Andreas Züllig, wir führen dieses Gespräch Anfang dieser Woche. Wie ergeht es Ihnen persönlich in der Krisensituation?
Es ist eine unglaublich schwierige Zeit. Wir hatten schon verschiedene Herausforderungen wie Sars, Bankenkrise und die Aufhebung des Eurokurses. Aber mit solchen unmittelbaren und flächendeckenden Auswirkung auf den Tourismus hat niemand Erfahrung. Neben dem Verband bin ich auch im eigenen Betrieb stark gefordert. Ich kann aber gut mit der zusätzlichen Belastung umgehen. Zentral ist, dass trotz allen wirtschaftlichen Herausforderungen die Gesundheit unserer Mitmenschen respektiert und die damit verbundenen Richtlinien des Bundes eingehalten werden. So können wir alle zu einer Besserung der Lage beitragen.
Welche Konsequenzen hat die Epidemie für Ihren Betrieb?
Wir haben versucht, unseren Betrieb trotz schwieriger Rahmenbedingungen noch so lange wie möglich mit dem gewohnten Qualitätsstandard aufrechtzuerhalten. Das waren wir unseren Gästen, aber auch unseren Mitarbeitenden gegenüber schuldig. Fakt ist jedoch, dass wir aktuell nur noch wenige Gäste im Betrieb haben, was natürlich für Mitte März katastrophal ist.
Der Bundesrat hat am Montag den nationalen Notstand ausgerufen, Hotels können jedoch offen bleiben. Was bedeutet dieser Entscheid für die Branche?
Der Bundesrat und die Kantone versuchen, die Hotels als Back-up für Militärpersonal, Pflegepersonal oder leichte Fälle aus den Spitälern freizuhalten. Wir könnten im Notfall gewisse Aufgaben wie Schlafen, Reinigung und Verpflegung für den Bund und die Kantone übernehmen. Hier gilt es als Branche eine gewisse Solidarität in dieser schwierigen Zeit zu zeigen. Trotzdem ist der Beschluss des Bundes für die Branche problematisch. Durch die Nichtschliessung drohen Diskussionen punkto Versicherungsschutz und Kurzarbeitsentschädigung. Denn wie erwähnt, die meisten Betriebe sind momentan komplett leer und brauchen finanzielle Unterstützung.
Was beschäftigt und bedrückt die Hoteliers am meisten?
Die Nachfrage ist in sämtlichen Gebieten, sei es Stadt, Land oder Ferienregion, quasi über Nacht komplett eingebrochen. Reservationen kommen keine mehr rein. 50 Prozent unserer Mitglieder rechnen mit Liquiditätsengpässen per Ende April. Entscheidend für die Hoteliers ist somit, dass die gesprochenen finanziellen Mittel des Bundes auch rasch im Betrieb ankommen und aufgrund der neusten Entwicklungen erweitert werden. Zudem braucht es dringend weiteren Support der Kantone und Banken.
Die aktuelle Krise trifft die städtischen Betriebe noch stärker als die Ferienhotellerie, die dem Ende der Wintersaison entgegensah. Teilen Sie diese Ansicht?
Bis zum Entscheid des Bundesrates, Skigebiete und Wellnessanlagen zu schliessen, habe ich diese Einschätzung geteilt. Bis Ende Februar hatten wir eine hervorragende Wintersaison. Nach dem Entscheid des Bundesrates wurde uns die Grundlage für den restlichen Verlauf der Wintersaison entzogen. Ohne Ski- und Wellnessangebot gibt es nur noch wenige Gründe, im Winter in die Berge zu kommen. Das hat uns gezwungen, die Hotels viel früher als geplant zu schliessen. Massiv ist der Einschnitt auch im Tessin, wenn Hotels über Ostern, Auffahrt und Pfingsten leer bleiben.
Sie haben sich am runden Tisch von Bundesrat Guy Parmelin für die Anliegen der Branche eingesetzt. Erste Massnahmen zur Soforthilfe hat der Bundesrat getroffen. Sind Sie zufrieden?
In einem ersten Schritt als Notfallmassnahme und Soforthilfe wurden unsere Forderungen mehrheitlich aufgenommen. Dies beinhaltet die administrative Vereinfachung bei der Kurzarbeit inklusive Verkürzung der Karenzfrist sowie die Bereitstellung finanzieller Mittel für Kredite und Bürgschaften. Klar ist, dass nun weitere Massnahmen folgen müssen.
