«Die Situation ist ernst», sagte Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle im Bundesamt für Gesundheit (BAG), am Freitag vor den Bundeshausmedien.
Die Zahl der neuen Fälle steige weiterhin sehr schnell, auch die Zahl der Spitaleintritte erhöhe sich mit einer Verzögerung von rund zehn Tagen, sagte Masserey. Zwar befinde man sich in den Spitälern noch nicht in einer kritischen Situation, jedoch gelte es, frühzeitig zu handeln.
Die Neuinfektionen umfassen laut Masserey sämtliche Altersstufen. Die gesamte Schweiz sei betroffen - auch Kantone, die bei der ersten Welle im Frühling wenig betroffen gewesen seien. «Es ist nun an der Zeit, die Erhöhung der Fälle zu stoppen, um eine Überlastung der Gesundheitseinrichtungen zu verhindern.»[RELATED]
Taskforce fordert strenge Massnahmen
Für Martin Ackermann, Präsident der Wissenschafts-Taskforce des Bundes, sind die Zahlen ein «Schock, aber auch eine Chance, nun schnell zu reagieren». Auch wenn in einer Woche neue Massnahmen in Kraft treten würden, würden die Fallzahlen und die Zahlen der Hospitalisierungen bis in zwei Wochen um den Faktor vier steigen, sagte er weiter. Das bedeutet in zwei Wochen würden 12'000 Fälle gezählt.
Er plädierte für strengere Massnahmen, die so schnell wie möglich umgesetzt werden müssten: eine Reduktion der Anzahl und der Grösse von Veranstaltungen, eine flächendeckende Maskenpflicht und Homeoffice, wo immer möglich: Diese Massnahmen müssten nun sofort getroffen werden, sagte er weiter.
Der starke Anstieg der Zahlen erkläre sich die Taskforce mit dem kälteren Wetter und der Tatsache, dass sich die Menschen nun wieder vermehrt in Innenräumen aufhalten würden.
Contact Tracing stösst an Grenzen
Das Contact Tracing im Kampf gegen das Coronavirus komme an seiner Grenzen, sagte Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte sowie Zuger Kantonsarzt. Das sei nicht durch die stark steigenden Fallzahlen verursacht, sondern durch das Tempo, mit der sich die Infektion ausbreitet.
Vorerst verlaufe die Rückverfolgung meistens noch in geordneten Bahnen, aber nicht überall. Die Rückverfolgung brauche Zeit, die bei der schnellen Ausbreitung des Virus nicht vorhanden ist, erklärte er. Es könnten darum nicht mehr alle erreicht werden.
Deshalb müssten die Einzelnen Verantwortung übernehmen und die nötigen Massnahmen zusammen mit ihren Hausärztinnen und -ärzten ergreifen, sagte Hauri weiter. Seinen Angaben zufolge sind im Gegensatz zum Frühling die damals überrumpelten Gesundheitsinstitutionen nun gut gerüstet. Die Spitäler seien auf mehr Hospitalisationen vorbereitet und hätten ihre Behandlungsstrategien aufgrund der Erfahrungen vom Frühling angepasst.
7,7 Milliarden für Kurzarbeit ausbezahlt
Laut Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), sind die Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft bekannt und könnten mit den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen reaktiviert werden. Die günstigste Variante sei jedoch, die Pandemie in den Griff zu kriegen.
Der Bund habe bisher 7,7 Milliarden Franken Kurzarbeitsentschädigung für 238 Millionen Ausfallstunden ausbezahlt, sagte Zürcher. In der Hochphase hätten sich 1,3 Millionen Angestellte in Kurzarbeit befunden. Die 7,7 Milliarden Franken bezeichnete Zürcher als «Schadensbilanz».
Die Kompetenz, Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft zu ergreifen, liege derzeit bei den Kantonen. Aufgrund der Absprache mit den Sozialpartnern sei für die Umsetzung jedoch mit bis zu zwei Monaten zu rechnen. Anders sähe es aus, wenn wieder die ausserordentliche Lage ausgerufen werde, so Zürcher. (sda)
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