Geschlossen legten Vertreterinnen und Vertreter der SP, FDP, CVP, Grünen, GLP, BDP und EVP vor den Medien in Bern ihre Argumente gegen die Begrenzungsinitiative dar. Insgesamt sieben Rednerinnen und Redner des überparteilichen Komitees kritisierten die «Scheinargumente der SVP» für eine Begrenzung der Zuwanderung. Über die Initiative stimmen Volk und Stände am 27. September ab.
Schon des Titel des Volksbegehrens sei ein «Etikettenschwindel», sagte der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni. Mit der Initiative werde nichts begrenzt ausser der Wohlstand der Schweiz.
Keine Illusionen
Bei einer Annahme der Begrenzungsinitiative fielen nicht nur die Personenfreizügigkeit weg, sondern wegen der Guillotineklausel auch sechs weitere Abkommen, nämlich die gesamten Bilateralen I. Eine Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit innerhalb eines Jahres – wie es die Initiative fordert – sei illusionär, sagte Caroni.
Auch das von den Initianten als Alternative zu den Bilateralen «gepriesene umfassende Freihandelsabkommen" sei ein Feigenblatt. Die Verhandlungen über ein solches Abkommen würde Jahre in Anspruch nehmen, sagte Caroni. Zudem sei der Ausgang ungewiss. Gleichzeitig würde die Wirtschaft jeden Tag ohne geregelten Marktzugang viel Geld verlieren. Gerade während der Corona-Krise sei ein solches Experiment klar abzulehnen.
Angriff auf flankierende Massnahmen
«Sägen wir nicht am Ast, auf dem wir sitzen», sagte die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. Stabile Beziehungen zur EU als wichtigste Handelspartnerin seien unverzichtbar. Mehr als die Hälfte des Schweizer Aussenhandels laufe über die EU. Ohne bilaterale Verträge würden Schweizer Unternehmen den privilegierten Zugang zum mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt verlieren.
Die Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti stellte die Risiken für die Arbeitnehmenden ins Zentrum ihrer Rede. Der Lohnschutz sei gefährdet. Um unerwünschte Nebeneffekte der Personenfreizügigkeit abzufedern, seien die flankierenden Massnahmen eingeführt worden. Weitere Massnahmen zum Schutz der inländischen Arbeitskräfte, wie zum Beispiel die Stellenmeldepflicht, seien bereits in der Umsetzung.
Gefragte ausländische Arbeitskräfte
Fielen die Bilateralen I dahin, sei auch der Schweizer Bildungs- und Forschungsstandort gefährdet, warnte der Genfer GLP-Nationalrat Michel Matter. Ohne Kooperation mit der EU seien viele Projekte infrage gestellt.
Auch das Gesundheitswesen käme laut der Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller an seine Grenzen. Gerade in Spitälern sei die Schweiz auf ausländisches Personal angewiesen. Die Corona-Krise habe das wieder allen vor Augen geführt.
«Fertig lustig»
Angst vor einer Annahme der Initiative sollten auch jene Personen haben, die gerne ins Ausland verreisen oder ausländische Gäste in der Schweiz empfangen, hielt der Berner BDP-Nationalrat Lorenz Hess fest. «Austauschsemester oder Praktika von Schweizern in der EU und umgekehrt wären bei einem Ja nicht mehr so einfach möglich.» Auch für die Tourismusbranche wäre «fertig lustig», sagte Hess.
Der neue Präsident der Grünen, der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli, argumentierte mit der Chancengleichheit: Viele EU-Ausländer lebten und arbeiteten in der Schweiz und zahlten dafür auch Steuern. «Weshalb sollen sie nicht die gleichen Rechte haben wie wir?»
Glättli kritisierte zudem, dass die SVP ihre Initiative auch mit Umweltschutzargumenten verteidigt. Das sei «etwa gleich glaubwürdig, wie wenn ein Brandstifter laut nach der Feuerwehr ruft». Die SVP habe sich in der Vergangenheit mehrmals gegen Umwelt- und Klimaschutzvorlagen gestellt, jüngstes Beispiel sei das CO2-Gesetz.
SVP kämpft alleine
Die Begrenzungsinitiative stellt den bilateralen Weg zwischen der Schweiz und der EU infrage. Sie verlangt, dass das Freizügigkeitsabkommen innerhalb eines Jahres neu verhandelt wird. Bei einem Scheitern der Verhandlungen müsste die Schweiz das Abkommen kündigen. [RELATED]
Die Initianten der SVP argumentieren, dass aufgrund der ausländischen Arbeitnehmenden die Löhne unter Druck gerieten und einheimische Arbeitskräfte verdrängt würden. Alle anderen Parteien, der Bundesrat sowie Wirtschaftsverbände, Bewegungen aus der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften stellen sich der Initiative entgegen. (sda)