Nur 22 Prozent der Führungspositionen im Schweizer Top-Management waren 2023 in Frauenhand. Was löst diese Tatsache in Ihnen aus?
Diese Zahl überrascht mich nicht, sie ist die bittere Realität, der wir uns nur allzu bewusst sind. Wenn wir bedenken, dass etwa die Hälfte der Gesellschaft Frauen sind, sind 22 Prozent sehr enttäuschend. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir mit jeder Generation mehr Aufmerksamkeit erhalten und mehr bewirken. Der Mindset der Gesellschaft wird sich immer weiter in eine positive Richtung entwickeln.
Was muss in der Gesellschaft geschehen, damit es mehr Frauen an die Spitze schaffen wollen?
Es scheitert nicht am «Wollen», dafür lege ich meine Hand ins Feuer! Meines Erachtens fehlt es an Vorbildern, an Repräsentantinnen. Einerseits sind immer noch sehr wenige Frauen im mittleren Kader und in C-Level-Positionen und andererseits werden diese medial, an Konferenzen und in Schulen zu wenig gezeigt. Deshalb können sich junge Frauen nicht orientieren.
Es scheitert nicht am «Wollen», dafür lege ich meine Hand ins Feuer!
Carole Hauser, Verbandsleitungsmitglied HotellerieSuisse
Welche Impulse können Betriebe geben?
Es braucht bessere Richtlinien. In Betrieben wie auch in der Politik. Vorbild ist Schweden mit dem Elternschaftsurlaub, statt dem Mutterschaftsurlaub. In dieser Hinsicht muss sich auch die Mentalität unserer Kultur ändern. Es ist eine Elternschaft, nicht eine Mutterschaft. Es geht nicht nur darum, dass der Mann zu Hause hilft. Elternschaft ist Teamarbeit. Dafür braucht es Lohngleichheit, flexible Arbeitsstrukturen und vieles mehr. Die Betriebe müssen Anti-Diskriminierungs- und Anti-Belästigungs- Richtlinien aufstellen sowie klare Rekrutierungs- und Beförderungsrichtlinien verabschieden.
Der Verband setzt sich für Diversität allgemein und insbesondere für die Gleichbehandlung der Frauen ein. Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Die Frage geht viel weiter als bis zur Gleichstellung der Frau. Kaum eine andere Branche verbindet so viele unterschiedliche Menschen wie die Beherbergungsbranche und ist offen gegenüber Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Kulturen, Lebensgeschichten und Hintergründen. HotellerieSuisse ist überzeugt, dass Diversität ein zentraler Erfolgsfaktor für die Branche darstellt. Deshalb fördert der Verband Diversität auf mehreren Ebenen. 2020 lautete das Top-Thema des Verbandes beispielsweise #diversityinhospitality. Aufgrund der Coronakrise geriet dieses etwas in den Hintergrund. Doch auch während der Pandemie trafen sich Hotelièren digital anlässlich des International Women’s Day und diskutierten Branchenthemen.
Was entstand daraus?
Seit 2021 bietet HotellerieSuisse ein Mentoringprogramm, an. Zudem wurde auch die Diversität im Vorstand von HotellerieSuisse gefördert. Vor einigen Jahren noch ausschliesslich männlich, sind heute vier Frauen in der Verbandsleitung und seit diesem Jahr mit mir und Pierre Isenschmied auch eine Jung-Hotelière und ein Vertreter aus der Markenhotellerie vertreten. HotellerieSuisse ist weiter Gründungsmitglied von Equality4Tourism und auch im Vorstand des Vereins vertreten.
Hat der Verband seine Arbeit damit getan?
Wir dürfen nie aufhören, Diversität zu fördern. Jede und jeder ist gefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und das Bewusstsein in der Gesellschaft zu fördern. Das geschieht nämlich noch zu wenig. Es braucht auf allen Ebenen Massnahmen. Auch in Bezug auf den Arbeitskräftemangel sind wir darauf angewiesen, die Diversität weiter voranzutreiben. Sie ist nämlich eine grosse Chance, um dem Arbeitskräftemangel in der Branche entgegenzuwirken.
Was tun Sie im Betrieb, um Frauen zu fördern?
In unserer Betriebskultur ist Gleichberechtigung verankert. Mehr als die Hälfte des Kaders und des Verwaltungsrat sind Frauen. Unsere Mitgastgeber wissen, dass es bei uns auf die Kenntnisse, Fähigkeiten und die Motivation ankommt, nicht auf das Geschlecht. Zudem sind wir mit dem Hotel auch Mitglied von Equality4Tourism, um noch weiter an diesem Thema zu arbeiten und diese Gleichstellung in der Branche zu unterstützen.
Wie fördern Sie Frauen in ihrem persönlichen Umfeld?
In meiner neuen Position in der Verbandsleitung haben sich für mich bereits viele Türen geöffnet. Oft jedoch nehme ich diese neuen Möglichkeiten nicht selbst wahr, sondern lasse anderen Frauen den Vortritt. Sei dies für Podiumsdiskussionen oder andere Engagements. Es ist mir wichtig, dass ich diese Position nutze, um mehr Frauen ins Spotlight zu rücken, um offen über diese Themen zu sprechen und die Visibilität der Frauen zu fördern.
Was wünschen Sie der Gesellschaft zur Frage der Frau?
Unglaublich viel: Dass sich Frauen in öffentlichen Bereichen sicher fühlen, dass Frauen im Gesundheitswesen ernster genommen werden, da denke ich beispielsweise an das Gesundheitsthema Endometriose. Frauen sollen selbst über ihren Körper bestimmen können. Sie sollen frei sein in der Entscheidung zu Abtreibung, Verhütung und Befruchtung. Den Frauen sollen bei sexuellen Übergriffen faire Rechtsverfahren garantiert werden und sie sollen überall auf der Welt jederzeit zur Schule und zur Arbeit gehen dürfen. Ich weiss, die Liste ist lang aber wichtig!