Mit einem Pieps wechselt das Lämpchen über der Türklinke auf grün. Die Türe zum Hotelzimmer ist offen. Für mich ist das stets ein ganz besonderer Moment, kurz bevor man zum ersten Mal das Zimmer und damit sein Zuhause auf Zeit betritt.
[IMG 2]Sieht das Zimmer so aus, wie im Internet? Wie ist die Aussicht? Wie fühlt sich das Bett an? Hat es ein Schöggeli auf dem Kopfkissen? Diese Mischung aus Vorfreude und Spannung wird sich bei mir nie ändern. Was sich dagegen verändert hat, ist die Art und Weise, wie der Gast die Türe aufsperrt. Die Schlüsselkarte hat den Schlüssel mehrheitlich abgelöst. Manchmal vermisse ich in einem Anflug von Nostalgie den guten alten Schlüssel mit diesem unmöglichen Plämpu dran, den es in meiner Jugend noch überall gab.
Das Beispiel zeigt: Die Technik im und um das Hotel verändert sich ständig. Was gestern Standard war, ist heute passé. Und morgen sieht vieles noch einmal anders aus. Das Beispiel zeigt aber auch: Die Technik mag sich verändern, doch die Emotionen bleiben. In der Hotellerie geht es um Menschen. Um die Gäste, die sich im Hotel willkommen fühlen sollen, die sich so wohl fühlen sollen, dass sie wiederkommen. Um die Angestellten, die stets als wichtigste Ressource bezeichnet werden, die es überhaupt erst möglich machen, dass sich die Gäste eben wohl fühlen.
Welchen Stellenwert hat Technik?
Was aber hat die Technik in diesem People's Business für einen Stellenwert? Tamara Dias ist Länderchefin Schweiz der niederländischen Hotelkette Citizen M. Ihre Hotels – eines in Zürich, eines in Genf – wurde auch schon als Hightech-Häuser beschrieben. «Bei uns hat Technik einen sehr hohen Stellenwert», sagt sie. Das sei von Anfang an die Idee hinter der 2005 gegründeten Hotelkette gewesen. Für Dias muss Technik im Hotel funktionieren wie ein Smartphone, das nicht als kühle, abweisende Maschine verstanden werde, sondern als hilfreiche Unterstützung.
So paradox es klingen mag, für Dias sorgt die Technik im Hotel nicht für weniger, sondern für mehr Menschlichkeit. «Wenn die Angestellten die Gäste beim Check-in nach einer Kreditkarte oder dem Ausweis fragen, fehlen die Wärme, die Menschlichkeit, die es ausmachen, dass man sich als Gast willkommen und wohl fühlt. Indem bei uns diese Aufgaben beim Self-Check-in die Technik übernimmt, haben die Mitarbeitenden mehr Zeit, echten Mehrwert zu schaffen.» Sie sollten besser nach den Wünschen des Gasts fragen, statt nach seinem Ausweis.[IMG 3]
Für Andreas Marti, Verwaltungsrat bei den Gebäudetechnikunternehmen der RMB-Gruppe, muss Technik vor allem eines: funktionieren. Wenn immer möglich, müsse sie im Hintergrund und im besten Fall sogar unsichtbar bleiben. Marti selber bezeichnet sich zwar als technikaffin. Aber sogar er wundert sich, wenn es in einem Hotelzimmer zwar jede Menge cooler Gadgets gebe, aber deren Funktionalität nicht immer gegeben sei.
In der Gebäudetechnik seien die Anforderungen komplexer geworden, meint Marti. Damit habe sich auch der Stellenwert verschoben. «Seit Corona stellt sich beispielsweise die Frage, was die Gebäudetechnik zum Schutz der Gäste beitragen kann.» Die Systeme, wie sie RMB plane, erfüllten zwar alle Anforderungen punkto Gesundheitsschutz. Trotzdem müsse man dem Kunden vermitteln können, weshalb er sich gerade in diesem Hotel besonders sicher fühlen könne.
Was verändert Corona?
