wollen, geimpft sein werden. Einigkeit bestand ausserdem darüber, dass dieser Impfpass digital und auf Papier erhältlich sein soll.
Zeitlich knapp – viele offene Fragen
Doch zahlreiche Fragen – ethischer, wissenschaftlicher, rechtlicher und technischer Art – sind noch ungeklärt, so dass alles andere als sicher ist, ob die Einführung eines Impfzertifikats bis im Sommer machbar ist.
Da wäre etwa die Frage, wie und ob Corona-Genesene im Impfpass vermerkt werden sollen. Denn zurzeit fehlen noch wissenschaftliche Daten, wie lange Menschen, die Corona hatten, gegen die Krankheit immun sind. Einige EU-Staaten gehen von drei bis sechs Monaten aus, andere von acht. Ebenfalls offen ist, welche Corona-Tests für Nicht-Geimpfte akzeptiert und im Impfpass eingetragen werden sollen.
Ausserdem ist noch unklar, wie mit dem russischen Sputnik V und dem chinesischen Impfstoff umgegangen werden soll. Ungarn und Slowakei etwa verimpfen bereits Sputnik V. Budapest hat zudem Impfdosen bei China bestellt. Beide Vakzine sind jedoch aktuell nicht von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für die EU zugelassen.
Dann der ganze technische Aspekt – Stichwort Interoperabilität. Dem Vernehmen nach sollen die in den EU-Staaten ausgestellten Impfpässe über den sogenannten EU-Gateway verknüpft werden – wie schon die Corona-App. Und hier kommt auch die Frage des Datenschutzes ins Spiel.
Mit Spannung dürfte also der Vorschlag der EU-Kommission am Mittwoch erwartet werden. Dann wird sich zeigen, wie sich die Brüsseler Behörde dieses Zertifikat vorstellt. Anschiessend werden sich die EU-Chefs am Gipfel am 25. und 26. März dem Thema annehmen.
Schweiz - Rechtsgrundlage relevant
Was die Einführung eines EU-Impfpasses für die Schweiz bedeutet, ist zurzeit noch unklar, denn es hängt von der rechtlichen Grundlage ab, auf die sich die EU-Kommission stützen wird – etwa, ob sie das Impfzertifikat für Schengen-relevant erklären wird. Dann wäre auch die Schweiz als Schengen-Staat offiziell betroffen.
Eine andere Frage ist, ob es für die Schweiz nicht unabhängig von der rechtlichen Situation Sinn macht, sich dem EU-Impfzertifikat anzuschliessen. Denn täglich pendeln gut 300'000 Grenzgänger aus der EU in die Schweiz. Ausserdem wäre ein solches Zertifikat auch im Interesse des Schweizer Tourismus.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht konkret dazu äussern. Man beobachte die Diskussionen in der EU wie auch in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über einen Impfpass und prüfe «die damit verbundenen Fragen sorgfältig».[RELATED]
Zurzeit liefen «intensive Abklärungen», schriebt das BAG weiter, «welche technischen Lösungsansätze für einen anerkannten und fälschungssicheren Impfnachweis Erfolg versprechen». Weiter werde geprüft, welche gesetzlichen Grundlagen notwendig seien.
Offen ist, wie die EU reagieren würde, falls die Schweiz freiwillig am EU-Impfpass mitmachen wollte. Einerseits haben sich die EU-Staaten dafür ausgesprochen, ihren Impfpass mit jenen von Drittstaaten kompatibel auszugestalten. Gleichzeitig verwies damals Brüssel auf das fehlende institutionelle Rahmenabkommen als die Schweiz ihre Corona-App mit jenen der EU-Länder verknüpfen wollte.
Wie die Schweizer Touristiker zu einem Impfpass für die Schweiz stehen, lesen Sie im Beitrag «Umstrittene Eintrittskarte
zur ‹neuen Realität›», erschienen in der htr hotel revue vom 11. März 2021.