Der Schweizer Bundesrat hat wegen der Coronakrise die Schliessung von Verkaufsgeschäften für nicht lebensnotwendige Güter, von Restaurants, Coiffeurstudios, Physiotherapiepraxen und anderen verfügt und damit die wirtschaftlichen Aktivitäten im Land weitgehend lahmgelegt.
Viele Betroffene können keine Einkommen mehr erzielen, um ihre laufenden Kosten wie etwa die Miete zu bezahlen. Kein Wunder, erhalten die Vermieter derzeit viele Anfragen zu einer temporären Aussetzung der Zahlungen oder einen Mieterlass.
Viele Anfragen um Mieterlass
Auch Swiss Life, einer der grössten Immobilieninvestoren der Schweiz, hat solche Anfragen erhalten. «Es ist noch zu früh, um eine seriöse Abschätzung der Anzahl betroffener Mieter oder der Höhe des möglichen Mietzinsausfalls machen zu können», erklärte Florian Zingg von Swiss Life im Gespräch mit AWP.
«Unsere Mietertragseinbussen können wir heute noch nicht quantifizieren, aber wir werden sicherlich Einbussen verzeichnen müssen», antwortet auch Marion Schihin von der Immobiliengesellschaft Mobimo, deren Portfolio einen Wert von 3,3 Milliarden Franken aufweist. Besonders betroffen vom Lockdown seien Restaurants, Coiffeure, Bars und Kleidergeschäfte.
Doch für sie könne durch Mietzinsstundung rasch eine Entlastung gefunden werden, sagt Zingg von Swiss Life. Auch Mobimo ist bereit, länger auf die Mieten zu warten: Betroffene Geschäftsmieter hätten bereits ein Schreiben erhalten, in dem ihnen die Stundung des Mietzins des Monats April angeboten worden sei. Swiss Prime Site geht laut Sprecher Mladen Tomic ebenfalls aktiv auf Mieter zu.
In Deutschland ist mehr als nur eine Stundung der Mietschulden möglich. Im nördlichen Nachbarland können betroffene Gewerbler die Miet- und Nebenkostenzahlungen ganz schuldig bleiben. Diese Möglichkeit sieht das «Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie» vor.
Davon haben Firmen wie Adidas, Hennes & Mauritz oder Deichmann bereits Gebrauch gemacht. Deichmann ist Besitzer der Schweizer Gruppe Dosenbach-Ochsner.
Unklare Rechtslage
In der Schweiz ist die Möglichkeit zur Aussetzung der Mietzinszahlungen strittig. Hierzulande kann aber bei einem Mangel eine Herabsetzung des Mietzinses eingefordert werden.
Und an diesem Punkt setzt der Schweizer Mieterverband an. Dieser leitet aus einer unter Notrecht verhängten Betriebsschliessung einen Mangel an der Mietsache ab. Daher sei eine Senkung oder der Erlass der Miete angebracht.
Gastrosuisse, der Dachverband der Gastgewerbes, argumentiert gleich. Mietverträge erhielten normalerweise eine Bestimmung, wonach ein Mietobjekt zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt werde. Dieser vertraglichen Zusicherung könnten Restaurants, Bars und Clubs seit dem «Lockdown» nicht mehr nachkommen. Das sei ein Mangel im mietrechtlichen Sinne, was eine Herabsetzung des Mietzinses rechtfertige.
Geht ein Vermieter nicht auf ein Senkungsbegehren ein, sollen die Gastronomen nach Ansicht von GastroSuisse daher erwägen, für den April 2020 keine oder nur einen Teil der Miete zu zahlen. Der Gastrogewerbeverband der Bezirke Zürich und Dietikon empfiehlt seinen Mitgliedern gar, ab April gar keine Miete mehr zu bezahlen.
Ganz anders sieht es naturgemäss der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV): Bei einer Zwangsschliessung liege der Mangel nicht beim Vermieter, sondern daran, dass der Mieter seinem Geschäft nicht wie gewollt nachgehen könne, erklärte dieser in einem Gutachten.
Der Mieter könne einen eingeschränkten Betrieb unterhalten. Zudem habe der Vermieter keine Möglichkeit, die durch die behördlichen Verbote bewirkte Störung des Betriebs des Mieters zu beseitigen.
Lieber verhandeln
Die Rechtslage ist ungelöst. Wie künftig von Schlichtungsbehörden und Gerichten eine Wertung erfolgen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Und bis zu einem Entscheid des Bundesgerichts, der höchsten Instanz, können einige Jahre ins Land ziehen.
Doch bevor die Juristen auf den Plan gerufen werden, scheinen die Parteien heute zumindest noch den Verhandlungsweg vorzuziehen. «Am besten» sei es, wenn möglichst schnell eine einvernehmliche Lösung gefunden werde, erklärte GastroSuisse. Auch die Hauseigentümer rufen dazu auf, Lösungen auszuhandeln. (awp sda)