«Die Situation ist sehr ernst», sagte SBB-CEO Vincent Ducrot am Donnerstag vor den Medien in Bern, der kurz nach Beginn des Lockdowns sein Amt angetreten hat. Nach einem guten Start ins neue Jahr habe das Coronavirus für einen starken Passagierrückgang gesorgt.
So büssten die SBB im zweiten Quartal rund die Hälfte ihrer Personenverkehrserträge gegenüber dem Vorjahr ein. Der Verlust 419 beträgt Millionen Franken (Vorjahr: plus 124 Millionen Franken), wobei insbesondere der Fernverkehr mit einem Minus von 261 Millionen Franken gegenüber einem Plus von 81 Millionen Franken im Vorjahr betroffen war.
Ab März seien täglich durchschnittlich 810'000 Passagiere befördert worden - mehr als ein Drittel weniger als im Vorjahr (1,29 Millionen). Die Personenkilometer seien um rund 38 Prozent gesunken. Momentan liege die Auslastung im Fernverkehr bei etwas über 70 Prozent, im Regionalverkehr bei 80 Prozent, sagte Ducrot.
Eine zweite Covid-19 Welle, die Entwicklung bei Grossveranstaltungen und im Homeoffice würden sich auf Frequenzen auswirken. Zufrieden ist Ducrot mit der Disziplin der Zugpassagiere, die Maskentragquote sei hoch. Er betonte zudem die Hygienemassnahmen – die SBB würden «massiv mehr reinigen».
Verschuldung ist gestiegen
Die Erträge sind in allen Divisionen stark eingebrochen, gleichzeitig liessen sich die Kosten wegen des weiter geführten Grundangebots während des Lockdowns nur leicht dämpfen. In die Tasche griffen die SBB auch mit Kulanzmassnahmen . Sie bezahlten ihren Abo-Kundinnen und Kunden zusammen mit der gesamten Branche 100 Millionen Franken Entschädigung für das vorübergehend reduzierte Bahnangebot.
Die Verschuldung der SBB liegt nun mit 13,4 Prozent deutlich über der vom Bund geforderten Höchstgrenze von 6,5 Prozent, hiess es weiter. Zur Deckung der Liquiditätsengpässe hat der Bund die kurzfristige Kreditlimite um 550 Millionen Franken erhöht.
Am Donnerstag hiess zudem der Nationalrat als Zweitrat ein Hilfspaket von 900 Millionen Franken für den öffentlichen Verkehr gut. Dabei sprach auch er sich für die vom Ständerat vorgenommene Aufstockung des bundesrätlichen Vorschlags um 200 Millionen Franken aus.
Die Bahninfrastruktur wird mit rund 330 Millionen Franken berücksichtigt, der regionale Personenverkehr mit rund 290 Millionen und der Bahn-Güterverkehr mit etwa 70 Millionen Franken. Im Fernverkehr tragen die SBB die Defizite selber, dies seien im ersten Halbjahr 261 Millionen Franken gewesen, sagte Ducrot.
Sparmassnahmen
Mit Sparmassnahmen wollen die SBB rund 250 Millionen Franken Kosten reduzieren, unter anderem mit einem Einstellungsstopp für Verwaltungsbereiche, im Bereich IT und Innovation aber auch Werbung, wie Ducrot sagte. Der operative Bahnbetrieb werde nicht davon tangiert.
Fehler in der Planung führten auch zum Lokführermangel, der bereits mehrfach ein Thema war. Für dessen Auswirkungen entschuldigte sich Ducrot, doch zaubern könne man nicht. Vor allem der Raum Genf und Aarau/Olten seien davon betroffen. Eine erste Verbesserung soll mit dem Fahrplanwechsel im Dezember eintreten.
Kunden zufrieden
Laut Ducrot litt die Kundenzufriedenheit nicht unter der Corona-Krise, sie stieg im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Punkte auf 76,6 Prozent. Die Pünktlichkeit liegt neu bei 93,6 Prozent (Vorjahr 91,6 Prozent).
Bei den Generalabonnementen (GA) gab es wegen der Corona-Auswirkungen einen Rückgang von 7 Prozent, total nutzen 459'000 Menschen ein GA (Vorjahr: 493'000), hiess es weiter. Erfreulich sei, dass mehr Reisende mit einem Halbtaxabonnement unterwegs seien, insgesamt 2,72 Millionen (Vorjahr: 2,64 Millionen).
Die SBB rechnen im zweiten Halbjahr mit einer Steigerung der Nachfrage. Man erwarte wegen Corona mittelfristig jedoch weitere Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten. (sda)