Ich kannte einen Koch, der sagte, dass er seine frische Fisch-Sauce durch Fermentation macht. Dann habe ich gefragt, wie lange das denn dauert, da sagte er sechs Jahre.» Amüsiertes Lachen in der Runde: Die Anekdote von Rainer Laabs, Marketingleiter Foodservice Hilcona AG, brachte am dritten htr-Tischgespräch der htr hotel revue zum Thema «Convenience-Food» aber auch das Spannungsfeld der Thematik gut auf den Punkt: Wann spricht man von Convenience und wann nicht? Die Teilnehmer aus Zulieferindustrie und Hotel- respektive Gastroküche machten sich auf die Suche nach der Antwort. Die Zeit, welche zwischen Produktion und Genuss liegt, kann es nicht sein, wie das Beispiel zeigt. Vielmehr scheint ausschlaggebend, wer das Produkt zubereitet: Eine vom Gastronomiebetrieb aus gesehen externe Gross- respektive Industrie
küche oder das Küchenteam vor Ort. «Wenn ich als Koch alle Verarbeitungsstufen selber bestreite, auch wenn es danach haltbar gemacht wird, dann ist das Essen für mich frisch», meinte Mirko Buri, der mit seiner Firma «Mein Küchenchef» im Sous-vide-Verfahren Gäste bekocht wie auch Gastronomen beliefert. Im Gastge
werbe gilt ein Produkt als frisch, wenn es selbst herstellt wird, «egal ob man danach die Haltbarkeit verlängert oder nicht».

Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Im Mai lud die htr hotel revue bereits zum dritten Tischgespräch nach Bern, diesmal zum Thema «Convenience-Food». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel ­revue vom 8.2.18), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018). Weitere Tischgespräche in diesem Jahr folgen und werden dann jeweils in der Zeitung wiedergegeben.

Mit Convenience-Produkten die Qualität im Griff
Im Gegenteil: Die längere Haltbarkeit verleiht dem Aufgetischten oft noch mehr Frische. Auch das sei kein Widerspruch, so 
­Buri: «Tiefkühlprodukte sind oft frischer als normale Produkte.» Beispiel Fruchtwähe: Am Morgen gebacken, kann sie am Nachmittag schon unansehnlich sein. Frisch aufgebacken dagegen nicht.

Convenience als Qualitätsgarant? Auf jeden Fall, waren sich die Gesprächsteilnehmer einig – ob nun das Haltbargemachte aus der gastgewerblichen oder industriellen Küche stammt. Entscheidend ist das Wie, also das ­Management der Produktionsprozesse. 80 bis 90 Prozent der ­Betriebe hätten die Kücheninfrastruktur, um selber Convenience-Food herzustellen, ist Oliver ­Brouwer, Leiter Vertrieb und Entwicklung bei der Hugentobler Schweizer Kochsysteme AG, überzeugt. «Es fehlt in erster Linie an Wissen, aber auch an der Produktionsplanung und den Rezep­turen.» Von diesen hat Marco Hächler, Küchenchef Belvédère Strandhotel & Restaurant, genug, einfach sei eine Qualitätskonstanz trotzdem nicht: «Ich habe in den letzten Jahren einige hundert Rezepte selber geschrieben, damit wir immer eine gleichbleibende Qualität haben.» Mache ein Koch im Team dies dann plötzlich anders, bemerken es die Gäste oft. Berufskollege Mirko Buri lieferte die Antwort: Ein Küchenteam müsse heute lernen, zwischen «Freestyle» und «normaler» Küche zu differenzieren.

[IMG 2] Qualitätskonstanz, das kann die Lebensmittelindustrie garantieren: Das gleich grosse Schnitzel wie der Tischnachbar, die Frischpasta, die dank Tiefkühlprozess immer gleich frisch schmeckt. «Punkto Qualität gelten bei uns die exakt gleichen Ansprüche wie in jeder professionellen Küche», betonte Yvonne Richard, Leiterin Marketing & Verkauf, Kadi AG. Das beginne bereits beim Einkauf, die Herkunft der Rohware sei wie in jedem guten Gastronomie­betrieb auch bei der Hilcona AG zentral, betonte Rainer Laabs: «Wir wissen, wo unsere Zutaten herkommen. Wir bauen zum Teil sogar unser eigenes Gemüse an. Unsere Produkte bestehen aus hochwertigsten Rohstoffen, wenn es geht Schweizer Rohstoffen.»