Die Pandemie verändert nicht nur das Sicherheitsbedürfnis der Gäste. Auch die Frage nach Investitionen in die Technik muss oft neu evaluiert werden: Kann ich mir die Kosten für neue Technik im Hotel überhaupt leisten? Oder ist der Zeitpunkt für Investitionen jetzt gar besonders günstig, da weniger Gäste im Hotel absteigen?[IMG 4]
Welche Haltung am Ende überwiegt, darüber sind die Fachleute uneins. «Die Bereitschaft, mit Investitionen Energie- und Betriebskosten aktiv zu senken, ist mit Corona praktisch auf Null gefallen», sagt Martin Hofer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Wattelse. Die Branche habe im Moment andere Sorgen als die Technik, was nachvollziehbar sei. Dabei wäre jetzt ein interessanter Zeitpunkt, den man nutzen könnte.
Bei vielen Berufskollegen sei der Fokus momentan tatsächlich woanders, sagt auch die Hotelière Dias. Nicht aber bei Citizen M: «Wir haben die Zeit genutzt, um auch auf der technischen Seite ganz viele Projekte anzugehen.» So können die Gäste neu etwa Essen und Getränke per App bestellen. Oder die Angestellten können im Rahmen eines vereinbarten Minimums und Maximums selber bestimmen, wie viel sie wann arbeiten wollen.
«Wir hatten gerade in der Covid-Zeit einen wahnsinnigen Aufschwung.»
Fabio Lo Curto
Salto Systems AG
«Wir hatten gerade in der Covid-Zeit einen wahnsinnigen Aufschwung», sagt auch Fabio Lo Curto, der beim Schliesssystemhersteller Salto Systems AG für die Kunden aus der Schweizer Beherbergungsbranche zuständig ist. Es gebe derzeit viele Hotels – auch in der Stadt –, die jetzt die Zeit mit weniger Gästen nutzten, um in Self-Check-in-Konzepte zu investieren und zu modernisieren.
Was bedeutet die Klimadebatte für die Technik?
«Corona hat vielleicht den einen oder anderen Hotelier davon abgehalten, aktuell in Technik zu investieren», sagt Marti von RMB. Aber in Zukunft komme man, wenn man den Wert seiner Liegenschaft erhalten möchte, wohl nicht darum herum, in Anlagen zu investieren, die den CO₂-Ausstoss reduzierten. Heute sei Ökologie in Zusammenhang mit einer Immobilie vielleicht noch ein Verkaufsargument, in 10, 20 Jahren sei sie aber eine Selbstverständlichkeit und werde vorausgesetzt, prognostiziert Marti. Eine Herausforderung sei der Dschungel an Nachhaltigkeitszertifikaten. In diesem müsse der Berater dem Hotelier helfen, die Übersicht zu behalten.
«Wir werden fossile Energieträger ersetzen müssen»
Martin Hofer
Geschäftsführer Wattelse
[IMG 5]«Wir werden fossile Energieträger ersetzen müssen», ist auch Wattelse-Geschäftsführer Hofer überzeugt. Aber es brauche auch Bemühungen, dass die Systeme besser aufeinander abgestimmt seien. «Weiss die Heizung heute, was die Lüftung tut? Die Antwort ist nein.» Denn die Heizung funktioniere nach der Aussentemperatur, die Lüftung nach der Temperatur im Innenraum. Technische Systeme in Hotels seien zudem oft historisch gewachsen und deshalb schlecht aufeinander eingestellt. Hier brauche es noch eine bessere Abstimmung, bis hin zu technologischem Fortschritt.
Welche Bedeutung haben die Betriebskosten für ein Hotel?
Über den Lebenszyklus einer Immobilie betrachtet fielen 80 Prozent der Kosten im Betrieb an, sagt Hofer. Die gute Nachricht: Mit Optimierungen wie besseren Einstellungen oder kleinen baulichen Anpassungen liessen sich diese Kosten relativ einfach reduzieren. Solche Massnahmen zahlten sich in der Regel für die Hotelièren und Hoteliers binnen einem bis zwei Jahren aus. Zudem lasse sich oft mit kleinen Massnahmen die Lebensdauer der Anlagen um fünf bis zehn Jahre verlängern «Umso überraschender ist, dass Hoteliers gemäss einer Bachelor-Studie den Komplettersatz von Anlagen gegenüber der Betriebsoptimierung oft vorziehen», so Hofer.
