Frau Kern, neben dem Kochen bleibt vielen Chefs kaum Zeit, sich von neuen Gemüsesorten und -variationen inspirieren zu lassen.
Natürlich kann man nichts entdecken, wenn man nicht rausgeht und sich Zeit nimmt. Aber das kann ja auch privat, auf einem Spaziergang oder bei einem Marktbesuch passieren. Oder man holt sich eine Expertin ins Haus, die aufzeigt, welche neuen Gemüse es gibt und was man damit kochen kann. Ich rate allerdings, dass man sich nicht in erster Linie an Trends orientiert, sondern an den Produzentinnen und Produzenten der Region. Da baut einer Erdnüsse an. Dort ein anderer Oxalis. Im Süden gibt es mittlerweile sogar Schweizer Oliven. Dank solcher Spezialitäten aus der Region kann man Gästen eine einmalige Gemüseküche bieten, die es nur da gibt.

Welche Gemüsetrends gelten momentan?
Vielleicht vorab: Fast wichtiger als die Gemüsesorte ist in der heutigen Zeit der Anbau. Der Trend geht ganz klar hin zu regenerativer Landwirtschaft.

Welches Gemüse darf dieses Jahr in der Restaurantküche auf keinen Fall fehlen?
Aus meiner Sicht gibt es 2023 das eine Gemüse nicht. Aber es gibt verschiedene Anwärterinnen auf den Titel Trendgemüse des Jahres: Beispielsweise sehe ich für Rande, Gurke und Mais kulinarisches Potenzial. Bei der Rande bin ich vielleicht etwas voreingenommen, weil ich ja gemeinsam mit Koch Jann M. Hoffmann daran bin, mit dem Projekt «Veg-Alp» aus der Rande eine neuartige Delikatesse zu entwickeln.

Warum glauben Sie, dass Gurken diesen Sommer angesagt sind?
Grundsätzlich glaube ich, dass auch Gurken viel mehr können, als in Scheiben geschnitten im Salatteller zu landen. Ich mag Kaltschalen oder Gurken gekocht. Und auf Instagram sind Gurken in Form von Gurkensushi oder asiatischem Salat mit Sesam extrem im Trend.

Sie haben auch den Mais erwähnt. Warum glauben Sie an dessen kulinarisches Potenzial?
Ich treffe Mais immer öfter in frischer Form im Regal an. In Ländern, in denen Maisanbau Tradition hat, kennt man unzählige Rezepte für das Kochen mit frischem Mais. Hier lade ich ein, sich von weltweiten Traditionen inspirieren zu lassen.

Gurken können viel mehr, als im Salatteller zu landen.

Bei der nachhaltigen Küche sollte das Gemüse direkt vom Garten in die Hotelküche gelangen. Aber dann muss man es erst putzen und rüsten. Verträgt sich dieser Aufwand mit dem Arbeitskräftemangel in der Schweiz?
Frisches Gemüse verursacht mehr Aufwand. Entsprechend müssen Geschäftsleitungen das auch strategisch unterstützen und ein entsprechendes Budget sprechen. Manchmal ist es einfach wichtig, sich auf den Weg zu begeben. Die Bemühungen werden früher oder später Früchte tragen. Wenn ein Restaurantbetrieb kulinarisch ein spannendes Angebot hat, wird er auch eher gutes Personal finden, weil dieses einen interessanten Job möchte. Ich glaube, dass sich eine gute, innovative Gemüseküche in vielerlei Hinsicht lohnt.

Die Rande – einmalig in Farbe und Geschmack

Laut Gemüse-Scout Esther Kern treffen wir die Rande diesen Sommer öfter an. «Leider denken viele, die Rande habe ausser auf dem Salatbuffet kulinarisch keine Berechtigung. Aber sie ist ein tolles Gemüse und wird mittlerweile als heimisches Superfood gepriesen, weil sie etwa einen hohen Anteil an Eisen, Vitamin B oder Folsäure hat.» Kern empfiehlt, der Rande auch mit anderen Garmethoden als dem Dämpfen eine Chance zu geben. «Zur Delikatesse wird sie, indem man sie beispielsweise ganz oder in Scheiben geschnitten im Ofen gart und dazu Ziegenfrischkäse oder vegane Salsa romesco serviert», sagt sie. Wenigen ist bekannt, dass die Rande mit dem Krautstiel verwandt ist. Die Blätter und die Stängel können gekocht werden. Esther Kern: «Da es auch eine Verwandtschaft zum Rhabarber gibt, lassen sich die Stängel auch prima süss verarbeiten.»

estherkern.ch