Von: Liz Wollner-Grandville
Während manche Länder ihre Bevölkerung im Eiltempo gegen Corona impfen, kommen die Impfungen in den EU-Staaten und in der Schweiz nur sehr schleppend voran. Dessen ungeachtet will die EU-Kommission bereits am 17. März den Gesetzesentwurf für einen «Grünen Pass» nach israelischem Vorbild vorlegen. Dieser digitale Ausweis soll eine Fülle von Erleichterungen für Geimpfte und für von einer Corona-Infektion Genesene bieten. Um dem Vorwurf der Diskriminierung von Ungeimpften zuvorzukommen, plant die EU, auch Testergebnisse in den Pass zu integrieren.
Schweizer Tourismusorganisationen wittern durch die Einführung eines Impfpasses Morgenluft für ihre jeweiligen Branchen. Dennoch hält die Mehrheit der Verbandsvertreter die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht. Es wäre sinnvoller, abzuwarten, bis möglichst viele Menschen eine Impfung erhalten haben. Darüber hinaus müssten in der Schweiz auch die Testmöglichkeiten ausgebaut werden, fordert etwa HotellerieSuisse. «Jede Investition in Testen, Impfen und Contact-Tracing ist günstiger als Verlängerungen der massiven Einschränkungen und Lockdowns.» Anders Gastrosuisse. Der Verband erteilt der Einführung eines Impfausweises eine klare Abfuhr: Ein Impfschutz dürfe keinesfalls das Zugangskriterium zu Veranstaltungen oder Lokalen werden. Ausserdem würde dies den Gastgebern «eine Rolle aufdrängen, die sie unmöglich erfüllen können». «Die bisherigen Schutzkonzepte haben sich in der Gastronomie gut bewährt», wie der Verband in einem Statement festhält.
Die Schweiz kann sich keine Alleingänge leisten
Was die Einreise in die Schweiz betrifft, hat der Schweizer Tourismus-Verband (STV) eine klare Haltung. «Sollte der Impfpass dazu dienen, das Reisen in und nach Europa – und damit auch in die Schweiz – zu erleichtern, wäre das klar in unserem Interesse», sagt Direktorin Barbara Gisi. Gleichzeitig warnt sie, dass der Impfpass «nicht dazu führen darf, dass nur noch Geimpfte quarantänefrei einreisen dürfen. Es muss auch mit negativen Testergebnissen möglich sein, eine Einreiseerlaubnis zu erhalten.» Sollte die EU einen Impfpass einführen, sei es wichtig, dass die Schweiz nachziehe, damit es nicht zu Wettbewerbsnachteilen komme.
Seitens des Bundes hält man sich zum Thema Impfpass noch bedeckt. Mehr als die sehr allgemein gehaltene Aussage des Bundesamts für Gesundheit (BAG), «dass man die Diskussionen auf internationaler Ebene sehr genau beobachtet und die damit verbundenen Fragen sorgfältig prüfen wird», ist derzeit nicht zu erfahren. Allerdings geht der Tourismusexperte der Hochschule Luzern, Jürg Stettler, davon aus, dass sich der Bundesrat einer EU-Regulierung anschliessen wird – auch wenn diese vielleicht nicht dem entspreche, was die Schweiz für sich allein entscheiden würde. Der Druck auf den Bund werde zu gross sein, als dass er sich dem entziehen könnte.
Impfungen könnten zum «Schmiermittel» werden
Selbst wenn zurzeit bezüglich der tatsächlichen Wirksamkeit noch Fragen offen seien und es unterschiedliche ethische und politische Diskurse gebe, «wird die wirtschaftliche Dynamik den Takt angeben», ist Stettler überzeugt. Wenn die Impfung – durch die seiner Ansicht nach «Geimpfte keine Vorteile erhalten, sondern Nachteile rückgängig gemacht werden sollten» – wirklich funktioniere, werde sie zum «zentralen Schmiermittel» des Tourismus werden. «Die Reiselust wird nie in die Gänge kommen, wenn es nicht einheitliche globale Regeln gibt.»
Die Debatte über den Impfpass als «Eintrittskarte» beschäftigt aber nicht nur die Reise- und Tourismusbranche, auch der Sport-, Messe- und Kultursektor kann sich dem Thema schwer entziehen. Swiss-Top-Sport-Präsident Ruedi Kunz geht derzeit davon aus, dass Besucherinnen und Besucher auch dann Zutritt zu Veranstaltungen erhalten sollen, wenn sie ein negatives Testergebnis vorweisen können. Swiss Top Sport überlege sogar, vor Ort Schnelltests anzubieten. Das seien alles Themen, die man derzeit intensiv bespreche – vorausgesetzt, die Vorschläge würden auch bei den Behörden auf Zustimmung stossen.
Die Veranstalter haben zurzeit noch ganz andere Sorgen
Doch die aktuellen Diskussionen sorgen unter Veranstaltern auch für Unmut. «Warum sollen Veranstalter und Kulturschaffende jetzt darüber sprechen, was sie von einem Impfpass halten, wenn man noch nicht einmal weiss, wann und unter welchen Bedingungen man wieder erste Veranstaltungen abhalten kann», macht Christoph Bill, Präsident des Branchenverbands der Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveranstalter (SMPA), seinem Ärger Luft. Dabei hätten sich die bestehenden Schutzkonzepte im letzten Jahr sehr gut bewährt – «Abstände, Hygiene, all das hat in bestimmten Veranstaltungsformaten bestens funktioniert», ist er überzeugt. Ausserdem passiere derzeit auch an der «Schnelltestfront» sehr viel. «Das Testen ist eine wichtige Alternative zur Impfung», unterstreicht Bill.
Auch für Procinema-Generalsekretär Rene Gerber kommt die Impfpassdiskussion noch zu früh: «Solange nicht genügend Impfstoff in der Schweiz vorhanden ist, um alle Leute zu impfen, die das auch wollen, geht die Diskussion in Richtung Diskriminierung.» Ähnlich auch die Aussage des Geschäftsführers des Schweizer Bühnenverbands, Roman Steiner. Viel sei noch unklar, man diskutiere intensiv. «Wir haben noch keine klare Haltung, aber es ist für uns sowieso der erste Grundsatz: Es braucht dazu eine gesetzliche Regelung. Und die ist ja noch nicht aktuell.»[RELATED]
Dem schliesst sich auch Christian Jecker an, Sprecher des Messeveranstalters MCH Group. Zuerst müsse die Politik klarmachen, ob man den Impfpass einführen wolle. «Es liefe auf eine Art Zweiklassengesellschaft hinaus – manche hätten Zugang zu Reisen und Veranstaltungen und andere nicht.» Setze sich der Impfpass jedoch durch, «wäre das auch für uns eine Erleichterung», sagt Jecker.
Liz Wollner-Grandville