Zufälligerweise erreichte mich die Anfrage zu diesem Gastkommentar während der Familienferien, was mir die Möglichkeit gab, das Thema auch aus Gästesicht zu beurteilen.
Wir hatten unser Ferienhotel unter den folgenden Gesichtspunkten ausgesucht: genügend Platz im Zimmer für 5 Personen mit Hund, ideale Lage für die geplanten Wanderungen, und ein Schwimmbad sollte vorhanden sein. Bei Anreise stellten wir fest, dass der Betrieb etwas in die Jahre gekommen war und die 4 Sterne eher an der oberen Grenze anzusiedeln sind. Die Mitarbeitenden aber waren sehr freundlich, und auch an Kompetenz und Sauberkeit gab es wenig auszusetzen. Weil das Hotel für unsere Zwecke ideal, das Wetter super und die Familienstimmung gut war, hätte ich wahrscheinlich wohlwollende 8,5 von 10 möglichen Punkten gegeben.
Ich denke, die meisten unserer Gäste funktionieren so wie ich. Es ist nicht nur die Leistung des Hotels, sondern in hohem Masse auch das Drumherum entscheidend. So hatten wir in unserem Betrieb einmal von einem Gast die Minimalnote erhalten mit der Begründung: «Taxi zum Hotel hat 50 Franken gekostet.»
Sind nun Gästebewertungen ein unnötiges Übel oder eine Hilfe für Gast und Gastgeber? Wer bei der Zimmersuche auf Bewertungen achtet, muss zwar differenzieren, welche Aussagen für ihn relevant sind, kann sich aber aufgrund der Gesamtnote ein gewisses Bild machen (vorausgesetzt, es sind genügend Bewertungen vorhanden). Den grösseren Nutzen sehe ich aber für uns Hoteliers, denn aus den Noten und Kommentaren lassen sich wertvolle Learnings ziehen (ist die Benotung des Frühstücks permanent schlecht, sollte man sich schon einmal mit dem Thema befassen).
Wichtiger aber: Auf Buchungsportalen sind die Einträge rückverfolgbar, und man kann darauf reagieren. So wurde einmal eine Mitarbeiterin in einem Kommentar namentlich genannt und deren Entlassung gefordert. Wir konnten diesen Eintrag umgehend entfernen lassen. Eine Löschung zu beantragen oder eine Antwort zu verfassen, ist bei den OTAs deutlich einfacher als bei Facebook, Tripadvisor & Co. Gerade das Beispiel «Westin Leipzig» zeigt, wie schnell man sich im Social-Media-Dschungel in einem Shitstorm wiederfindet – ob nun berechtigt oder nicht. Diese Gefahr ist bei Booking.com, HRS etc. viel kleiner, auch weil bei diesen die Bewertungen nicht so leicht geteilt und multipliziert werden können.
Viele Portale sind aber anfällig für Fälschungen. Fehlt der Kontrollmechanismus, ob der Gast wirklich im Hotel oder Restaurant anwesend war, ist es ein Leichtes, Einträge zu kaufen oder zu manipulieren. Fragwürdig sind auch Systeme, in welchen man sich eine bessere Positionierung erkaufen kann. Ich denke aber, dass der Grossteil unserer Gäste dieses System durchschaut.Beim Check-out verkündete die Chef de Réception unseres Ferienhotels übrigens, sie hätte selten so freundliche, anständige Kinder im Hotel gehabt. Diese Aussage erstaunte mich zwar, hätte mich aber letztlich dazu bewegt, dem Hotel die Note 9,5 von 10 zu verleihen (meinen drei Söhnen hätte ich wohl eine Note knapp unter 9 gegeben).
Warum es sich nicht immer lohnt, auf Onlinebewertungen zu reagieren, erfahren Sie hier.
Thomas Kübli ist Geschäftsführer der Berner Hotels Ambassador und City.