Am 11. März hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Verbreitung des neuartigen Coronavirus als länder- und kontinentübergreifende Pandemie eingestuft. Das hat für Versicherungskunden Konsequenzen. In den meisten Betriebsversicherungen sind Deckungen im Pandemie-Fall explizit ausgeschlossen, auch wenn Deckungen gegen Epidemien abgeschlossen wurden. Die Praxis stösst bei KMU auf Unverständnis.
Das Problem: Die Folgen einer weitreichenden Pandemie sind nur schwer abschätzbar. Um die Risikolage einschätzen und einen bezahlbaren Preis bestimmen zu können, fehlt den Versicherungen ein fundierter Datenteppich aus vergleichbaren Pandemien. Experten gehen davon aus, dass Pandemien nur schwer versicherbar sind.
Hohe Kosten für die Mobiliar
Einen grossen Schritt auf ihre Kunden zu macht gleichwohl die Mobiliar. «Wir machen als in der Schweiz agierender Versicherer keinen Unterschied, ob es sich bei Corona um eine Pandemie oder eine Epidemie handelt», sagte Mobiliar-Chef Markus Hongler an der telefonisch durchgeführten Bilanzmedienkonferenz vom Dienstag.
Das hat seinen Preis. Hongler rechnet damit, dass der Mobiliar im laufenden Jahr wegen Corona über alle Sparten hinweg Kosten in Höhe von 350 bis 400 Millionen Franken anfallen werden. Zum Vergleich: Im vergangenen, sehr erfolgreichen Geschäftsjahr 2019 erzielte die Gruppe einen Gewinn von knapp 490 Millionen.
Der Grossteil der Zahlungen fällt laut dem Mobiliar-Chef bei Gastrobetrieben, Käsereien oder Lebensmittelhändler an, die ihre Betriebe schliessen mussten und als Zusatz zu einer Gebäude- oder Feuerversicherung eine Epidemiedeckung abgeschlossen hatten. Dieser Schutz war ursprünglich gegen Betriebsunterbrüche aufgrund von Problemen mit Salmonellen gedacht und kommt nun zur Bewältigung von Corona-Schäden zum Einsatz.
Nebst den Zahlungen zu den Geschäftsschliessungen, entschädigt die Mobiliar über die Annulationsversicherung auch noch jene Kunden, die eine Reise absagen oder vorzeitig abbrechen mussten.
Deckung nur im Einzelfall
Mit Betriebsunterbrüchen und Reiseannulationen beschäftigen sich auch andere Versicherungen. Zu diesen Themen sei es in den vergangenen Wochen kundenseitig vermehrt zu Anfragen gekommen, heisst es etwa bei der Bâloise und der Helvetia.
Die Helvetia etwa prüft im Einzelfall, ob für Firmenkunden bei Geschäftsschliessungen eine Deckung besteht oder nicht. Im Vordergrund stünden die geltenden Versicherungsbestimmungen. Das sei aus Gründen der Fairness gegenüber anderen Prämienzahlern wichtig.
Ähnlich tönt es bei der Bâloise: Allgemein bestehe in Sachversicherungsverträgen, in welchen ein expliziter Pandemie-Ausschluss enthalten sei, keine Versicherungsdeckung. Es gebe aber Verträge, in welchen eine behördlich angeordnete Betriebsschliessung gedeckt sei. In solchen Fällen könnten Zahlungen ausgelöst werden.
Zahlungsaufschübe und Mietzinsreduktionen
Hilfe können die KMU von den Versicherungen bei der Zahlung der Prämien erwarten. Die Allianz Suisse, die keine Epidemiedeckungen im Angebot hat, gewähre nach Absprache mit ihren Kunden weitreichende Zahlungserleichterungen und -aufschübe, erklärt ein Firmensprecher. Und Kunden mit ausstehenden Forderungen würden seit dem 1. März vorläufig nicht mehr gemahnt.[RELATED]
Die Helvetia hat derweil sämtliche Zahlungserinnerungs- und Mahnverfahren für Rechnungen etwa zu Betriebsversicherungen mit Fälligkeit ab dem 1. Februar bis Ende Juni eingestellt. Und auch die Bâloise zeige sich «unbürokratisch», wenn es um in Zahlungsschwierigkeiten steckende Firmen gehe, heisst es.
Monat für Monat grosse Brocken an Zahlungen stehen bei KMU in der Beruflichen Vorsorge (BVG) an. Schliesslich sind in der zweiten Säule nicht nur Arbeitgeber-, sondern auch Arbeitnehmerbeiträge geschuldet. Der Branchenprimus Swiss Life versucht, den Firmen – soweit es die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen – entgegenzukommen. In individuellen Gesprächen werde mit Kunden nach Lösungen gesucht, so eine Sprecherin.
Zudem haben Swiss Life, Helvetia und die Vaudoise in der laufenden Woche angekündigt, dass sie auf ihren Immobilien notleidenden Kleinunternehmen und Selbständigerwerbenden Mietzinsreduktionen anbieten. Dies wenn sich die Firmen in prekärer Lage befinden. Bisher hatten Swiss Life, einer der grössten Immobilienbesitzer der Schweiz, und Helvetia lediglich Mietzinsstundungen offeriert. (awp/sda)