So etwas haben Touristen in Hasliberg wohl noch nie erlebt. Beim Abendessen knackt es auf einmal im Lautsprecher – der Gastgeber hat eine wichtige Mitteilung: Am nächsten Morgen müssen alle ihre Koffer packen, weil der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden kann. So geschehen im Hotel Panorama Anfang Januar. Schuld an der zweiwöchigen Schliessung war natürlich: Corona.
Gäste hatten Verständnis
«Fünf von sieben Servicemitarbeitenden wurden positiv getestet, drei weitere ebenfalls», sagt «Panorama»-Gastgeber Panos Perreten. Er selbst war auch unter den Virusopfern, «obwohl wir alle geimpft sind». Da keiner mehr die Gäste bedienen konnte, in der Küche und im Housekeeping immer mehr Personal erkrankte, blieb Perreten nichts anderes übrig, als vorübergehend dichtzumachen. «Die Gäste hatten aber Verständnis, nach der Hiobsbotschaft gab es sogar eine Standing Ovation», sagt der Hotelier. «Selbstverständlich haben wir alle nicht bezogenen Leistungen zurückerstattet.» [RELATED]
Der Verband HotellerieSuisse geht davon aus, dass die Umsatzeinbussen im Dezember und Januar durchschnittlich mehr als 80 000 Franken pro Betrieb betragen werden. Das hat Konsequenzen: Perreten musste die Reserven anzapfen, um die Löhne auch während der Schliessung weiterzahlen zu können.
Jeder zwanzigste Betrieb musste schliessen
Wie dem Hasliberger Gastgeber ergeht es derzeit vielen Hoteliers. Die Alaïa Lodge in Crans-Montana hatte Mitte Dezember neu eröffnet und musste am 10. Januar für zweieinhalb Wochen gleich wieder schliessen (siehe Interview Box). Und auch das Steigenberger Grandhotel Belvédère in Davos musste seine Gäste für eine Woche nach Hause schicken – wegen Corona-bedingter Mitarbeiterausfälle.
Drei von vier Betrieben hatten im Dezember und Januar wegen Quarantäne- oder Isolationspflicht mit Personalausfällen zu kämpfen, wie aus einer Umfrage von HotellerieSuisse hervorgeht. In den alpinen Gebieten mussten deshalb rund 39 Prozent ihre Auslastung reduzieren, etwa jeder zwanzigste Betrieb musste komplett schliessen.
«Rund 40 Prozent unserer Belegschaft waren positiv getestet oder in Quarantäne.»
Hans-Rudolf Rütti, Direktor Steigenberger Grandhotel Belvédère
Das Steigenberger Grandhotel Belvédère bekam die Ansteckungswelle nach Weihnachten zu spüren. «Rund 40 Prozent unserer Belegschaft waren positiv getestet oder in Quarantäne», sagt Hoteldirektor Hans-Rudolf Rütti. Erst wurde der Restaurationsbetrieb geschlossen, eine Woche lang dann das gesamte Hotel, weil sich auf die Schnelle kein Ersatz fand. Denn: Zu den aktuellen Corona-Ausfällen kommt der akute Fachkräftemangel hinzu. Anfang Saison konnte Rütti, wie viele seiner Kollegen, nicht alle Stellen besetzen. Dass das Grandhotel Belvédère dennoch einen 5-Sterne-Service bieten kann, verdankt es dem Umstand, Teil der deutschen Kette Steigenberger zu sein. «Über Weihnachten und Neujahr haben wir rund drei Viertel der Servicemitarbeitenden aus Deutschland von den Partnerbetrieben rekrutiert», sagt Rütti.
Allerdings beginnt in Deutschland bald der Karneval, und das Gros der «ausgeliehenen» Fachkräfte muss Ende Januar zurück. Also ausgerechnet dann, wenn die Sportferien starten. «Wir sind gut gebucht und hoffen, dass es nicht mehr zu so vielen Ausfällen gleichzeitig kommt», so Rütti.
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Mitarbeitende flexibel einsetzen
Hoffen statt planen ist seit der Pandemie die neue Realität in der Beherbergungsbranche. Angesprochen auf die Sportferien, meint deshalb auch Thomas C. Walther: «Wir lassen es auf uns zukommen, das Virus können wir eh nicht steuern.» Der Direktor des Relais & Châteaux Hotel Walther und des Hotel Steinbock in Pontresina ist bisher mit einem blauen Auge davongekommen. Ende Jahr musste er lediglich die Restaurantkapazitäten reduzieren, weil rund 30 Prozent der Angestellten an Corona erkrankt waren, «obwohl wir strenge Schutzmassnahmen haben». Nach diesem Vorfall hat Walther sein Team mit FFP2-Masken ausgerüstet, danach sind die Fallzahlen schnell gesunken. Aktuell habe man keine neuen Fälle mehr.
