Beide Initiativen hatten zu Beginn grosse Sympathien genossen, beide waren am Ende chancenlos. Das Stimmvolk lehnte die Fair-Food-Initiative der Grünen mit 61,3 Prozent und die Initiative für Ernährungssouveränität der Bauerngewerkschaft Uniterre mit 68,3 Prozent ab. In der Westschweiz war die Zustimmung deutlich grösser: Die Kantone Genf, Waadt, Jura und Neuenburg nahmen die Initiativen an.
Die Initiativkomitees sehen das als Beweis dafür, dass die Anliegen doch vielen Menschen wichtig sind. Das Nein führen sie auf die Warnung der Gegner vor steigenden Preisen zurück. Auf der Seite der Gegner hiess es am Sonntag, nicht nachhaltig produzierte Lebensmittel würden abgelehnt, sondern staatliche Vorschriften dazu. Zudem habe das Stimmvolk sich gegen Abschottung ausgesprochen.
Bestehenden Artikel umsetzen
Beide Seiten wiesen zudem auf den Verfassungsartikel für Ernährungssicherheit hin, den das Stimmvolk vor einem Jahr angenommen hatte. Innenminister Alain Berset sagte vor den Medien, den Menschen seien sichere Lebensmittel, Umweltschutz, Tierwohl und faire Löhne wichtig. Die Verfassungsgrundlagen dafür seien aber vorhanden. Der Bundesrat werde sich weiterhin dafür engagieren.
Der Schweizerische Bauernverband und die Fair-Food-Initianten forderten, dieser Artikel müsse nun umgesetzt werden. Der Artikel ist allerdings vage gefasst. Er setzt auf einen ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln und grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Gleichzeitig soll die Land- und Ernährungswirtschaft auf den Markt ausgerichtet sein. Die Mehrheit wünscht aber offenbar keine konkretere Verfassungsbestimmung.
Unterschiede und Überschneidungen
Bei der Fair-Food-Initiative stand das nachhaltige Essen im Zentrum: Der Bund sollte umweltschonend, tierfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel fördern. Die Ernährungssouveränitäts-Initiative der Bauerngewerkschaft Uniterre hatte primär die einheimischen Bauern im Fokus, deren Zahl erhöht werden sollte.
Überschneidungen gab es bei den Importprodukten. Gemäss der Fair-Food-Initiative sollte der Bund für die Schweizer Produktion Vorgaben machen, denen auch importierte Agrarprodukte grundsätzlich genügen müssten. Die Ernährungssouveränitäts-Initiative ging in dem Punkt weiter: Der Bund hätte auf Produkten, die den schweizerischen Normen nicht entsprechen, Zölle erheben müssen.
Strengere Deklarationsvorschriften
In verschiedene Richtungen gingen die Initiativen bei den weiteren Forderungen. Die Fair-Food-Initiative verlangte auch strengere Deklarationsvorschriften und Massnahmen gegen Lebensmittelverschwendung, die Ernährungssouveränitäts-Initiative unter anderem ein Gentechnikverbot. Neben höheren Preisen warnten die Gegner im Abstimmungskampf vor Handelsstreitigkeiten. Aus ihrer Sicht hätte bei einem Ja ein Konflikt mit dem WTO-Abkommen, bilateralen sowie Freihandelsabkommen gedroht.
Diese Diskussion ist vorerst vom Tisch. Die Landwirtschaft wird aber die Politik und auch das Stimmvolk weiter beschäftigen. Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann interpretiert das Nein zu den Agrarinitiativen als «klares Zeichen der Unterstützung» für die heutige Landwirtschaftspolitik. (sda)