«Was passiert eigentlich mit all diesen Seifen?» Das fragte sich Dorothée Schiesser vor rund sechs Jahren bei einem Hotelaufenthalt. Aus der Frage entstand damals eine Projektidee. Und bei diesem Projekt lag der Fokus ganz auf dem sozialen Gedanken. Die Gründerin von Sapocycle, die damals im Kunstbereich tätig war, wollte etwas Sinnstiftendes tun und gründete 2015 eine Non-Profit-Organisation, um angebrauchten Hotelseifen zu einem zweiten Leben zu verhelfen. Die Initiative zog über die Landesgrenze hinaus ihre Kreise und stiess auch bei der Hotelgruppe Accor auf Interesse. So gründete Dorothée Schiesser 2017 bereits einen Ableger in Frankreich.

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Hotels schätzen die nachhaltige Dienstleistung
Bei den 4- bis 5-Sterne-Hotels – feste Seifen werden mittlerweile fast nur noch in der Luxushotellerie eingesetzt – stiess ihre Idee von Anfang an auf Anklang. So ist etwa das «Fairmont Le Montreux Palace» seit den Anfängen im September 2015 dabei. «Es erfüllt unser Team im Housekeeping mit Stolz, dass wir bei dieser Aktion mitmachen und dazu beitragen können, dass Menschen in Not zu Seife kommen», sagt Sandra Corviello, Executive Housekeeper.

Auch das Luxushotel Baur au Lac in Zürich ist schon lange dabei. «Wir begrüssen es sehr, dass wir die Seifen nicht mehr wegwerfen müssen und gleichzeitig etwas Gutes tun können», sagt General Manager Wilhelm Luxem. Das Seifenrecycling sei vom Team sehr gut aufgenommen worden. Er schätzt das Containersystem, das Sapocycle seinen Premium Members zur Verfügung stellt: «Die Abläufe sind dank der Unterstützung von Planzer sehr gut eingespielt. Das Unternehmen sponsert den Transport der Seifencontainer von den Hotels zur Werkstatt.»

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Die recycelten Seifen verteilt Sapocycle an Hilfswerke und Institutionen. «Wir achten darauf, dass wir 50 Prozent der Seifen in der Schweiz und in Frankreich verteilen und den Rest im Ausland», erläutert Dorothée Schiesser das Vorgehen. So etwa an die Schweizer Tafel und an Tischlein deck dich, an das Schweizerische Rote Kreuz in Bulgarien und Armenien und an den Verein «Basel hilft mit», welcher die Seifen in Flüchtlingslagern in Griechenland verteilt, sowie an die Stiftung Madagascare. Eric Voyame von der Stiftung Madagascare wurde bereits im 2015 auf Sapocycle aufmerksam und kontaktierte Dorothée Schiesser. Doch die recycelten Seifen sind bei Hilfswerken sehr begehrt, sodass sich Eric Voyame lange gedulden musste, bis er eine erste Lieferung an gespendeten Seifen erhielt. [IMG 3]

Jeder Arbeitsschritt verlangte viel Entwicklungsarbeit
Produziert werden die Seifen in zwei Recyclingwerkstätten, eine in der Schweiz und eine in Frankreich. Die Pionierarbeit im Recyclingprozess hat die Werkstatt in der Schweiz – das Wohnwerk Basel – geleistet. Ganz von Anfang an dabei ist Kunstagogin und Teamleiterin Pia Tanner. «Als wir 2015 die Zusammenarbeit mit Dorothée Schiesser starteten, wussten wir nichts über das Recycling von Seifen. Gemeinsam haben wir erste mögliche Prozesse skizziert», erzählt Tanner. Unterstützung erhielten sie auch durch die Fachhochschule Nordwestschweiz. Zwei Studierende befassten sich in ihrer Bachelorarbeit mit den chemischen Prozessen bei den Rohstoffen. Denn Seife ist nicht gleich Seife. Insgesamt sind es 55 Seifensorten, die von den verschiedenen Hotels angeliefert werden. Jede Sorte hat ihr ganz eigenes Rezept in der Verarbeitung.

Der Käsehobel – das perfekte Werkzeug
Daneben tüftelten sie an den richtigen Geräten, um die Arbeitsschritte – vom Reinigen über das Zermahlen und Granulieren bis hin zum Pressen der neuen Seifen – möglichst sicher zu gestalten. Für die Reinigung der Seifen stellte sich ein Käsehobel als das perfekte Werkzeug heraus. «Wenn wir Führungen machen, schmunzeln die Besucherinnen und Besucher immer über den Hobel, aber das Gerät hat sich bewährt», so die Teamleiterin.

Pia Tanner betreut für Sapocycle abwechselnd zwei Teams à sechs Menschen mit Beeinträchtigung. «Die Teams können einen Arbeitsprozess vom Anfang bis zum Schluss durchlaufen. Zudem ist es problemlos, wenn ein Fehler passiert. Die Seife geht dann einfach wieder zurück in die Grundmasse», so Tanner. Was die Menschen mit Beeinträchtigung laut der Kunstagogin auch sehr schätzen, ist, dass sie etwas Gutes für Menschen tun. «Diese Arbeit steigert ihr Selbstbewusstsein.»

Wird vielleicht bald auch Flüssigseife recycelt?
2019 war für Sapocycle ein sehr gutes Jahr. Rund vier Tonnen Seife konnten die beiden Recyclingwerkstätten weiterverarbeiten. Im 2020 brach die Menge um 50 Prozent ein. «Zum Glück hatten wir noch einiges an Seife an Lager. Denn die Nachfrage von Institutionen war gerade am Anfang der Pandemie riesig», erzählt Schiesser. Nun hofft die Gründerin der Non-Profit-Organisation, dass nach der Corona-Krise die Menge der Recyclingseifen wieder ansteigen wird.

Neben dem Tagesgeschäft beschäftigt sich Dorothée Schiesser aktuell mit dem Recyclingpotenzial von Flüssigseife, die vom hygienischen Standpunkt her viel heikler ist als die keimfreie feste Seife. Johnson & Johnson unterstützte sie dabei, eine mögliche Liefer- und Recyclingkette zu skizzieren. Und das Pharmaunternehmen Permamed finanziert eine Machbarkeitsstudie für das Recycling. «Vielleicht können wir nächstes Jahr bereits mit dem Sammeln beginnen.»

In loser Folge berichtet die htr hotel revue über Projekte, die im Sinne von #bettertogether entstanden sind. [DOSSIER]


Das Projekt
Die Non-Profit-Organisation Sapocycle sammelt sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich gebrauchte Hotelseifen. Recycelt werden die gebrauchten Seifen in zwei Institutionen, die Menschen mit Beeinträchtigung eine Beschäftigung bieten. Vertriebspartner von Sapocycle liefern die Recyclingseifen an bedürftige Menschen in der Schweiz, in Frankreich und in Entwicklungsländern wie beispielsweise Madagaskar. Die Nachfrage nach den Seifen ist durch Corona noch gestiegen, der Nachschub an Seifen zurzeit jedoch stark reduziert.
sapocycle.org

Bernadette Bissig