Michael Böhler, Sie führen Ihre Hotels bereits nach KPIs (Key Performance Indicators). Kennzahlen sind ein wichtiger Bestandteil des Betriebsmanagements. Warum sind sie gerade für kleine und individuelle Betriebe wichtig?
Kleinere und Individualbetriebe sehen sich häufig nicht im selben Gefüge wie Hotelketten, die schon seit jeher mit KPIs arbeiten. «Das ist etwas für Hotelketten – nicht für mich» hören wir oft im Umfeld unter den Hoteliers und Hotelièren. Es ist wichtig, zu verstehen, dass auch kleinere Betriebe enorm von einer systematischen Messung und Analyse ihrer Leistung profitieren. KPIs ermöglichen es, Ziele zu definieren, den Fortschritt auf dem Weg dorthin zu überwachen und wenn nötig Massnahmen abzuleiten. Sie bieten eine klare Orientierung und helfen dabei, Ressourcen effizient einzusetzen.

Claudio Spranzi, Sie sagen offen, dass Sie kein Büro- und Zahlenmensch sind. Warum interessieren Sie sich für Kennzahlen?

Ich habe durch HotelFinance verstanden, dass KPIs nicht nur für Berater und Grossunternehmen sind. Sie sind für jedes Hotel von Bedeutung, unabhängig von seiner Grösse. Es geht darum, betriebsrelevante Kennzahlen zu identifizieren, gezielt zu messen und zu analysieren. Das kann helfen, die Leistung zu verbessern und den Erfolg langfristig zu sichern.

Können Sie die KPI-Thematik ganz einfach erklären?

Michael Böhler: Für mich sind es querbeet alle messbaren Indikatoren, die sinnvoll für den jeweiligen Betrieb vergleichbar gemacht werden können. In der Hotellerie gibt es eine Vielzahl solcher KPIs. Die gängigsten sind aber die umsatz- also revenuebezogenen Indikatoren, wie die durchschnittliche Tagesrate (ADR), die Auslastung und der Umsatz pro verfügbares Zimmer (RevPAR). Hier arbeiten wir allerdings nur «topline».

Was heisst «topline»?

Wir vergleichen nur die Umsätze miteinander. Diese Daten erhalten wir aus dem Property Management System. Interessant wird es, wenn wir den Erfolg – also Ertrag abzüglich Aufwand – messen können. Um die Daten dafür zu beziehen, benötigen wir eine möglichst automatisierte Finanzbuchhaltung,

Wie ist das bei Ihnen, Claudio Spranzi?

Bis anhin habe ich tatsächlich nur mit dem PMS meine Umsätze verglichen und gedacht, dass es schon gut kommt. Seit letztem November habe ich nun alle Zahlen zeitnah beieinander. Ich verstehe die Zusammenhänge und Auswirkungen mit jedem Monat besser. Dies befähigt mich, auch die Mitarbeiterzahlen aus der Lohnbuchhaltung sowie alle Managementzahlen aus dem PMS einzubeziehen und die relevanten KPIs für unseren Betrieb auszuwerten und gegenüber aussen zu begründen.

Wie kommen kleine Betriebe an diese Datengrundlagen und an Vergleichszahlen?

Michael Böhler: Zum einen können wir auf interne Datenquellen wie die Finanz- und Lohnbuchhaltung sowie auf das Property-Management-System (Protel, Mews, Apaleo, Opera Cloud ...) zugreifen. Zum anderen können wir externe Datenquellen wie den Benchmark von HotellerieSuisse nutzen, um unsere Leistung mit der unserer Wettbewerber zu vergleichen. Wichtig ist, dass die Datenquellen möglichst automatisiert und standardisiert aufbereitet werden. Das erfordert eine gewisse Infrastruktur. Ein Cockpit-Tool ohne vorgelagerte, automatische Datenaufbereitung nützt wenig. Mithilfe von HotelFinance.ch oder ähnlichen Systemen ist die Aufbereitung durchaus machbar, auch für kleinere Betriebe. Dann macht ein Cockpit Sinn.

Was raten Sie kleinen und individuellen Betrieben, die nach KPIs führen möchten?

Michael Böhler: Sich zunächst einen Überblick über die vorhandenen Datenquellen zu verschaffen und die notwendigen Daten systematisch zu erfassen und zu analysieren. Es ist wichtig, die richtigen betriebsrelevanten KPIs zu identifizieren, diese regelmässig zu überwachen und bei Bedarf anzupassen. Nicht zu vergessen: Information! Es ist wichtig, dass alle Mitarbeitenden verstehen, warum KPIs relevant sind und wie sie zur Steigerung des Unternehmenserfolgs beitragen können.

Claudio Spranzi: Für mich ist relevant, dass ich die Zahlen interpretieren lerne, um strategische oder kurzfristige operative Entscheide umsetzen zu können. Ich habe mir Unterstützung von einem Branchenprofi geholt und lerne monatlich dazu. Irgendwann benötige ich diese Begleitung nicht mehr in diesem Umfang. Für mich ist das eine persönliche Weiterbildung.


Branchen-KPIs Basis und Berechnung

Zeitnahe und vergleichbare Reportings, wo Grössen wie GOI (Gross Operating Income) und GOP (Gross Operating Profit) monatlich automatisiert nach denselben Kriterien berechnet werden. GOI und GOP sind die am häufigsten genutzten Grössen zur Berechnung der KPIs. Der GOI umfasst den Umsatz abzüglich aller direkten Aufwände. Für den GOP werden auch der allgemeine Betriebsaufwand sowie Unterhalt, Energie und Verwaltung subtrahiert.

