Christian Wildhaber, Sie sind seit drei Jahren General Manager des «Mandarin Oriental Palace». Was hatten Sie in dieser Zeit zu tun – so ganz ohne Gäste?
Viele können sich gar nicht vorstellen, dass es fast mehr zu tun gibt, als wenn der Betrieb läuft! Ich war für alles verantwortlich: Ich musste mein Team zusammenstellen, mich um die Planung kümmern, war für die Einrichtung und den technischen Dienst zuständig. Wegen Covid konnten unsere Techniker nicht einreisen, also habe ich alles selbst gemacht. Ich habe das ganze Kleinmaterial bestellt, das waren Tausende Waren, unter anderem für das Housekeeping, Geschirr, Bett- und Tischwäsche und vieles mehr.
Das «Palace» ist ein historisches Hotel. Was hat sich mit der Renovation verändert?
Die denkmalgeschützten Teile wie Decken, Wände und Böden im Erdgeschoss und das Treppenhaus wurden in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Das Interieur wurde komplett neu eingerichtet. Im Erdgeschoss haben wir das Interieur der Bar und der Restaurants erneuert und die gesamte Technik auf den neusten Stand gebracht.
Das tönt nach viel Arbeit.
Ja, im Treppenhaus haben die Restauratoren die alten Tapeten Schicht für Schicht abgetragen, bis sie zur originalen Wandverkleidung vorgestossen sind. Es wurden auch die historischen Stuckmarmorsäulen restauriert: An einer Säule arbeitet eine Person einen vollen Monat lang, und es gibt nur noch wenige, die dieses Handwerk beherrschen. 1906 war Stuckmarmor die günstige Variante des echten Marmors, heute wäre es günstiger, eine Marmorsäule aus Carrara importieren zu lassen!
Es ist wichtig, dass dieses traumhaft schöne Haus seine Geschichte behält.
Sie haben gesagt, dass Sie den Geist des «Palace» wieder aufleben lassen wollen. Was heisst das genau?
Viele Luzernerinnen und Luzerner haben Erinnerungen an dieses Hotel. Es ist wichtig, dass dieses traumhaft schöne Haus seine Geschichte behält. Das neue Interieur und das Dekor nehmen Themen auf, die im Haus vorhanden sind. Es gibt hier nichts, was nicht mit dem Haus zu tun hat. Die Leute, die hierherkommen, sollen das spüren.
Christian Wildhaber
Der General Manager des «Mandarin Oriental Palace Luzern» ist in Montreux VD aufgewachsen. Seine Karriere in der Hotellerie begann der 53-Jährige mit einer Kochlehre in der Schweiz. Danach zog es den Romand in die weite Welt: Er war unter anderem im «Kempinski» in Ajman (VAE) und in Marrakesch, im «Nikko Bali Resort» in Bali, im «Harbour Grand» in Hong Kong und im «The Langham» in Sydney tätig. Wildhaber packt gerne neue Herausforderungen an. Während seiner Laufbahn nahm er erfolgreich Positionen wie Küchenchef, F & B-Manager, Rooms Division Manager und Hotel Manager ein. 2016 wechselte er zur Mandarin-Oriental-Gruppe. Zuerst war er General Manager im «Mandarin Oriental» im chinesischen Guangzhou, 2019 trat er seine Stelle in Luzern an.
mandarinoriental.com/luzern/palace
Haben Sie ein Beispiel?
Wir haben das Alte mit dem Neuen verbunden. Die historischen Landschaftsbilder im Restaurant, in der Lobby und in der Bar hingen schon früher im «Palace». Die zeitgenössische Kunst an den Wänden bezieht sich entweder direkt auf ein Gemälde oder nimmt die Themen auf, die durch den Standort gegeben sind – Natur, Landschaft, Berge und Seen.
Und doch ist es ein Haus einer Hotelgruppe, die ihren Sitz in Hongkong hat.
Wir sind eine Gruppe von individuellen Hotels, die ihre eigene Persönlichkeit haben. Was die Häuser verbindet, ist der Standard, die Art der Gastfreundschaft und das Emblem des Fächers. Jedes einzelne Hotel hat seinen eigenen Fächer, angelehnt an die Geschichte des jeweiligen Hauses sowie die lokale Umgebung. Der Fächer des «Mandarin» in Luzern ist mit Blumen und Vögeln bemalt, die es in der Schweiz gibt.