«Investitionen in Gebäudetechnik müssen sich heute ökologisch und ökonomisch lohnen.»
Andreas Marti
Verwaltungsrat RMB-Gruppe
«Investitionen in Gebäudetechnik müssen sich heute ökologisch und ökonomisch lohnen», sagt RMB-Verwaltungsrat Marti. Es sei aber nicht immer einfach, den Hoteliers zu vermitteln, dass sie mit Ausgaben für Gebäudetechnik über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, auch Geld einsparen können. «In der Regel sind die Hotelbetreiber ja nicht besonders technikorientiert.»
Diese Herausforderung kennt auch Hofer: «Bei einigen Hotels ist die Gebäudetechnik Direktionssache. Nur ist das nicht ein Thema, das der Hoteldirektion besonders nahesteht.» Man schiebe es gerne vor sich her, bis es am Ende einen Ausfall gebe und man dann notfallmässig handeln müsse. Dann könne es nicht nur teuer werden. Im schlimmsten Fall sei es auch für die Gäste eine äusserst unangenehme Erfahrung.
Und wenn Technik die Gäste überfordert?
Auch funktionierende Technik kann im schlimmsten Fall für die Gäste zur schlechten Erfahrung werden. Dann nämlich, wenn sie die Gäste überfordert. «Wenn ich in manchen Hotelzimmern die alten Systeme sehe, die teilweise über mehrere Zwischenschritte bedient werden müssen oder drei, vier Bedienpunkte umfassen, frage ich mich schon, ob da der Gast nicht manchmal überfordert ist», sagt Marti.
Ein Schliesssystem müsse intuitiv und für den Gast einfach zu verstehen sein, findet Salto-Mann Lo Curto. «Man kann natürlich alles in Materialien verstecken und integrieren, wie man es etwa im Chedi in Andermatt getan hat.» Wichtig bei solchen Konzepten sei immer, wie es der Gast annehme. «Es muss den Betreibern und dem Architekten bewusst sein: Der Gast soll das System möglichst barrierefrei und ohne Unterstützung bedienen können.»
«Spielereien kommen bei uns definitiv nicht ins Haus.»
Tamara Dias
Länderchefin Schweiz Citizen M
«Wenn ich daran denke, wie sich die Leute teilweise am Flughafen beim Self-Check-in abmühen, war die Überforderung der Gäste auch etwas meine Befürchtung, als ich zu Citizen M gewechselt habe. Vor dem Tablet, mit dem sich im Zimmer alles steuern lässt, hatte ich grossen Respekt», sagt Dias. Glücklicherweise gab es bisher aber nie Probleme. Entscheidend seien zwei Dinge: Erstens müsse der Gast immer die Wahl haben. «Er kann das Licht mit einem klassischen Schalter an- und ausknipsen oder über das Tablet.» Zweitens dürfe nur die Technik eingesetzt werden, die auch wirklich einen Mehrwert bringe. «Spielereien kommen bei uns definitiv nicht ins Haus», hält Dias fest.
Wie sieht die Technik im Jahr 2040 aus?
Er staune immer wieder, sagt Fabio Lo Curto, wenn neue Systeme entwickelt würden, die so kompliziert seien, dass niemand ausser dem Erfinder selber sie wirklich verstehe. Salto setze stattdessen auf Systeme, die sich bewährt hätten und die es auch in Zukunft noch geben werde. Vorreiter in Sachen Schliesssystemen seien derzeit gewisse Reha-Kliniken: «Dort gibt es teilweise sehr innovative Konzepte, weil man möglichst nichts anfassen sollte. Das Ziel ist es, wirkliche Barrierefreiheit hinzubekommen.» Am Ende entscheide der Gast, was sich durchsetzt.
Einiges spricht dafür, dass sich die Bedürfnisse der Gäste auch in 20 Jahren nicht komplett verändern werden. Letztlich geht es in der Hotellerie heute wie vor 20 Jahren um eine Willkommenskultur, um Convenience und um erholsamen Schlaf. Es erstaunt deshalb nicht, dass selbst die Chefin der Hightech-Hotels sagt: «Die Hotellerie ist und bleibt eine sehr traditionelle Branche. Das durchschnittliche Hotel wird auch in 20 Jahren noch so aussehen wie heute.»
