Die digitale Transformation verändert Wirtschaft und Gesellschaft und führt auch für die Hotellerie zu neuen Chancen und Risiken. KI ist die Schlüsseltechnologie der Gegenwart. Gemäss dem Verband CompTIA gehört KI zu den Top 10 der Emerging Technology List. Die Wissenschaft beschäftigt sich bereits seit 1956 mit diesem Thema, was zeigt, dass es sich nicht um eine Modeerscheinung handelt.
KI ist nicht greifbar, und die Abgrenzung von KI gegenüber herkömmlicher programmierter Software ist schwierig, denn oft-mals wird eine Technologie zu Marketingzwecken fälschlicherweise als KI bezeichnet. KI kommt bereits in einigen Anwendungsfällen zum Einsatz, welchen wir im Alltag oft bewusst und wohl genauso oft unbewusst begegnen. Als Beispiel für KI im Alltag, mit der viele Menschen in Berührung kommen, können etwa die sozialen Medien genannt werden. Beispielsweise werden auf Facebook oder Linkedin personenbezogene Artikel angezeigt.
Künstliche Intelligenz bietet Chancen wie Risiken
In der herkömmlichen Infor-matik wird das Verhalten von Software gewöhnlich im Vorfeld programmiert. KI hingegen eignet sich auf Basis von Daten und Algorithmen Wissen an und entwickelt sich dank diesen Daten eigenständig weiter. Es wird eine riesige Menge relevanter Daten benötigt, damit KI das volle Potenzial entfalten kann.
KI bringt in einem ökonomischen Kontext viele Chancen, indem beispielsweise die Qualität erhöht, die Abläufe massiv beschleunigt und die Kosten gesenkt werden können. Zugleich macht KI es möglich, noch spezieller auf Kundenbedürfnisse einzugehen und massgeschneiderte Lösungen anzubieten. Das sind für die Hotellerie alles Erfolg versprechende Faktoren.
Chancen und Riskiken sind genau abzuwägen
Der Einsatz von KI ist für die Hoteliers allerdings auch mit Risiken verbunden, denn es handelt sich bei den Kundinnen und Kunden um ein angstbesetztes Thema. Sie stellen sich Fragen: Gewinnt das Kundenerlebnis wirklich, wenn die Beziehung unter Menschen weniger wird? Was passiert, wenn sich KI selbstständig weiterentwickelt und der Mensch die Kontrolle darüber verliert? Oder was gilt es bezüglich Datenschutz alles zu beachten?
Gerade aus ethischer Sicht ist davon auszugehen, dass künftig mit härteren Datenschutzregelungen gerechnet werden muss. Der Gesetzgeber erlässt heute schon eine Vielzahl von rechtlichen Regulierungen zum Datenschutz, die laufend ergänzt und erweitert werden. Was passiert, wenn die Menschen dadurch eine noch höhere Sensibilität entwickeln und sie Daten künftig gar nicht mehr zur Verfügung stellen wollen? Auch die Hotellerie muss also im Zusammenhang mit KI unter anderem die rechtliche Ausgangslage wie auch die gesellschaftliche Entwicklung bezüglich der Daten im Auge behalten.
Chancen und Risiken im Zusammenhang mit KI gilt es in der Hotellerie sorgfältig abzuwägen. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass gesellschaftsbedingt und aufgrund von ökonomischen Vorteilen die Entwicklung vorangetrieben wird.
Hotel-Roboter Connie war erst der Anfang
KI ist in der Hotellerie, so überraschend es auch klingen mag, keine Neuheit. Bereits im Februar 2016 präsentierte die amerikanische Hotelkette Hilton den Roboter Connie, der am Empfang beispielsweise eine Restaurantempfehlung gibt oder den Weg zum Konferenzraum erklärt. Bereits einige Schritte weiter mit KI geht das 2019 in Hangzhou, China, eröffnete Flyzoo Hotel, das zur Alibaba-Gruppe gehört.
Anstelle von Schlüsselkarten wird zur Aktivierung des Fahrstuhles oder auch zur Öffnung des Zimmers eine Gesichtserkennungssoftware verwendet. Das dazu benötigte Foto kann entweder vor der Anreise in einer App oder spätestens beim Check-in am Terminal hochgeladen werden. Cocktails werden an der Bar von einem Roboterarm gemixt. In den Zimmern sorgen sogenannte Smart Speaker dafür, dass das Licht, die Vorhänge oder auch der Fernseher über Sprachbefehle gesteuert werden. Auch Extras, beispielsweise ein zusätzliches Kopfkissen, können mittels Sprachbefehl bestellt werden, wobei sie dann von einem Roboter direkt ins Zimmer gefahren werden.
