Angesichts der steigenden Zahl von Neuansteckungen mit dem Coronavirus und der Stagnation bei Neuimpfungen ist es für Bundespräsident Guy Parmelin an der Zeit, andere Massnahmen voranzutreiben: das Boostern etwa. Laut Taskforce-Chefin Tanja Stadler hat die Schweiz noch etwas Zeit für die dritte Impfung bei der Gesamtbevölkerung. Sie warnt aber auch vor überlasteten Spitälern.
Parmelin ist überzeugt, dass die dritte Impfung gegen das Coronavirus bald auf die Gesamtbevölkerung ausgeweitet werden muss. Denn irgendwann komme der Moment, wo man sich eingestehen müsse, dass nicht mehr viele vom Impfen überzeugt werden könnten, sagte er nach der nationalen Impfwoche in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». «Einen neuerlichen Lockdown wollen wir unbedingt verhindern.»
Gemäss Christoph Berger, Präsident der eidgenössischen Impfkommission, soll die dritte Impfung für die Gesamtbevölkerung noch dieses Jahr möglich sein. Sobald alle über 65-Jährigen die dritte Impfung bekommen hätten, werde diese für Jüngere geöffnet, hiess es in der «SonntagsZeitung».
Nach Angaben von Taskforce-Chefin Stadler hat die Schweiz noch etwas Zeit für die dritte Impfung bei der Gesamtbevölkerung. Es mache Sinn, nach der zweiten Dosis sechs Monate zuzuwarten. In der Schweiz sei diese der breiten Bevölkerung ab Mitte Juni verabreicht worden, sagte sie in einem Interview mit der «Sonntagszeitung». Ab Dezember sollte aber damit begonnen werden. Mit einem Booster könne der Schutz vor einer Ansteckung wieder auf 95 Prozent erhöht werden.
Tausende Spitaleinweisungen befürchtet
Stadler warnte allerdings, dass im Winter mit 30?000 Hospitalisierungen zu rechnen sei, «wenn wir wie bisher weiterfahren und keinen signifikanten Impffortschritt schaffen.» In der nationalen Impfwoche seien etwa 25'000 Erstimpfungen verabreicht worden. In den vergangenen Tagen gab es jeweils fast 4000 Neuansteckungen täglich mit dem Coronavirus.
Wissenschaftlich ist aus Sicht von Stadler klar: Entweder müsse noch rasch sehr viel geimpft werden oder es brauche starke Massnahmen, um die Zirkulation des Virus zu bremsen und zu verhindern, dass die Spitäler wieder überbelegt seien. Nötig seien die bekannten Optionen: Masken, Hygieneregeln, Zertifikate, Booster und Shutdowns.
Skepsis gegenüber 2G-Regel
Bei der 2G-Regel, also Zutrittsbeschränkungen für nur auf das Coronavirus getestete Personen, sieht Stadler Vor- und Nachteile. Wenn weniger Menschen an Veranstaltungen teilnehmen, habe das natürlich eine bremsende Wirkung.
Die Treffen könnten sich laut Stadler aber dann vermehrt ins Private verlagern. Ansteckungen wären weiterhin möglich, wenn auch im kleineren Rahmen. Hinzu käme, dass weniger Tests durchgeführt würden. Dadurch würde der Überblick über den Verlauf der Pandemie verloren gehen.[RELATED]
Auch andere Epidemiologen sind skeptisch gegenüber der 2G-Regel. Für Milo Puhan von der Universität Zürich ist nicht leicht einzuschätzen, wie viel die 2G-Regel bewirkt, da es noch keine soliden wissenschaftlichen Daten dazu gibt. Die Daten brauche man aber, um zu wissen, ob diese Regelung durchsetzbar sei und ob sie im Vergleich zu 3G - Geimpfte, Genesene und Getestete – Infektionen verhindere, sagte Puhan der «Schweiz am Wochenende».
Für Epidemiologe Marcel Salathé steht derzeit mit 2G die falsche Massnahme im Fokus. Die Diskussion über 2G lenke von «den wichtigen Faktoren» ab: mehr Erst- und rasche Booster-Impfungen. Das seien die zentralen Elemente, die es erlaubten, den Winter ohne eine Überlastung des Gesundheitssystems zu überstehen, sagte er der «Schweiz am Wochenende». (sda/npa)