Sie waren zuletzt drei Jahre General Manager im «Mandarin Oriental» in Guangzhou, davor arbeiteten Sie unter anderem in Sydney. Was hat Sie zurück in die Schweiz gezogen?
Als mir vor drei Jahren der COO der Gruppe erzählte, dass es in Luzern ein brandneues Projekt gibt, war ich sofort interessiert. Ich hatte schon zuvor mit dem Gedanken gespielt, nach Europa zurückzukehren – vor allem wegen meiner Eltern. Zudem ist es eine einmalige Gelegenheit, bei einem Hotel von Anfang an mit dabei zu sein. Man entwickelt eine ganz andere Beziehung zum Haus.
Es ist eine einmalige Gelegenheit, von Anfang an dabei zu sein. Man entwickelt eine ganz andere Beziehung zum Haus.
Gibt es in Luzern Bedenken, weil eine Kette mit Sitz in Hongkong das altehrwürdige «Palace» betreibt?
Ab und zu wurde mir schon die Frage gestellt, ob das nun ein asiatisches oder chinesisches Hotel werde. Das wird es ja aber nicht. Die Gruppe hat ihren Sitz in Hongkong, die Besitzer sind aber Engländer. Es ist für mich nicht anders, als für eine europäische Hotelkette zu arbeiten.
In Asien konnte ich einfach sagen: Morgen um sechs müssen 30 Leute da sein, und sie waren da.
Hatten Sie noch nie einen Kulturschock?
Ich habe bereits in Saudiarabien, Dubai, Nordafrika, Hongkong, China, Australien und Indonesien gearbeitet. Überall musste ich mich anpassen. In der Schweiz musste ich mich vor allem up to date bringen, was die gesetzlichen Vorgaben betrifft. In Asien konnte ich einfach sagen: Morgen um sechs müssen 30 Leute da sein, und sie waren da. Das funktioniert hier so nicht. Das Arbeitsrecht ist ein ganz anderes, und das finde ich richtig.
Was war anders in China?
Ich hatte bedeutend mehr Angestellte, nämlich 450, aber nicht viel mehr Zimmer als in Luzern, wo wir 136 Gästezimmer und Suiten haben.
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In Luzern gibt es eine Bar, das Restaurant Mozern mit einer Terrasse, das französische «Colonnade» und ein japanisches Restaurant. Wie wichtig ist das Gastronomiekonzept?
Sehr wichtig, nicht nur für die Gäste des Hauses, sondern vor allem auch für die Gäste von aussen. Der Name «MOzern» ist eine Verbindung von «Mandarin Oriental» und «Luzern» – hier sollen sich die Luzernerinnen und Luzerner treffen. Das französische und das japanische Restaurant werden wir erst nächstes Jahr öffnen, hier bieten wir gehobene Küche an. Wir verfolgen das klare Ziel, mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet zu werden. Die Mandarin-Oriental-Gruppe besitzt so viele Sternerestaurants wie wohl keine andere Hotelkette.
Das japanische Restaurant ist nicht für das grosse Publikum gedacht, es wird nur acht Sitzplätze haben.
Dieses Konzept heisst Omakase, die Stimmung ist intim, der Gast kann den beiden Köchen bei der Arbeit zuschauen, sie können ins Gespräch kommen. Das Essen wird zu einem ganzheitlichen Gourmeterlebnis mit vielen kleinen Häppchen, die laufend zubereitet werden. Es ist sehr exklusiv.
Haben Sie diese Gourmetkonzepte entwickelt?
Nein, dafür war das Food & Beverage-Team in London zuständig. Es analysiert jeweils den Markt und schaut, was passt und wo es möglicherweise eine Marktlücke gibt. In Luzern gibt es beispielsweise wenige Japaner.
Sie konnten den Sternekoch Gilad Pelad als Chef der Gastronomie gewinnen.
Das Food & Beverage-Team in London war schon länger mit ihm im Gespräch, es hält immer die Augen offen nach Spitzenchefs. Pelad ist ein Schüler von Gordon Ramsay und Clare Smyth, seine Küche im «Le Pressoir d’Argent» in Bordeaux wurde 2017 mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Als wir uns im Dezember 2019 in London trafen, fanden wir beide, das passt. Es ist eine interessante Stelle für ihn, denn er kann unter seinem Namen etwas Eigenes aufbauen.
