Mitten im Sommerloch sorgt im Internet ein Video eines deutschen Fotografen für Aufregung. Darauf undeutlich erkennbar: ein Geschöpf, vielleicht mit Geweih, das sich oberhalb des Tomasees beim bündnerischen Sedrun zwischen den Felsen bewegt. Um wen oder was es sich bei dem «Wesen vom Tomasee» handelt, darüber wird im Netz tagelang spekuliert. Der Urheber des Videos versichert gegenüber Medien, die Aufnahme sei weder gestellt noch bearbeitet. «20 Minuten» und «Blick» greifen die Story dankbar auf und lancieren Leserumfragen mit insgesamt weit über 30 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Während viele die Authentizität des Filmchens in Frage stellen, tippen nicht wenige auf ein Tier, ein Fabelwesen oder ein Vertreter eines indigenen Schweizer Urvolks – alles nicht ganz ungefährlich! Gut eine Woche nach Verbreitung des Videos sieht sich Sedrun Disentis Tourismus bemüssigt, das Wort zu ergreifen. Man nehme die zahlreichen besorgten Anfragen bezüglich der Sicherheit ernst, könne aber «Entwarnung» geben. Bei der Kreatur handele es sich höchstwahrscheinlich um das «Pazolamännchen», «ein absolut ungefährlicher Hüter und Wächter der Natur», wie es in der Medienmitteilung witzelnd heisst. Ferien und Wanderungen in der spektakulären Bergkulisse seien weiterhin vollkommen sorgenfrei geniessbar. Puh, Erleichterung!

Glückwunsch liebe Werber, ein gelungener Gag … würde ich sagen, wenn 1. April wäre. Sorry, aber die Aktion ist reine Verarsche. Hier will jemand Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis. Das ist gelungen: Tausende Menschen im In- und Ausland haben sich mit der Region beschäftigt. Doch sie taten dies nicht aus Faszination an der Bergkulisse, sondern weil sie auf eine falsche Fährte gelockt wurden. Die Aktion weckt Erinnerungen an das «Foto-Verbot» von Bergün oder das «Gold-Nugget» in Crans-Montana. Was kommt als Nächstes – T-Rex-Fund im Valsertal? Sexpflicht auf der SAC-Hütte? Oder doch nur ein – sagen wir – Krokodil im Hallwilersee? Bullshit ausdenken kann sich jeder. Doof wird’s, wenn’s jeder macht. Sommerloch hin oder her, Irreführung ist nicht okay.

Stattdessen ein Plädoyer für mehr «ehrliche» Tourismuswerbung. Auch sie kann ein lautes Echo auslösen. Der vielleicht beste Beweis ist das legendäre Pool-Video von der «Villa Hon­egg». Regelrechten Kultstatus haben die gehörnten Bündner Sympathieträger «Gian und Giachen». In schöner Erinnerung bleibt auch der Werbeclip von Basel Tourismus «Pokémon Go – The Revenge». Das Video ging viral – ganz ohne Täuschungsversuch.