Ein neues Jahr – eine neue Chance. Die Chance, es noch besser oder anders zu machen. Um sich von der Masse abzuheben, um in Erinnerung zu bleiben, um die nötige Aufmerksamkeit zu erhalten. Auch im neuen Jahr werden die Herausforderungen für die Beherbergungsbranche und den Tourismus zahlreich sein. Langweilig wird es einem in diesem Business kaum.
Ob Fachkräftemangel, Pandemie, Energiemangellage oder Krieg in der Ukraine – immer wieder stehen Hotelièren, Gastronomen und Touristiker im Zentrum politischer Entscheide, immer wieder schaffen sie es, sich dank eines gut funktionierenden Netzwerks und der Lobbyarbeit der jeweiligen Verbände Gehör zu verschaffen; ihre Sorgen und Anliegen werden wahrgenommen. Die Branche ist besser durch die vergangenen drei Jahre gekommen als befürchtet.
Immer wichtiger wird jedoch, sich auch gegen innen zu orientieren, im Betrieb selbst den Sorgen und Bedürfnissen Raum zu geben, zuzuhören, Vertrauen aufzubauen. Manuel Wiesner, Co-Chef der Wiesner-Gastrogruppe mit 34 Restaurants quer durch die Schweiz, hat sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschieden: Im nächsten Jahr gibt es kein Jahresbudget mehr. Warum? Wiesner hält starre Budgetplanung in dieser volatilen Welt für nicht mehr zeitgemäss und erhofft sich so mehr Zeit für das Wesentliche: die Restaurants und vor allem die Mitarbeitenden. Besonders bei den Angestellten lohnen sich Investitionen, die oft nicht einmal mit grossen Kosten verbunden sind, sei es in die Weiterbildung, in die Wertschätzung oder in das Vertrauen.
Weitermachen wie bisher geht nicht. Es braucht deutliche Veränderungen.
In der Branche gibt es zahlreiche Vorbilder, die einen Weg aufzeigen, wie Mitarbeitende heutzutage behandelt werden sollten. Die Zeiten, als eine laute Stimme zum guten Ton gehörte, sind definitiv vorbei. Der raue Ton ist ein Auslaufmodell. So weiss auch Markus Conzelmann, General Manager im Radisson Blu Hotel in Luzern, die Qualitäten seiner Mitarbeitenden zu schätzen – und zeigt das auch. Er lud seine Führungscrew auf eine Reise nach Israel ein. Er wollte mit dieser grosszügigen Geste Danke sagen für die tolle Arbeit, für das Durchhalten während der Coronazeit und gleichzeitig für die neue Levante-Küche des Hauses inspirieren. Gemeinsame Erlebnisse schaffen Identifikation, Motivation und sind der Treibstoff für die Extrameile, die es in dieser Branche immer wieder braucht; Chefs sind eher bereit, diesen Sondereffort zu leisten, und erwarten das auch immer wieder von ihren Angestellten.
Es braucht nicht zwingend so grosse Gesten, denn auch bescheidenere Anerkennungen für das Geleistete leben eine Kultur vor, die Gastgeber auch von ihren Mitarbeitenden erwarten dürfen. Dieser wertschätzende Umgang zahlt sich in jedem Fall aus, nicht nur intern. Der Gast fühlt sich zu Hause und berappt dieses Gefühl des Willkommenseins grosszügig; er dankt es im besten Fall mit einer weiteren Buchung.
Empathische Mitarbeitende, die äusserst professionell und dem Gast zugewandt arbeiten, sind der Luxus von morgen. Je mehr die Digitalisierung voranschreitet, desto kostbarer wird die persönliche Dienstleistung. Ein weiterer Effort ist im Bereich Mitarbeitervorteile möglich. Der 30-jährige Hoteldirektor des Grand Hotel National in Luzern, Gabriel Stucki, joggt einmal pro Woche gemeinsam mit interessierten Mitarbeitenden zum Lido und zurück, auf Arbeitszeit. Und ein «Gaming Room» soll für Abwechslung sorgen. Dass er kein Häuptling sei, der sagt, was gilt, habe sich herumgesprochen. Stucki konnte all seine 84 Stellen besetzen.
Handeln müssen die Betriebe auf jeden Fall, denn weitermachen wie bisher funktioniert nicht. Es braucht deutliche Veränderungen. Die Betriebe müssen die Wünsche ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen. Qualifizierte Fachkräfte können die Anstellungsbedingungen quasi diktieren. Gewünscht ist etwa eine gute Work-Life-Balance, die eine Vereinbarung von Beruf und Familie ermöglicht.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wiederum dürfen die Vorzüge vieler Berufe in der Branche ruhig herausstreichen. Dazu gehören Entwicklungsmöglichkeiten, Kreativität, Selbstverwirklichung und die Arbeit mit tollen Teamkolleginnen und -kollegen, welche zum Beispiel die nicht immer einfachen Arbeitszeiten mit einem teilen. Gerade für junge Leute, deren Freundinnen und Freunde sich abends im Ausgang treffen, sind die Kollegen eine wichtige Community, eine Bubble, die wie ein Zuhause sein kann. Sie trägt dazu bei, grossartige Talente zu halten. Talente, welche die Gäste wertschätzen, werden auch von den Gästen wertgeschätzt, was letztlich den Glanz und das Renommee der Berufsbilder insgesamt erhöht.
Immer wichtiger wird, im Betrieb selbst Vertrauen aufzubauen.
Die Welt ist nicht so widrig, wie es seit drei Jahren den Anschein macht. Die Gäste aus aller Welt reisen wieder, die Schweizerinnen und Schweizer mögen ihr Land, erkunden es gern. Die Zahlen stei-gen, ob KOF, Seco oder Reisepro-gnosen der ITB – überall tönt es positiv. Sogar die Energiepreise dürften sich wieder einpendeln.
Vertreterinnen und Vertreter der Branche haben bewiesen: Sie lassen sich nicht so leicht unterkriegen. So wird es auch bleiben.