Das Kurhaus Lenzerheide führt eine einzigartige Arbeitsstruktur ohne Hierarchien ein. Titel gibt es keine mehr. Die Verantwortung wird unter den Mitarbeitenden aufgeteilt. Diese dürfen freiwillig bestimmte Rollen übernehmen. Das «New Work»-Konzept soll für weniger Stress, effizientes Arbeiten und gute Laune im Team sorgen.
Das Konzept sei einzigartig in der Hotellerie in der Schweiz. «Wir haben gemerkt, dass unser Hotelsystem nicht funktioniert, wenn alle Verantwortung immer nur auf einer Person lastet. Deshalb haben wir etwas geändert. Bei uns sind alle Serviceangestellten, alle Köche und alle Barkeeper untereinander gleichgestellt. Die Verantwortung wird auf alle Mitarbeitenden aufgeteilt», erklärt Johannes Fredheim, Mitglied des Managements im Kurhaus Lenzerheide.
Entwicklung trotz fehlenden Titeln
Durch das Verteilen der Verantwortung auf mehrere Schultern soll der Druck für die einzelnen Mitarbeitenden abnehmen. Das neue System erlaube den Mitarbeitenden auch, ihre Stärken im Team auszuleben. Die Mitarbeitenden würden die Aufgaben übernehmen, die ihnen besonders gut liegen. Damit alles gelingt, gibt es eine Checkliste.«Funktionieren gewisse Abläufe nicht, können wir das an unseren wöchentlichen Meetings besprechen und nach Lösungen suchen», so Fredheim.
Das Abflachen der Hierarchien sei keineswegs eine Bestrafung für ausgebildetes Personal oder langjährige Mitarbeitenden. «Die Angestellten, die Führungsfunktionen hatten, verlernen ja nichts durch den fehlenden Titel. Sie haben weiterhin viel Erfahrung und sind Ansprechpersonen für die anderen Mitarbeitenden», erklärt Fredheim. Gelerntes Personal hat auch weiterhin einen höheren Lohn als ungelerntes, versichert die Hotelleitung.
Die Mitarbeitenden können zwar nicht mehr im klassischen Sinne aufsteigen, dennoch sei das Entwicklungspotenzial im Kurhaus Lenzerheide gross. «Unsere Mitarbeitenden können sich intern weiterentwickeln, sie können sich in Themengebiete vertiefen, für die sie sich interessieren und sich so weiterbilden. Ich habe vor über zehn Jahren mal als Spüler im Kurhaus angefangen», so Fredheim.
Neue Rollenverteilung im Kurhaus
Das Kurhaus erfand sogenannte «Rollen» für ihre insgesamt 43 Mitarbeitenden. «Die Rollen sind im weitesten Sinne Verantwortungsbereiche, die jemand komplett übernimmt. Das sind Tasks, die man nicht jeden Tag erledigen muss und die auch nichts mit dem eigentlichen Job zu tun haben müssen.»
So kümmert sich Servicemitarbeiter Nick um das Erstellen der Playlists fürs ganze Hotel. Hotel-Managerin Xenia Picco kümmert sich um die Pflanzen und Barkeeper Anton arbeitet in der hoteleigenen Holzwerkstatt. «Die Mitarbeitenden können diese Aufgaben während ihrer Schicht erledigen, wenn nicht so viel los ist. Jede und jeder darf frei wählen, welche Rollen er oder sie möchte. Und wir respektieren auch, wenn das jemand nicht will», sagt Fredheim, der zusätzlich zu seinen Manager-Funktionen auch die Rolle des Hausfotografen innehat.
Softskills zählen im Kurhaus Lenzerheide
Die Führungsart des Kurhaus habe auch einen positiven Einfluss auf den Personalmangel. «Wir haben aufgehört ausschliesslich nach geschultem Personal zu suchen, sondern stellen auch Menschen ohne Erfahrung in der Hotellerie oder im Gastgewerbe ein», sagt Fredheim. Auch Sprachkenntnisse werden nicht zwingend vorausgesetzt. «Wir schätzen Softskills gleich hoch wie Hardskills. Das zieht automatisch Menschen an, die unser Konzept und unser System cool finden. Und wir haben im Haus die Kompetenzen, den Ungelernten alles beizubringen.»
Auf jede ausgeschriebene Stelle bekommt das Kurhaus nun wesentlich mehr Bewerbungen. «Aber das Beste ist eigentlich, dass wir gar nicht mehr so viele Stellen ausschreiben müssen. Weil unser Personal bleibt oder auf die neue Saison wiederbekommt.» (mm)
Neues Arbeitsmodell
Kurhaus Lenzerheide fördert Teamarbeit ohne Hierarchien
Das Kurhaus Lenzerheide schafft die Hierarchien in seinem Betrieb ab und setzt auf Teamwork sowie Eigenständigkeit. Das «New Work»-Konzept verspreche weniger Stress und bessere Zufriedenheit unter den Mitarbeitenden sowie mehr Bewerbungen.
Bild: Olivia Pulver