Die 4-Tage-Woche ist derzeit in der Branche ein ganz heisses Thema. Sie soll zur besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben beitragen und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Auch im Jahr 1892 diskutierte die Hotellerie intensiv über die Arbeitstage der Angestellten. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – davon konnten die Arbeitskräfte damals allerdings nur träumen.

Es gebe unter Hotelangestellten «eine gewisse Strömung», welche die Einführung eines wöchentlich wiederkehrenden Ruhetags verlange, heisst es in der zweiten Ausgabe der Hotel-Revue, wie sich die htr hotel revue damals noch nannte. Die Basler Sektion des Genfervereins, einer internationalen Kellner-Vereinigung, hatte beschlossen: «Dem Ansuchen, Schritte zu thun, um auf gesetzlichem Wege die gerechte Forderung des Kellnerstandes auf einen Ruhetag durchzusetzen, soll entsprochen werden.»

16 bis 18 Stunden am Tage sind etwas viel
Heutzutage sind es nicht unbedingt die Angestellten, die auf eine 4-Tage-Woche pochen, sondern die Arbeitgeber, die diesbezüglich vorwärtsmachen. Sie sehen die Vorteile wie bessere Positionierung auf dem Arbeitsmarkt, weniger Fluktuation und ausgeruhtere und motiviertere Angestellte. 1892 dagegen konnten die Hoteliers der Idee eines Ruhetags nicht viel abgewinnen. In der Hotel-Revue schien man sich gar über das Hauptargument der Angestellten lustig zu machen, ein Ruhetag diene der physischen Ruhe und «Befriedigung des Seelenlebens»:

Vom idealischen Standpunkte aus betrachtet, sind diese Bestrebungen sehr lobenswerth, sowie jedoch Zweifel erlaubt sind in Bezug auf den Besuch des Gottesdienstes, wenn die freie Zeit an Sonntagen gestattet worden könnte, ebensogut darf in Frage gezogen werden, ob ein Ruhetag per Woche wirklich der geistigen und körperlichen Erholung gewidmet werde. Läge hiefür eine Garantie vor, so wollten wir es mit Freuden übernehmen, diesen Vorsätzen das Wort zu reden, leider aber müssen wir eingestehen, dass uns die Verantwortlichkeit für die eventuellen Folgen als zu gross erscheint, eingedenk des Bibelspruches: «Der Geist ist willig aber das Fleisch ist schwach.»

Hotel-Revue vom 19. März 1892

Auch dem Argument, ein Ruhetag pro Woche könne mithelfen, das Vereinsleben wiederzubeleben, konnte das Blatt wenig abgewinnen: Ein Verein müsse sich ja nicht wöchentlich treffen; stattdessen sei eine Vereinszusammenkunft pro Monat genug. Zudem würden – solange keine ausserordentlichen Traktanden vorlägen – ein paar Stunden für eine Vereinssitzung ausreichen, so die Autoren in der Hotel-Revue. Überhaupt werde «jeder vernünftige Angestellte» einsehen, dass während der Hauptsaison so oder so «von freien Tagen nicht wohl die Rede sein kann».

Es ist aber nicht so, dass sich der Schweizer Hotel-Verein grundsätzlich gegen die Debatte über eine Reduktion der Arbeitszeiten gesträubt hätte. Offenbar war den Arbeitgebern durchaus bewusst, dass Arbeitstage, die regelmässig 16 bis 18 Stunden dauerten, etwas gar lang waren. Nur sollte die Debatte nicht auf dem gesetzlichen Weg, sondern auf dem «friedlichen» Weg passieren, wie es die Hotel-Revue nannte.

Man drohte den Angestellten unverblümt
Die Redaktion war sich aber auch nicht zu schade, den Angestellten offen zu drohen – etwa mit der Einführung von Arbeit auf Abruf:

Ferner darf man bei dieser tiefeingreifenden Frage wohl einen Blick über die Gegenwart hinauswerfen und sich fragen, oh nicht durch allzu strammes Spannen des Bogens einem Uebelstand in die jetzigen Verhältnisse Eingang verschafft werde, der Gott sei Dank in der Schweiz noch nicht besteht, nämlich dem Systeme, einem Theil der Angestellten nur in der Stunde des Tages zu rufen, in welcher man für ihn Beschäftigung hat, sei es zur Mittags- oder Abendzeit.

Hotel-Revue vom 9. April 1892

Und in Richtung Union Helvetia, der heutigen Hotel & Gastro Union, giftelte die Zeitung, wenn die Berufsorganisation weiterhin auf eine gesetzliche Regelung der Ruhetage poche, werde sie eines schönen Morgens feststellen, dass der erfolgversprechende, «friedliche» Weg versperrt sei. Wer zu viel wolle, gehe für gewöhnlich leer aus. Der letzte Beitrag 1892 zum Thema schloss mit den Worten: «Wir möchten ihr [der Union Helvetia] desshalb den gutgemeinten Rath ertheilen, sich in der betreffenden Frage so lange Ruhe zu gönnen, bis die Ruhetagskommission des Hoteliervereins gesprochen hat.»

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