Beim Kaffee handle es sich um ein lebenswichtiges Gut, bei dem die Versorgungssicherheit keineswegs gewährleistet sei, argumentiert die Schweizer Kaffeebranche.
Mit Pflichtlagern soll die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in Zeiten von schwerem Mangel sichergestellt werden. Neben Energieprodukten und Heilmitteln gehören dazu unter anderem Getreide, Zucker, Reis und – noch – Kaffee.
Zurzeit halten 15 Unternehmen 15'300 Tonnen Rohkaffee in Säcken an Lager. Nach Angaben des Bundesrates deckt dies den Kaffeebedarf der Schweiz für drei Monate.
Die Betriebsvorräte von Handelsfirmen, Röstereien und vom Grosshandel von gut 16'800 Tonnen Ende 2017 stellen ebenfalls den Bedarf von rund drei Monaten sicher. Damit garantieren die Lager den Kaffeebedarf der Schweizer Bevölkerung während rund eines halben Jahres.
Kein Energiewert
Im April nun stellte der Bundesrat die Kaffeelagerung in seiner Revision der Verordnung über die Pflichtlagerhaltung von Nahrungs- und Futtermitteln plötzlich in Frage. Denn die Bohnen seien kein lebenswichtiges Gut und das Risiko einer Unterversorgung gering.
Kaffee enthalte praktisch keine Energie und könne deshalb aus ernährungsphysiologischer Sicht keinen Beitrag zur Nahrungsenergieversorgung leisten. Ausserdem würden Kaffeebohnen auf drei Kontinenten angebaut und das ganze Jahr über geerntet.
Gäbe es Ernteausfälle in einer Region, könnten diese mit Lieferungen aus anderen Regionen kompensiert werden.
Die Regierung stützte sich in ihrer Analyse auch auf eine Umfrage bei 15 Unternehmen, die heute Kaffee-Pflichtlager halten. Dabei hätten sechs von ihnen angegeben, die Lager behalten zu wollen, wenn sie dafür entschädigt werden. Freiwillige und nicht entschädigte Lager wollte kein Betrieb halten.
Umfrageresultate bestritten
Erstaunt über diese Resultate entschied der Branchenverband IG Kaffee Schweiz, die Umfrage zu wiederholen, wie er auf seiner Webseite schreibt.
Damit beauftragt wurde die Genossenschaft Réservesuisse, also die Organisation, welche die Interessen der Pflichtlagerhalter vertritt. Dabei sprachen sich alle Unternehmen für die Beibehaltung der Pflichtlager aus.
Aber auch die konkreten Gründe des Bundesrates für die Abschaffung bestreitet Réservesuisse in ihrer Antwort zur Vernehmlassung, die am Freitag endete. So sei die Versorgungssicherheit keineswegs
gewährleistet: Denn bei Kaffee bestehe eine 100-prozentige Abhängigkeit vom Ausland.
Der globale Vorrat in den Ursprungsländern nehme stetig ab und Umweltschäden, Trockenheit, Schädlingsbefall, Naturkatastrophen oder IT-Sabotage durch Hacker könnten die Lieferketten jederzeit unterbrechen. Zum Beispiel habe nur schon das Niedrigwasser auf dem Rhein im letzten Jahr Unterbrüche der Transportwege in Europa verursacht.
Ausserdem sei die Schweiz das Zentrum des weltweiten Handels mit Kaffee: 70 bis 75 Prozent des Rohkaffee-Handels werde über die Schweiz abgewickelt, die jährlich exportierten Kaffeeprodukte hätten einen Wert von 2,2 Milliarden Franken und entsprächen einem Prozent des Bruttoinlandproduktes.
Ein längerer Unterbruch der Versorgung könnte deshalb «innert kurzer Zeit verheerende Auswirkungen auf die gesamte Kaffeebranche» haben. Die Pflichtlager könnten solche Engpässe ausgleichen. Und die Konsumenten in der Schweiz bezahlten dafür lediglich 30 Rappen pro Jahr.
8,5 Kilo pro Person pro Jahr
Dazu komme die Bedeutung von Kaffee «als Motivator und Leistungsförderer in Beruf und Alltag», schreibt IG Kaffee. Gerade in Stresssituationen – wie es in einer Mangellage der Fall wäre – dürften sich diese Wirkungen noch verstärken, hiess es.
Mit einem Jahreskonsum von 8,5 Kilogramm pro Person gehörten Schweizerinnen und Schweizer zu den grössten Kaffeetrinkern der Welt. Damit spiele Kaffee in der «täglichen Nahrungsmittelaufnahme der Bevölkerung» eine wichtige Rolle und sei durchaus zu den lebenswichtiges Gütern zu zählen.
Aus diesen Gründen fordert Réservesuisse den Bundesrat auf, auf die Aufhebung der Pflichtlagerung von Kaffee zu verzichten. Ein definitiver Entscheid wird im Herbst erwartet. (sda)