Von Christophe Hans, Leiter Wirtschaftspolitik von HotellerieSuisse

Wie oft schon habe ich das rituelle Lamento gehört, dass die Tourismuslobby verglichen mit der Landwirtschaftslobby einfach schwach sei. Ja sicher, der Tourismus hat nicht dasselbe Gewicht. Aber ist seine Vertretung in Bern deshalb so schlecht?

Es stimmt, dass der Tourismus im Bundeshaus mit nur zwei Präsidenten von Dachverbänden unzureichend vertreten ist. Bei den Bauern sind es fünfzehn, ihr erweiterter Kreis umfasst gar 33 Volksvertreter. Das sind 13,4 Prozent aller Parlamentarier. [IMG 1]

Der Tourismus bekommt auch keine 3,7 Milliarden Franken pro Jahr, allein 2,8 Mrd. davon in Form von Direktzahlungen. Das Bruttoeinkommen der Akteure des Schweizer Tourismus ist nicht zu 51 Prozent durch Bundesmassnahmen garantiert. Sie erhalten etwa 250 Millionen pro Jahr, Darlehen und nicht rückzahlbare Finanzierungen zusammengerechnet. Der grösste Teil dieses Betrags geht ausserdem nur indirekt an die Begünstigten.

Der Schweizer Tourismus hat nicht einmal ein eigenes Bundesamt. Er muss sich mit acht tapferen Staatsdienern begnügen, die im Organigramm des Staatssekretariats für Wirtschaft versteckt sind. Er kennt keine Verfassungsartikel mit einer Flut von Gesetzen und einem Verordnungswerk, das ihm institutionelle Anerkennung verschafft und Aufgaben für die Gemeinschaft zuerkennt. Ganze vier Gesetze regeln gewisse Leistungen wie das Tourismusmarketing. All diese Aspekte sind wichtig, denn die Bundesverwaltung ist allmächtig in den Impulsen, die sie gibt.

Der Tourismus hat eine Umweltpflege- und Kulturrepräsentationsfunktion. In den Bergregionen ist er zudem ein sehr wichtiger Regionalentwicklungsfaktor. Der Tourismus ist Teil unserer Identität. Die bürgerlichen Parlamentarier sehen in ihm einen Wirtschaftszweig wie einen andern, wie etwa die Maschinenindustrie. Doch der Tourismus funktioniert nicht allein nach den Gesetzen der Privatwirtschaft. Diejenigen, die das glaubten, sind im Allgemeinen gescheitert. In Wahrheit liegt der Tourismus im allgemeinen Interesse. Das ist ein grundlegender Unterschied, und es ist der Grund, weshalb der Tourismus im Rang, den er in der Verfassung, im Gesetz und in der Organisation der Bundesbehörden einnimmt, besser anerkannt und unterstützt werden muss.

Nun hat ein jeder seine subjektive Definition von Tourismus. Für die einen muss er grün und sanft sein, für die andern zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bergregionen oder zum urbanen Business beitragen. Qualitätstourismus fordern alle, doch nur wenige sind bereit, dafür zu zahlen. Uneinigkeit ist also programmiert! Angesichts des bereichsübergreifenden Charakters der Branche kann dies auch gar nicht erstaunen.

Muss man daraus nun aber auf eine impotente Tourismuslobby schliessen? Dies wäre eine Beleidigung für rechte und linke Parlamentarier, für Bergregionen wie für Städte, die sich in allen Branchen engagieren. In der letzten Legislaturperiode haben sie dazu beigetragen, Missbräuche von Hotelbuchungsplattformen und Exzesse bei der Produktsicherheit zu bekämpfen, den Mehrwertsteuer-Sondersatz für zehn Jahre zu gewährleisten, die Bedeutung der Höheren Schulen für die duale Ausbildung anzuerkennen, Schüler für den Schneesport zu gewinnen und die Formulierung eines Gegenvorschlags für die Fair-Preis-Initiative zu erreichen. Die Tourismuslobbyisten haben sie beraten und unterstützt und bei der Bundesverwaltung interveniert. Was noch fehlt, ist eine stärkere Identifikation der Parlamentarier mit der grossartigen Ressource, die der Tourismus darstellt. Doch das ist Sache der gesamten Branche.

Christophe Hans