Die Integration von KI-Anwendung ist heute schon möglich
Gemäss Prof. Dr. Mark Cieliebak vom Zentrum für künstliche Intelligenz an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ist es bereits heute programmiertechnisch machbar, eine KI-Anwendung in die meisten Hotelbetriebssysteme zu integrieren, die einfache schriftliche, aber auch telefonische Anfragen versteht. Die Anwendung kann dann zum Beispiel die Verfügbarkeit überprüfen und dem Gast dementsprechend eine Reservierungsofferte zukommen lassen. Akzeptiert der Gast die Offerte, wird das Zimmer direkt im System erfasst. Umbuchungs- oder Stornierungsanfragen können dank KI ebenfalls selbstständig behandelt werden.
Ein weiteres mögliches Einsatzgebiet besteht beim Zimmerservice. Der Gast gibt seine Bestellung fürs Zimmer via Interface oder Telefon auf, diese wird anschliessend von der KI-Anwendung im Hotelinterface abgewickelt.
An der Réception sind Self-Check-in-Terminals schon seit einiger Zeit im Einsatz. Mittels zusätzlicher Algorithmen könnte das Gästeerlebnis jedoch noch um einiges verbessert werden, indem beispielsweise Stammgäste erkannt werden und so auf ihre Präferenz wie Zimmerlage oder Rechnungsübermittlung eingegangen wird.
Genaue Kosten-Nutzen-Analyse ist für den Erfolg unerlässlich
Mark Cieliebak schätzt für einen vernetzen Chatbot einen Programmieraufwand von rund 50 Arbeitstagen. Chatbots, die nur schriftliche Anfragen bearbeiten, benötigen tendenziell weniger Programmieraufwand als solche, die auch sprachliche Interaktion zulassen. Für beide Anwendungen sollte der Chatbot mit echten Daten (Texten oder Audio) trainiert werden. Aufwendig ist oft auch die Integration des Chatbots in die bestehenden Softwaresysteme wie das Buchungssystem oder die Website. Um Synergien zu nutzen und Anfangsinvestitionen zu sparen, rät Cieliebak, mit Systemanbietern zu klären, ob bereits an einem ähnlichen Projekt gearbeitet wird.
Auch ob die Technologie überhaupt von den Gästen akzeptiert oder geschätzt wird, sollte untersucht werden. Gerade sprachbasierte Anwendungen können beim menschlichen Gegenüber Frustrationen auslösen, beispielsweise wenn dessen Anfrage auch bei Wiederholung nicht verstanden wird.
KI kann also zur Lösung des Fachkräftemangels beitragen. Durch den gezielte Einsatz von Algorithmen und Anwendungen werden Arbeitsabläufe und Prozesse entlastet. Mitarbeitende erhalten so die Möglichkeit, sich vermehrt auf die Gäste zu fokussieren.
So lohnt sich die Investition
Hotelièren und Hoteliers sollten vor einer Investition in künstliche Intelligenz folgende Fragen klären.
1. Welche strategischen Auswirkungen hat künstliche Intelligenz auf den eigenen Hotelbetrieb, und löst eine Investition allenfalls eine Anpassung der Strategie aus?
2. Hat der eigene Hotelbetrieb die Fähigkeiten, Strukturen und die Kultur, um künstliche Intelligenz optimal anzuwenden und den gewünschten Nutzen zu erlangen?
3. Welche rechtlichen, regulatorischen und vertraglichen Rahmenbedingungen gelten, und wie kann der eigene Hotelbetrieb eine Übersicht gewinnen, dass diese eingehalten werden? Welche Rolle spielt das Thema Cybersicherheit in diesem Zusammenhang?
4. Wie könnten Auswahl, Implementierung und Betrieb einer KI-Technologie erfolgen?
5. Gibt es eine Möglichkeit für Kooperationen mit ähnlichen Betrieben, um die Anschaffungskosten niedrig zu halten und von Synergien zu profitieren?
Die Autoren Patrick Häfliger und Andreas Stoll sind Teilnehmer des Executive MBA der Hochschule Luzern – Wirtschaft.
Patrick Häfliger und Andreas Stoll