Auf einer Magerwiese mit freiem Blick auf den Bodensee stehen zehn Holzchalets, davor je eine Seilbahngondel. Und in der Mitte des Grundstücks thront ein mit Holz beheizter Hotpot – die Wellnesszone. Bis Mitte September bietet Tobias Funke hier sein Pop-up-Hotel an. Jedes der frei stehenden, aus Holz gefertigten Häuschen ist mit einem Badezimmer mit Dusche und WC sowie mit Schlaf- und Sitzbereich ausgestattet. Ein Boxspringbett sorgt für einen wohligen Schlaf. Eine Kaffeemaschine und ein Marshall-Lautsprecher runden die Einrichtung ab. Von der Terrasse lässt sich die Sicht auf den Bodensee geniessen. Die Gondeln dienen den Gästen als Minirestaurant, wo sie auf Wunsch das per Roomservice gelieferte Fondue geniessen können. [DOSSIER]

Was nun als bis ins letzte Detail durchdachtes, komfortables Übernachtungskonzept daherkommt, kostete viel Tüftelei und viele schlaflose Nächte. Zu Beginn des Abenteuers Pop-up-Hotel gab es bei Eventorganisator Pius Angehrn ungenutzte Chalets und bei Gastronom Tobias Funke Bedarf an temporären Hotelzimmern. So taten sich die beiden kurzerhand zusammen.

Ein eigenes Grundstück war ebenfalls vorhanden
Die beiden Unternehmer verbindet eine langjährige Partnerschaft. Etwa aufgrund der alljährlichen Fonduechalets, die Funke jeweils über die Wintermonate zusätzlich zu einem Eisfeld auf dem Grundstück des Gasthauses zur Fernsicht in Heiden AR betreibt und von Angehrn anmietet. So auch im vergangenen Winter, bis ihm der Gastro-Lockdown einen Strich durch die Rechnung machte. Beim Abbau der Chalets Anfang Januar brachte Angehrn erstmals den Sommer zur Sprache: «Warum machen wir nicht ein Pop-up-Hotel mit den leer stehenden Holzchalets?»

«Es war uns beiden klar, dass wir mit diesem Projekt nicht das grosse Geld machen würden.»
Tobias Funke, Executive Küchenchef und Geschäftsführer im Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR

Denn bereits im Sommer 2018 und 2019 hatte Funke als Ergänzung zu den vier Gästezimmern im Haupthaus einige wenige edle Outdoorzimmer vor dem Gasthaus zur Fernsicht stehen und gute Erfahrungen damit gemacht. Für eine solch kostspielige Sache – zudem war damals ein Sponsor mit an Bord – war das Geld dieses Jahr nicht vorhanden. Trotzdem reizte Funke die Idee, ein Pop-up-Hotel auf die Beine zu stellen, denn der Sommer 2020 war sehr gut gelaufen. Viele Schweizer hatten die Region um Heiden entdeckt. Und auch dieses Jahr ist wieder mit einer ähnlichen Situation zu rechnen.

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Nach dem ersten Gespräch im Januar nahm die Idee rasch Gestalt an. Denn auch der Stellplatz war bereits vorhanden. Das Gasthaus zur Fernsicht besitzt ein Grundstück ganz in der Nähe. Schnell war klar, dass dort zehn Holzchalets platziert und zu Hotelzimmern umfunktioniert werden sollten. Für Angehrn war die Hotellerie Neuland. Doch mit vereinten Kräften gingen sie das Projekt an.

«Es war uns beiden klar, dass wir mit diesem Projekt nicht das grosse Geld machen würden», sagt Funke. Dementsprechend konnte der Geschäftsführer der Fernsicht für die Miete und die Ausstattung auch keine Vorauszahlung leisten. So finanzierten sie das Projekt gemeinsam, mit Unterstützung eines Drittpartners. Und nun führen sie eine offene Buchhaltung und haben einen für alle passenden Verteilschlüssel gefunden.