«Bei uns können viele Mitarbeitende vieles. Deshalb können wir sie bei Ausfällen auch an anderen Posten beschäftigen.»
Alexandre Spatz, Direktor Wellnesshotel Golfpanorama
Im Wellnesshotel Golfpanorama in der Ostschweiz hat man die Omikron-Welle bisher ohne Angebotsreduktion überstanden. Auch hier gab es zwar einige Corona-Ausfälle, sie konnten aber abgefedert werden, weil die Angestellten flexibel eingesetzt werden. «Bei uns können viele Mitarbeitende vieles. Deshalb können wir sie bei Ausfällen auch an anderen Posten beschäftigen», sagt Hoteldirektor Alexandre Spatz. Mitarbeitende der Réception kennen sich etwa mit Tellerservice aus, innerhalb der Abteilungen können Mitarbeitende sogar alle Aufgaben ausführen: «Der Chef de Bar kann bei Bedarf den Frühstücksservice übernehmen, umgekehrt kann die Frühschicht die Spätschicht im Restaurant bestreiten», so Spatz.
Hoffen auf die Sportferien
Ob Betriebe die Sportferien ohne Abstriche über die Bühne bringen, bleibt abzuwarten. Panos Perreten ist jedenfalls zuversichtlich. Derzeit sind 28 seiner 35 Angestellten geboostert oder genesen. «Sollten jene, die erst zweimal geimpft sind, erkranken, können wir das betrieblich auffangen», hofft Perreten.
«Wir sollten anfangen, zwischen «positiv» und «krank» zu unterscheiden.»
Thomas C. Walther, Hoteldirektor
Hotelierkollege Thomas C. Walther geht in seiner Prognose noch weiter: «Wenn wir das System aufrechterhalten wollen, sollten wir zwischen «positiv» und «krank» unterscheiden.» Personen ohne Symptome sollten laut Walther arbeiten dürfen. Wer krank ist, erholt sich zu Hause, wie bei einer normalen Erkältung. «Omikron ist eh ausser Kontrolle, und dieser Schritt könnte uns über die Runden helfen.»
Nachgefragt bei Nicole Brändle, Leiterin Arbeit, Bildung, Politik bei HotellerieSuisse
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Nicole Brändle, müssen Hotels wegen Personalausfällen um die Sportferien bangen?
Gemäss Prognosen sollte die Omikron-Welle spätestens Ende Januar ihren Höhepunkt erreichen, danach dürften die Ansteckungen rapide zurückgehen. Die meisten Betriebe sollten also in Bezug auf die Ausfälle einigermassen glimpflich durch die Sportferien kommen.
Wie wirken sich die Personalausfälle auf die Umsätze aus?
Saisonbetriebe, die wegen Personalmangel Teilschliessungen in Kauf nehmen oder die Auslastung reduzieren mussten, werden diese Einnahmeausfälle kaum noch aufholen. Gemäss unserer Mitgliederumfrage schätzen wir, dass die Umsatzeinbussen für Dezember und Januar im Schnitt bei über 84 000 Franken pro Betrieb liegen werden.
«Neu stellen wir fest, dass auch Hilfskräfte fehlen.»
Kommt hinzu, dass Arbeitgeber den Lohn von Angestellten in Isolation selbst berappen, weil die Krankentaggeldversicherung in der Regel erst nach 30 Tagen zum Zug kommt.
Genau. Aber Mitarbeitende, die keine Symptome haben, sind eigentlich nicht krank. Trotzdem müssen sie zu Hause bleiben, was viele Betriebe stossend finden. Symptomlose Isolation ist im Grunde eine behördliche Anordnung, die in den meisten Kantonen nicht entschädigt wird. Wir fordern vom Bund eine einheitliche Lösung. Isolation sollte über den Corona-Erwerbsersatz oder die Kurzarbeit vergütet werden.
Wo spürt man den Mitarbeitermangel am stärksten?
Wenn wir das ganze letzte Jahr betrachten, fehlen insbesondere Köche und Serviceangestellte. 5- und 4-Sterne-Hotels sind vom Fachkräftemangel am stärksten betroffen. Neu stellen wir fest, dass Corona-bedingt auch Hilfskräfte fehlen. Zum einen haben sich die Leute beruflich umorientiert, zum anderen sind viele wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Welche politischen Massnahmen würden der Branche mittelfristig helfen?
Einerseits sollten die Zulassungskriterien für Drittstaatenangehörige angepasst werden. Für unsere Branche ist es praktisch unmöglich, die Anstellung einer Person aus einem Drittstaat gemäss den engen Vorgaben zu begründen. Andererseits sollte die Politik bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ansetzen, etwa mit der Einführung der Individualbesteuerung. Damit würde der Anreiz für verheiratete Frauen steigen, nach der Babypause wieder arbeiten zu gehen.