Kommt hinzu, dass die Hardware der Technik die Möglichkeiten begrenzt. «Inspiriert durch die Digitalisierung versucht man heute, mit Technik alles Mögliche zu erreichen», sagt RMB-Verwaltungsrat Marti. Aber Technik habe ihre Grenzen – gerade auf der mechanischen Seite. Eine Lüftung bleibe am Ende eine Kombination aus Kanälen, Ventilatoren und Filtern. Daran ändere alle Digitalisierung nichts. Dafür fehle gerade in der Luxushotellerie ab und zu das Verständnis.[IMG 6]
Für Marti ist klar: «Innovation entsteht heute nicht mehr durch die mechanische Technik. Innovation geschieht dort, wo man über Daten und Informationen verfügt und diese intelligent einsetzt.» Hofer von Wattelse sieht das ähnlich: «Intelligente Gebäudetechnik verhält sich in der Regel gar nicht so intelligent, wie das die Verkäufer gerne darstellen. Die Erfassung und Auswertung der Gebäudetechnikdaten wie Temperaturen, Luftqualität und Ventileinstellungen ermöglichen aber automatisierte Rückschlüsse auf die Gebäude- und Anlagennutzung und die Optimierung der Prozesse.»
Mehr zum Thema Technik und Gästedaten in der Hotellerie erfahren Sie in den Videos:
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[IMG 11]Herr Hofer, schätzen Sie als Gast personalisierte Dienstleistungen, die aufgrund Ihrer Daten ausgewählt werden?
Über die Schlüsselkarte lassen sich viele Daten erfassen. Ist Ihnen persönlich als Gast wohl dabei, Herr Lo Curto?[IMG 12]
[IMG 13]Frau Dias, was sind Ihre Erfahrungen, wie Hotels mit Gästedaten umgehen?
Am Tischgespräch teilgenommen haben:
[IMG 7]«Technik sorgt im Hotel für mehr Menschlichkeit»
Tamara Dias Länderchefin Schweiz, Citizen M
Citizen M wurde 2005 durch den Unternehmer Rattan Chadha (Modegruppe Mexx) gegründet. Die Hotelkette aus Amsterdam legt Wert auf Design und technische Lösungen wie Check-in-Terminals und Tablets zur Steuerung aller Funktionen im Zimmer. Als Länderchefin Schweiz ist Diaz für zwei Hotels (Zürich und Genf) zuständig.
«Hotels nutzen die Zeit, um zu investieren»[IMG 8]
Fabio Lo Curto Country Manager Hospitality, Salto Systems AG
Das 2001 gegründete Unternehmen Salto Systems gehört zu den führenden Anbietern von elektronischen Zutrittskontrolllösungen. Die Gruppe mit Hauptsitz in Spanien ist weltweit an 40 Standorten vertreten. Neben der Hotellerie kommen ihre Kunden auch aus anderen Branchen wie dem Gesundheitswesen und der Bildung.
[IMG 9]«Investitionen müssen sich auch ökologisch lohnen»
Andreas Marti Verwaltungsrat, RMB Group AG
Die Luzerner RMB-Gruppe besteht aus den Segmenten Engineering und Facility Management. Beim Engineering steht die Planung und Umsetzung der Gebäudetechnik im Zentrum, beim Facility Management die Gebäudeeffizienz und Werterhaltung. Zu den Kunden zählen u.a. Hotels, Detailhändler und Immobiliengesellschaften.
«Kein Roboter kann ein Lächeln ersetzen»[IMG 10]
Martin Hofer Geschäftsführer, Wattelse AG
Bei Wattelse dreht sich alles um die Optimierung von Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärinfrastrukturen. Das Unternehmen berät unabhängig von Planungsbüros, Herstellern und Installateuren die Bauherrschaft in Fragen der Gebäudetechnik und optimiert bei bestehenden Lösungen den Betrieb – etwa in Hotels und Restaurants.