Bei den Vorbereitungen zur diesjährigen Fête des Vignerons am Genfersee hatten die Organisatoren festgestellt, dass das Winzerfest in Neuenburg bei den Deutschschweizern bekannter ist als dasjenige in Vevey, das immerhin in der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit figuriert. «Das fanden wir schade», sagt Frédéric Hohl, Direktor der Fête des Vignerons. «Wir wollten deshalb eine Brücke schlagen zur Deutschschweiz.»
Das verbindende Element war laut Hohl schnell gefunden: der Wein. «Wir haben Wein in der ganzen Schweiz, und die Winzer kennen sich untereinander.» Zusammen mit den Branchenverbänden der Winzer sei daraufhin die Idee entstanden, zum ersten Mal auch Gastkantone aus der Deutschschweiz einzuladen, um die Veranstaltung über den Röstigraben hinaus bekannter zu machen.
Das Echo sei überwältigend gewesen, so Hohl. «Alle 26 Kantone haben zugesagt. Sie waren begeistert von der Idee, ihre Kultur, Produkte und ihre Tourismusattraktionen zu präsentieren.» Der Kanton Zürich beispielsweise wird seinen Kantonaltag unter anderem mit über 700 kostümierten Zünftern und dem Branchenverband Zürcher Wein als Partner bestreiten. Der Kanton Solothurn kommt per Schiff, während Graubünden eine Delegation mit Maultieren auf eine zehntägige Reise an den Genfersee schickt.
Weltweit im Schaufenster
Für Schweiz Tourismus ist die Fête des Vignerons «eines der Event-Highlights des Jahres 2019», wie Mediensprecher Felix Pal zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Der Generationenanlass sei eine Veranstaltung, die Schweiz Tourismus im Rahmen der Sommer- und Städte-Kampagne nicht nur schweizweit, sondern auch weltweit ins touristische Schaufenster stelle.
«Die Fête dreht sich um die Weinregion am Genfersee und rund um Vevey, dient aber auch der Präsentation der gesamten Schweiz als Destination im Weintourismus auf der ganzen Welt», unterstreicht Pal. Weltweit wurden der Fête des Vignerons Artikel in renommierten Publikationen gewidmet, so etwa in der «New York Times», dem «Guardian» oder dem «National Geographic».
Grossteil der Billette verkauft
Seit Anfang Juni laufen am Schweizer Fernsehen während eines Monats Werbespots für die Fête des Vignerons. Ein Grossteil der Tickets für das Festspiel sind mittlerweile bereits verkauft, wie die Medienverantwortliche der Fête, Marie-Jo Valente, einen guten Monat vor dem Beginn bilanziert. Von den 400'000 Plätzen in der über 20'000 Zuschauer fassenden Arena blieben nur noch 4300 in der Kategorie bis 79 Franken übrig.
80 Prozent sind in der Romandie verkauft worden, 15 Prozent in der Deutschschweiz und fünf Prozent im Tessin oder im Ausland. Der Absatz in der Deutschschweiz ist damit nicht riesig, die Organisatoren sind aber dennoch zufrieden. Am besten verkauften sich die Billette jenseits der Saane in den Kantonen Zürich, Basel, Bern, St.Gallen und Aarau. Bei den SBB hiess es auf Anfrage, es werde keine Extrazüge aus der Deutschschweiz geben, da für die erwartete Nachfrage das Regelangebot – teilweise mit Verstärkungen – ausreiche. Zudem habe die SBB einige Aufträge für private Charterfahrten erhalten.
Uneinigkeit über Profit
Die Organisatoren erwarten während der dreiwöchigen Grossveranstaltung zwischen 800'000 und einer Million Besucher – doppelt so viele wie 1999. Das Budget beträgt 100 Millionen Franken.
In welchem Umfang die Hotellerie und das Gewerbe von der Veranstaltung profitieren werden, ist schwer zu beziffern. Der Direktor der Wirtschaftsförderung Riviera-Lavaux, Bernhard Schmid, ist jedoch überzeugt, dass «dieses einzigartige Ereignis der Region wirtschaftlich einen grossen Impuls verleiht.» Schmid rechnet damit, dass die Einnahmen das Budget von 100 Millionen Franken um ein Vielfaches übersteigen dürften.
Der Direktor des Tourismusvereins Montreux-Vevey, Christoph Sturny, glaubt ebenfalls, dass die ganze Region touristisch von der Fête profitieren kann. «Wir versuchen, die Veranstaltung mit anderen Ausflügen wie etwa dem Schloss Chillon oder dem Chaplin Museum zu verbinden.» Den Nutzen könne man in Zahlen aber kaum abschätzen.
Im Hotel «Trois Couronnes», einem 5-Sterne-Hotel am See, rechnet man mit einer Zunahme der Übernachtungen von 30 Prozent. Solche Frequenzen habe man sonst kaum je, sagt Hotel-Direktor Jay Gauer. Der Werbe-Effekt für die Stadt und die Region Vevey sei unbezahlbar.
Detaillisten unzufrieden
Nicht so enthusiastisch ist das Kleingewerbe in Vevey. «Wir freuen uns auf die Fête», sagt Astrid Meyer, Präsidentin der Detailhändler der Stadt. Viele der Geschäfte hätten während der acht Monate dauernden Bauzeit für die Arena jedoch unter Einnahmeausfällen gelitten.
Sie hätten grosse Zweifel, dass diese Verluste während der Fête, die vom 18. Juli bis zum 11. August dauert, kompensiert werden könnten. «Bei diesen Massen, die erwartet werden, fragen wir uns, ob die Menschen wirklich noch in unseren Einkaufsstrassen flanieren werden.» (sda)