Restauration
Warenkosten im Verhältnis zum Umsatz:
misst den Prozentsatz des Umsatzes, der für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen ausgegeben wird. Ein niedrigerer Warenkostenanteil deutet auf eine effiziente Beschaffung und Kostenkontrolle hin.

Küchen- und Kellerrendite: misst das Verhältnis zwischen Umsatz Restauration und den Warenkosten. Eine hohe Warenrendite deutet darauf hin, dass die Kalkulationen passen und der Wareneinkauf straff geführt ist.

Personalkostenanteil Restauration: ermöglicht eine detaillierte Analyse der Personalkosten, um mögliches Einsparpotenzial oder Effizienzsteigerungen zu identifizieren. Heruntergebrochen können die KPIs Küchen- und Kellerrendite noch ergänzt werden, um eine detailliertere Sicht über den Personaleinsatz in der Küche und im Service zu erlangen.

Restaurationsrendite II: misst den GOP in Prozent des Umsatzes des Restaurants.

Beherbergung
Gross Operating Profit Per Available Room (GOPPAR): misst den GOP pro verfügbares Zimmer. Der GOPPAR zeigt, wie effizient das Hotel seinen Betrieb im Hinblick auf die Erzielung von Gewinn aus jedem verfügbaren Zimmer führt. Berechnung: GOP durch die Anzahl der verfügbaren Zimmer teilen.

Personalkostenanteil Beherbergung: ermöglicht eine detaillierte Analyse der Personalkosten in der Beherbergungssparte, um mögliches Einsparpotenzial oder Effizienzsteigerungen zu identifizieren.

Personalkosten (Housekeeping und Réception) pro verfügbare Zimmer: berechnet die Personalkosten pro verfügbare Zimmer und hilft dabei, die Effizienz der Arbeitskräfte im Verhältnis zur Auslastung des Hotels zu bewerten.

GOP Beherbergung: kann als absolute Zahl (GOP) oder auch in Prozent) als KPI definiert werden. Je höher der GOP, desto rentabler ist die Sparte Beherbergung

Zimmerauslastung auf Öffnungstage: gibt an, welcher Anteil der verfügbaren Zimmer tatsächlich verkauft wurde. Eine hohe Zimmerauslastung zeigt, dass das Hotel die Nachfrage gut bedient und eine effektive Preisstrategie hat, um die Zimmer vollständig zu verkaufen. Eine niedrige Zimmerauslastung kann darauf hinweisen, dass das Hotel Schwierigkeiten hat, genügend Gäste anzuziehen, oder dass die Preise möglicherweise zu hoch sind. Berechnung: Zimmernächte durch verfügbare Zimmer x Öffnungstage.

Average Daily Rate (ADR): der durchschnittliche Tagesumsatz pro verkauftes Zimmer. Hilft, die Preisstrategie zu überwachen und zu optimieren. Berechnung: Gesamtumsatz Beherbergung durch Anzahl verkaufte Zimmer.

Gesamtbetrieb
GOP oder Brutto-Betriebsergebnis: kann als absolute Zahl oder auch in Prozent als KPI definiert werden. Je höher der GOP, desto rentabler ist der Betrieb.

Personalkostenanteil am Umsatz gesamt: misst den Prozentsatz des Umsatzes, der für die Personalkosten ausgegeben wird. Reisst der Wert aus, gilt es, in den einzelnen Sparten detailliert nach Erklärungen zu suchen und Massnahmen abzuleiten.

Drop Through (Reactivity): Ein Prozentsatz über 50 Prozent deutet darauf hin, dass das Hotel effizient Umsatzsteigerungen in operativen Gewinn umsetzen konnte oder im Falle eines Umsatzrückgangs effektiv Kosten reduziert hat. Berechnung: Die Veränderung des GOI/GOP durch die Veränderung des Umsatzes im Vergleichszeitraum teilen. Dieser Wert wird dann mit 100 multipliziert, um ihn als Prozentsatz darzustellen.

Cashflow: Es gibt viele KPIs in Zusammenhang mit dem Cashflow. 1. Wie viel Cash bleibt übrig, wenn die laufenden Betriebskosten gedeckt sind, um Investitionen zu tätigen oder Schulden zurückzuzahlen (kann grob am GOP abgelesen werden). 2. Das Netto-Umlaufvermögen der Bilanz (kurzfristiges Umlaufvermögen abzüglich kurzfristiger Verbindlichkeiten) muss mindestens positiv sein, damit genügend Mittel vorhanden sind, um Verbindlichkeiten zu begleichen.

Dieser Fachartikel ist in Zusammenarbeit mit Hotel Finance entstanden.

Über Hotel Finance
Langjährige Erfahrung in der Hotellerie kombiniert mit innovativer Finanztechnologie. Spezialisierte Lösungen adressieren die einzigartigen Branchenherausforderungen. Ineffiziente Prozesse werden eliminiert und eine transparente, automatisierte Finanzführung ermöglicht. Dies führt zu einer schnellen Datenaufbereitung für KPIs und dem Vergleich mit dem HotellerieSuisse-Benchmark.

Doris Egger, Co-Founder Hotel Finance