«Ich möchte ko
chen. Aber in der bezahlten Zeit, nicht während Überstunden.»
Mirko Buri
«Mein Küchenchef»

Individuelle Rezeptur ab einer Bestellmenge von 20 Kilo
Auch das Argument, dass aus der Industrie immer alles gleich schmecke, also wiederum die individuelle Note fehle, mit der sich ein Koch abheben kann, wollten die Industrievertreter am htr-Tischgespräch nicht gelten lassen: Ab einer regelmässigen Bestellmenge von 20 Kilo produziert Le Patron auch nach individuellen Rezepturen. So produziere man in Böckten beispielsweise 20 verschiedene Sorten Älpler Makkaroni: mit oder ohne Zwiebeln, eine oder zwei Komponenten, Pasta mit oder ohne Rille. «Dahinter steckt viel Entwicklungsarbeit», so Sandra Buess, Leiterin Verkauf & Marketing, Le Patron Orior Menu AG. Selbst ein eigenes Lager bekommt der Gastro-Kunde und kann dann von seinem eigenen Stock bestellen. Dem gastgewerblichen Kochprozess dient die Industrie durchaus als Vorbild, ergänzte Oliver Brouwer: «Wir schauen immer wieder, wie die Industrie produziert und versuchen, das dann auf ein kleineres Format herunterzubrechen.»[IMG 3]

Für eine schlanke Betriebsstruktur sind Convenience-Produkte heute unumgänglich, nur so können Arbeitsspitzen gebrochen und Mitarbeitende effizient eingesetzt werden. «Ich möchte kochen. Aber ich möchte das in meiner bezahlten Zeit machen und nicht während Überstunden», stellte Mirko Buri klar. ­Welche Rolle hier Convenience spielt, verdeutlichte Marco Hächler: «Wir stellen in unserer ‹toten Zeit› unter anderem Teigwaren wie Tortellini und Ravioli selber her und schockkühlen sie anschliessend. Bei Bestellung können wir innerhalb von Minuten eine frischgekochte Pasta servieren.» Bei Betriebsabläufen gehe es immer um Geschwindigkeit und dass der Gast nicht zu lange warten müsse.

Convenience gegen Fachkräftemangel
Zudem werden immer weniger Köche gefunden und erst recht nicht solche, die bereit sind, Überstunden zu leisten. Convenience-Produkte und -Produktion seien deshalb auch eine nötige Antwort auf den Fachkräftemangel, von dem gerade die Küche im Gastgewerbe besonders betroffen ist, so der Tenor der Runde. Der Gastronom müsse sich die Frage stellen, was er im Betrieb und was er von Dritten produzieren lässt, betonte Rainer Laabs. Und zitierte einen ihm bekannten Sternekoch aus München, der gesagt habe: Wenn er etwas selbst nicht so machen kann, dass der Gast wahrnimmt, dass es besser ist, warum solle er das dann noch selbst machen?

«Unsere Pfannen sind etwas grösser. Vom Prinzip her machen wir aber das Gleiche.»
Sandra Buess
Le Patron Orior Menu

[IMG 4]Der Unterschied sei eher eine Frage der Philosophie, ergänzte Buess: «Unsere Pfannen sind zwar etwas grösser, aber vom Prinzip her ist es genau das Gleiche.» Eine Frage der Philosophie respektive schlussendlich eine Frage des Marketings: Was lobt ein Koch als hausgemacht und was nicht – und nicht: Welche Produkte kommen aus dem (Sous-vide-)«Beutel» und welche nicht. Bei welchen Produkten – um bei der Sous-­vide-Produktion zu bleiben – füllt der Koch im gastgewerblichen Betrieb also das Gekochte selbst in den Beutel und bei welchen darf dieser Vorgang im Industrie­betrieb erfolgen. Yvonne Richard: «Der richtige Mix macht es aus. Es gibt kein entweder – oder, beides kann sich ergänzen. Als Küchenchef muss man ein Konzept haben, womit man sich profiliert und was man hinzukauft.» Für Selbergemachtes könne der Gastronom einen höheren Preis verlangen, der Gast müsse aber auch den Unterschied spüren, betonte Rainer Laabs: «Sonst hat der Gastronom ein Problem.» Das Marketing sei nicht glaubwürdig, die Preispolitik gehe nicht auf.

Wie eng die Convenience-Produktion von Dritten bereits mit der Gastronomie verknüpft ist, zeigt «Mein Küchenchef»: Der Koch steht für Gäste und Gastronomen am Herd. Immer mehr Gastronomen werden selbst zum Zulieferer oder Caterer. Und sitzen damit im gleichen Boot wie die Zulieferindustrie. Sandra ­Buess: «Noch vor einigen Jahren war die Zusammenarbeit mit Küchenchefs schwierig. Oft kam das Gefühl auf, man wolle ihm den Job wegnehmen. Heute ist es eine Win-win-Situation».