Wir haben den riesigen Vorteil, den Namen eines bekannten Brands zu haben.
War es schwierig, Mitarbeitende zu finden?
Ja, vor zwei Jahren wäre es bedeutend schneller gegangen. Doch wir haben den riesigen Vorteil, dass wir den Namen eines bekannten Brands haben. Der zweite Vorteil ist die Neueröffnung, so etwas gibt es in der Schweiz in dieser Grössenordnung nicht oft: Es ist reizvoll, wenn man von Anfang an dabei sein kann.
Wie viele Mitarbeitende haben Sie?
Wir werden mit 158 Mitarbeitenden eröffnen – ohne das japanische und das französische Restaurant. Derzeit haben wir 130 Angestellte mit fast 40 Nationalitäten. 26 davon sind Schweizerinnen und Schweizer.
Bilden Sie auch Lernende aus?
Lehrstellen werden wir erst nächstes Jahr anbieten können, denn es war lange nicht klar, wann wir genau eröffnen. Ausbildung ist uns sehr wichtig, wir bieten unseren Leuten derzeit Managementtraining an. Im Oktober nehmen wir an den Berufserkundungstagen der Hotellerie und Gastronomie «Rock your Future» teil.
Wir brauchen die Luzerner und Luzernerinnen. Sie sollen zu uns essen kommen.
Welche sind für Sie die wichtigsten Gästegruppen?
Für uns sind alle wichtig. Vor allem aber auch die Schweizerinnen und Schweizer. Wir brauchen die Luzernerinnen und Luzerner, sie sollen zu uns essen kommen. Wir sehen aber für Luzern auch viel Potenzial in neuen Märkten wie dem Mittleren Osten, Brasilien und Indien, wo das «Mandarin» präsent ist.
Und wenn die Luzernerinnen und Luzerner ausbleiben sollten?
Dann müssen wir uns anpassen. Als Erstes würden wir natürlich wissen wollen, warum sie nicht kommen, dann müssten wir das Konzept ändern.
Luzern hat ein grosses Problem, noch immer fehlen die asiatischen Gäste.
Dieses Jahr wird es diesbezüglich noch ruhig bleiben, doch ich bin zuversichtlich: Nächstes Jahr wird der asiatische Markt zurückkommen. Nur bei den Chinesen wird es noch etwas länger dauern.
Wir bringen neue Gäste nach Luzern.
Spüren Sie Neid oder Konkurrenz der anderen örtlichen Spitzenhotels?
Nein, ich denke, die anderen Luxushotels sind sehr froh, dass wir bald eröffnen. Als bekannte Marke bringen wir neue Gäste nach Luzern, das hilft den anderen auch. Das bringt eine andere Dynamik mit sich, davon profitieren alle. Wir vermarkten nicht nur das «Mandarin Oriental», wir vermarkten auch die Stadt selbst.
In Zürich wird das Savoy Hotel Baur en Ville zum «Mandarin Oriental Savoy Zürich» und soll Mitte 2024 eröffnet werden. Eine Konkurrenz für Sie?
Im Gegenteil, das ist sehr gut. Eine starke Marktpräsenz in einem Land ist für uns sehr positiv. Mit Genf, Luzern und Zürich sind wir in drei sehr unterschiedlichen, wichtigen Schweizer Städten vertreten.
Die Arbeit als General Manager ist arbeitsintensiv. Wie schalten Sie ab?
Zu Hause bei meiner Frau und in der Natur. Das ist in der Schweiz ideal, ich muss nicht lange fahren, um im Grünen zu sein. Meine Frau ist Indonesierin und hat auch in der Hotellerie gearbeitet, das erleichtert vieles. Sie kennt das Gastgewerbe und weiss, was meine Arbeit bedeutet.
Wie gefällt es ihr in der Schweiz?
Es ist ein Traum für sie. Als entschieden war, dass ich in Luzern arbeiten kann, hat sie zuerst gesagt: Warum nicht in Zürich oder Genf? Das wäre besser. Doch dann hat sie sich in die Stadt verliebt. Es gibt kaum einen Tag, an dem sie beim Spazieren keine Fotos macht! Selbst wenn ich nun in Zürich arbeiten würde, würde sie in Luzern bleiben wollen.