«In erster Linie ging es mir darum, meine Mitarbeitenden zu beschäftigen und ein innovatives Vorzeigeprojekt auf die Beine zu stellen», sagt Funke. Dementsprechend öffnete er das Gasthaus zeitgleich mit der Fertigstellung des Pop-up-Hotels. Gerne hätte er dies bereits zu Ostern getan, doch aufgrund von Lieferverzögerungen war es erst am 19. April möglich. Mit den vier Gästezimmern im Haupthaus und den zehn temporären Hotelzimmern lohnte es sich für ihn – neben der Terrassenöffnung –, den Hotelbetrieb und auch das Restaurant Incantare wieder hochzufahren. «Seither kommen wir wieder ganz ohne Kurzarbeitsentschädigung aus», sagt Funke.

Viel Sorgfalt auf Details aufgewendet
Obwohl die Hotelzimmer nur während fünf Monaten in Betrieb sind, hatte Tobias Funke seine Ansprüche bei der Ausstattung. «Ich koche im Restaurant Incantare auf Spitzenniveau. Da muss ich meinen Gästen auch bei den Hotelzimmern etwas bieten», so der Unternehmer, dessen Gourmetrestaurant mit 2 Michelin-Sternen und 17 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet ist. So kam es, dass Funke tagsüber auf der «Baustelle» hämmerte und schraubte und abends in der Küche mit der Pinzette Filigranes anrichtete – und nachts an Details herumstudierte. Wie etwa am Spiegelschrank über dem Waschbecken, der seinen ästhetischen Anforderungen nicht genügte. Oder an den ausgefeilten Details bei der Beleuchtung.

«Ich koche im Restaurant Incantare auf Spitzenniveau. Da muss ich meinen Gästen auch bei den Hotelzimmern etwas bieten.»
Tobias Funke, Executive Küchenchef und Geschäftsführer im Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR

Parallel dazu sprach er mit den Nachbarn, um sie über das geplante temporäre Projekt zu informieren. Dementsprechend gab es keine Einsprachen. Die Baubewilligung ging ebenfalls sehr schlank über die Bühne. Am 22. März eingereicht, hatten Tobias Funke und Pius Angehrn am 23. März bereits das «Go».

Erschwerend bei der Umsetzung war das nasse und schneereiche Wetter. «Wenn eine Wiese erst mal kaputt ist, erholt sie sich über Monate nicht mehr», so Angehrn. So half nur eines. Es musste ein Kran her, um die zwei Tonnen schweren Chalets auf der Wiese zu platzieren. Dank den guten Kontakten war ein solcher Kran von einem Tag auf den anderen organisiert und der Ausbau der Chalets konnte beginnen.

Bis Mitte September können die Gäste also nun in den stilvoll ausgestatteten Zimmern logieren. Das Frühstück wird als Doggy-Bag vors Häuschen serviert. Wer will, kann gegen einen Aufpreis von 20 Franken gemeinsam mit den Hotelgästen vom Haupthaus ein ausgiebiges Frühstück geniessen. «Dank dem Pop-up-Hotel herrscht bei uns nun eine richtige Hotelatmosphäre», freut sich Spitzenkoch und Neo-Hotelier Tobias Funke.

In loser Folge berichtet die htr hotel revue über Projekte, die im Sinne von #bettertogether entstanden sind.


Gasthaus mit Grundstück
Tobias Funke führt seit sieben Jahren das Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR. Dazu gehören das Gourmetrestaurant Incantare (2 Michelin-Sterne, 17 Gault-Millau-Punkte) sowie das gutbürgerliche Swiss Alpine-Restaurant. Zudem hat der Geschäftsführer und Executive Küchenchef vier Gästezimmer zu bieten. Nun sind bis Mitte September zehn Holzchalets als Hotelzimmer im Angebot. Ermöglicht durch eine Kooperation mit Pius Angehrn.
fernsicht-heiden.ch


Eventagentur mit Chalets
Pius Angehrn ist mit seiner Bilchener GmbH auf Eventorganisation und die Vermietung von Festinventar, temporären Bauten und Holzchalets spezialisiert. Aufgrund der Pandemie standen die temporären Bauten und Holzchalets ungenutzt im Lager. Mit Tobias Funke vom Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR pflegt er eine langjährige Zusammenarbeit. Mit der Aktion des Pop-up-Hotels sammelte Pius Angehrn ganz neue Erfahrungen.
bilchenergmbh.ch