Convenience: Die fünf Stufen
Ob industriell oder inhouse hergestellt, Convenience Food wird gemeinhin in fünf Fertigungsstufen unterteilt. Es gilt: Je mehr Arbeitsschritte erledigt sind, desto höher die Stufe.[IMG 5]

  • Stufe 1: küchenfertig. Damit gemeint sind Lebensmittel wie geputztes, geschältes Gemüse oder zerlegtes Fleisch, das vor dem ­Garen noch vorbereitet, also portioniert, paniert oder gewürzt werden muss.
  • Stufe 2: garfertig. Unter garfertigen Lebensmitteln figurieren Teigwaren, Tiefkühlgemüse oder gewürztes Fleisch, also Lebensmittel, die ohne weitere Verarbeitung gegart und zubereitet werden können.
  • Stufe 3: aufbereitfertig. Darunter versteht man Instantsuppen oder -Desserts, die durch das Mischen mit weiteren Lebensmitteln oder durch Würzen zu fertigen Speisen werden.
  • Stufe 4: regenerierfähig. Das sind ganze Speisen oder einzelne Komponenten, die durch Auf­wärmen verzehrfertig werden  – 
das können industriell hergestellte Fertiggerichte oder aber auch das inhouse produzierte Gulasch sein.
  • Stufe 5: verzehrfertig. Alles, das genau so, wie es ist, tischfertig ist und keinen Arbeitsschritt mehr verlangt, wie kalte Saucen, fertige Salate

[IMG 6] Die Teilnehmer: Sechs Profis im Dienste des «bequemen» Foods
Mirko Buri, gelernter Servicefachangestellter und Koch, war vor seiner Selbstständigkeit u. a. im «Palace» in Gstaad. 2014 gründete er die Firma Mein Küchenchef, mit der er Fertiggerichte vertreibt, die mittels Sous-vide-Verfahren ohne künstliche Konservierung haltbar sind und beliefert damit Gastronomen wie Endverbraucher. Er engagiert sich stark für No-Food-Waste, eröffnete in Köniz BE das Restaurant zum Thema, gibt Kochkurse und Bankette. mein-kuechenchef.ch


Rainer Laabs ist Marketing­leiter bei Hilcona. Die Firma, 1935 als Konservenfabrik im Fürstentum Liechtenstein gegründet, gehört heute zur Bell-Gruppe und beschäftigt über 2000 Mitarbeiter. Sie ist spezialisiert auf Frische-Convenience in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Frankreich, Benelux und seit 2013 auch Polen. Sie beliefert mit Hilcona Foodservice Gastronomie wie Gemeinschaftsgastronomie inklusive massgeschneiderten Lösungen. hilcona.com [IMG 7]


[IMG 8] Yvonne Richard ist Leiterin Marketing und Verkauf bei Kadi. Der Kühl- und Tiefkühlproduktehersteller Kadi mit Sitz in Langenthal hat rund 170 Mitarbeitende und generiert Dreiviertel seines Umsatzes in der Gastronomie; 2017 betrug der Gesamtumsatz 70 Millionen Franken. Jährlich verarbeitet der Pommes-frites-Spezialist 26 000 Tonnen Kartoffeln, was etwa 100 Millionen Portionen Pommes frites entspricht. Die Firma ist Mitglied bei United Against Waste. kadi.ch


Oliver Brouwer ist Leiter Vertrieb und Entwicklung bei der Firma Hugentobler mit Sitz in Schönbühl BE. Der Familienbetrieb mit seinen rund 120 Mitarbeitenden ist spezialisiert auf Projektierung, Einrichtung, Montage von Grossküchen und setzt sich dafür ein, dass Küchen in Restaurants, Hotels, Heimen und Spitälern ihre eigene Convenience nach eigenen Rezepturen herstellen – mittels Technik, aber auch durch Ausbildung und Coach­ing. hugentobler.ch [IMG 9]


[IMG 10] Sandra Buess ist Leiterin Verkauf und Marketing bei
Le Patron Orior Menu in Böckten BL. Das international tätige Schweizer Lebensmittelunternehmen mit seinen 1700 Mitarbeitenden ist auf Frisch-Convenience-Food und Fleischveredelung spezialisiert. Spezielle Gastro-Konzepte wie Go Large (für die Event-Gastronomie) oder Be Smart (für die Frequenzgastronomie) bieten Food-Lösungen und -Konzepte, die individuell auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden. lepatron.ch


Marco Hächler, früher im Tropenhaus in Frutigen tätig, amtet als Küchenchef im Belvédère Strandhotel & Restaurant in Spiez BE, welches Wellness- wie auch Seminarhotel ist. Das über 100-jährige 4-Sterne-Superior-Haus unter der Leitung von Bruno Affentranger und David Romanato setzt auf eine gehobene kreative Küche mit traditioneller Ausrichtung. Hächler setzt Randzeiten gezielt für die Produktion von Inhouse-Convenience ein. belvedere-spiez.ch [IMG 11]