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Wo muss der Bundesrat nachlegen?
Der partielle «lock down» hat weitreichende Konsequenzen. Daher muss der Bundesrat die Kurzarbeitsregelungen weiter anpassen, und diese gerade auch Selbstständigerwerbenden zugänglich machen. Zudem sind die Entschädigungen rasch auszuzahlen. Weiter muss ein sofortiger Härtefallfonds eingeführt werden und Zahlungsaufschübe bei Bundesabgaben gewährleistet werden. Zudem muss der Förderperimeter der SGH ausgeweitet werden, sodass dieser auch städtische Betriebe beinhaltet. Nur durch diese Massnahmen können wir genügend Liquidität in der Branche sichern.
Die Branche hat bislang Geschlossenheit demonstriert. Wie werden die Forderungen denn nun koordiniert?
Die Zusammenarbeit der Tourismusverbände ist vorbildlich. Die Absprachen unter zehn Tourismusverbänden unter dem Dach des Schweizerischen Tourismus-Verbandes sind extrem wichtig, um als geeinte Stimme gehört zu werden. Aktuell gibt es keine Branche, die so konzertiert und koordiniert ihre Forderungen kommuniziert. Es zahlen sich jetzt auch unsere guten Beziehungen zu den Wirtschaftsdachverbänden Economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband und Arbeitgeberverband aus. In allen diesen Verbänden ist HotellerieSuisse seit Jahren im Vorstand aktiv vertreten.
Sie sind Präsident von HotellerieSuisse. Wie unterstützt der Verband seine Mitglieder und die ganze Branche?
Wir versuchen, uns breit aufzustellen und auf sämtlichen Ebenen vernetzt aktiv zu sein. So hat die Rechtsberatung seit mehreren Wochen an sieben Tagen geöffnet, um die dringendsten Fragen zu beantworten. Zudem stellen wir via Push-Mailings und Website laufend die neusten Informationen, Antworten und Hilfsmittel bereit. Entscheidend ist nun, dass wir unseren Mitgliedern rasch aufzeigen können, wie sie zu den finanziellen Mitteln gelangen, die der Bundesrat gesprochen hat. In der Politik helfen uns die guten Kontakte zum Bundesrat und zu den Parlamentariern. Aber auch den Regionalverbänden möchte ich auf diesem Weg herzlich danken für ihre aktive Unterstützung.
Im Fokus steht für die Hoteliers, Kosten zu sparen. Wo sehen Sie nebst der Kurzarbeit Möglichkeiten?
Mitarbeiter sind in jedem Hotel der grösste Kostenblock. Hier sind Massnahmen am wirkungsvollsten. Variable Kosten wie Warenkosten oder Energie lassen sich leider nicht ohne Qualitätseinbussen einsparen. Entsprechend ist hier das Sparpotenzial geringer.
Wie können Hoteliers die kommenden Monate sinnvoll nutzen?
Für die Mitarbeitenden, aber auch für die Hoteliers ist es sicherlich eine gute Zeit, um sich aus- und weiterzubilden. Hier gibt es, teilweise finanziert durch den L-GAV, verschiedene interessante Angebote.
Die Krise bietet auch Chancen?
Das kann man leider in diesem Fall nicht sagen. Die Krise wird nach dem Coronavirus noch nicht vorbei sein. Die Kollateralschäden werden enorm sein, und die Weltwirtschaft wird sich mit einer längeren Rezession auseinandersetzen müssen. Wie schon gesagt, die Welt wird eine andere sein.
Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr des Normalzustands?
Ich hoffe, dass sich die Situation mit dem Virus Anfang Sommersaison wieder etwas normalisiert. Wie sich die Situation entwickelt, hängt nun stark von den Massnahmen des Bundes ab. Wirken rigorose Massnahmen wie in Österreich oder Italien besser als pragmatische wie in Deutschland und der Schweiz? Das können wir leider erst im Nachhinein sagen.
Wird die Schweizer Hotellerie nach der Coronavirus-Epidemie noch dieselbe sein wie vorher?
Nein, definitiv nicht. Die Schadensbilanz wird enorm sein, und der Schock wird uns noch lange in den Gliedern sitzen. Vielleicht lernen wir aber auch wieder, das, was bisher als normal galt, mehr zu schätzen. Das wäre dann aber auch das einzige Positive aus dieser Krise.
Gery Nievergelt