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Das Palace Luzern: Das Grand Hotel des Schweizer Hotelkönigs
Viel Gespür fürs Geschäft
1903 kaufte der Hotelpionier Franz Josef Bucher-Durrer am Luzerner Nationalquai ein Stück sumpfiges Land. Der Obwaldner war Hotelier, Einsenbahnpionier und einer der wichtigsten Tourismusunternehmer in der Belle Epoque. So hatte er beispielsweise den Bürgenstock zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt: Er hatte hier drei Hotels errichtet, Zufahrtswege, die Drahtseilbahn Kehrsiten-Bürgenstock und den Hammetschwand-Lift gebaut. Er war mit seiner Firma «Schweizerische Hotelgesellschaft» in ganz Europa präsent: Zu ihr gehörten unter anderem die Hotels Minerva und Quirinal in Rom, das Hotel Semiramis in Kairo und das Grandhotel Méditerranée in Pegli bei Genua. [IMG 3]
Mit Luxus zum Erfolg
In Luzern liess er nach den Plänen des Architekten Heinrich Meili-Wapf 1904 bis 1906 für 3,373 Millionen Franken das Hotel Palace bauen. Besonders wichtig war hier der neuste Sanitärkomfort: Alle Zimmer und Apartments auf der See- und der Ostseite erhielten ein eigenes Bad, nur die rückseitig gelegenen Zimmer mussten sich mit Etagenbädern begnügen. Auf 350 Betten kamen so 120 Bade- und Toilettenzimmer. Das war ein einzigartiger Luxus in jener Zeit. Das «Palace» übertrumpfte damit die nahe gelegenen Luxushäuser «National» und «Schweizerhof». Bucher erlebte die Blütezeit des Hotels nicht mehr: Er starb noch im Jahr der Eröffnung. Seine Söhne Fritz und Arnold übernahmen die Geschäftsführung von Buchers Unternehmen. Nach deren Tod zerfiel das Hotelimperium, das «Palace» verblieb als einziges und letztes Haus in der Schweizerischen Hotelgesellschaft.
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Turm als Wahrzeichen
Das Luzerner «Palace» gehört zu den bedeutendsten in der Schweiz realisierten Hotelbauten und ist eines der letzten Grand Hotels der Stadt. Das Hotel liegt am östlichen Ende der imposanten Quaianlage aus dem 19. Jahrhundert und bildet den Abschluss der bedeutenden Luzerner Hotelreihe, die 1845 mit der Eröffnung des «Schweizerhofs» begonnen worden war. Mit dem südwestseitigen Eckturm erhielt das «Palace» sein Wahrzeichen. Für die Fassadengestaltung übernahm Meili-Wapf traditionelle Elemente wie die Pilastersäulen in den Risaliten. Das Dekor weist mit seinen floralen Formen bereits wichtige Einflüsse des Jugendstils auf.
Zwei Kriege überlebt
Während des Ersten Weltkriegs blieb das Hotel geschlossen, in den 1920er-Jahren erlebte es eine Blütezeit. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Hotel als Sanitätsanstalt und Vorratslager genutzt. 1946 wurde es wiedereröffnet und ab den 1970er-Jahren mehrfach modernisiert und umgestaltet. Mit dem Wiederaufbau der beiden Dachgeschosse 1993/94 erhielt das «Palace» 48 neue Zimmer und Suiten.
Wechselnde Besitzer
Im Oktober 1997 übernahm die Victoria-Jungfrau Collection das Hotel und den Betrieb und renovierte es von 1999 bis 2005 für 22,7 Millionen Schweizer Franken. Im Zentrum stand dabei die architektonische Rückführung zum Jugendstil. 2011 verkaufte sie das Haus für rund 30 Millionen Franken an die CS Funds AG, einen Immobilienfonds der Credit Suisse. Diese wiederum verkaufte das Haus 2015 an den chinesischen Investor Yungfeng Gao, dem das Unternehmen First Swiss Hotel Collection gehört. 2019 hat die internationale Hotelgruppe Mandarin Oriental den Betrieb übernommen.
Restaurierung und Wiedereröffnung
Im Oktober 2017 wurde das Hotel für fünf Jahre wegen Umbau geschlossen. 2018 begannen die Renovationsarbeiten, die nun abgeschlossen werden konnten. Das legendäre Haus wird am 24. September wiedereröffnet. Es hat nun 136 Zimmer, zuvor waren es 129 Zimmer. cl