Das 19. Jahrhundert war das goldene Zeitalter der Kur- und Heilbäder in der Schweiz. Es endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Mischa Stünzi
Thermalbad Bad Ragaz. Thermalbad Bad Ragaz. Bild: Stiftung Ragaziana
Bild: Stiftung Ragaziana
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Baden und kuren waren im 19. Jahrhundert das medizinische Wundermittel gegen jegliche Gebresten. Es war die Hoch-Zeit der Badekultur in Europa, obwohl viele Heilquellen schon seit dem Mittelalter – teils sogar noch viel länger – bekannt sind.
1907 entdeckte man in St. Moritz die aus der Bronzezeit stammende Mauritius-Quellfassung. Die Heilquellen erlangten unter Papst Leo X. und dem Naturheilarzt Paracelsus im Mittelalter grosse Bekanntheit. 1907 entdeckte man in St. Moritz die aus der Bronzezeit stammende Mauritius-Quellfassung. Die Heilquellen erlangten unter Papst Leo X. und dem Naturheilarzt Paracelsus im Mittelalter grosse Bekanntheit. Bild: Wikimedia
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Je nach Krankheit wurde ein anderes Wasser empfohlen – mal ein Soolbad, mal Schwefel- oder Eisenwasser, mal gar radiumhaltiges Wasser. Dementsprechend hatte viele Kurorte ihre ganz eigenen Spezialitäten. Bei Blutarmut, Schwächzuständen und nervösen Störungen ging man etwa ins Bad Fideris im bündnerischen Prättigau, bei Rheumatismus, Herz- und Nervenleiden ins Stahlbad nach Knutwyl.
Das Bad Fideris war bis ins späte 19. Jahrhundert eines der bedeutendsten Bäder der Schweiz. Die Heilquelle war für natrium- und eisenhaltigen Säuerling bekannt. Postkarte von 1908. Das Bad Fideris war bis ins späte 19. Jahrhundert eines der bedeutendsten Bäder der Schweiz. Die Heilquelle war für natrium- und eisenhaltigen Säuerling bekannt. Postkarte von 1908. Bild: ETH Bildarchiv
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1939 wurde der Betrieb eingestellt. Heute ist von der 500-jährigen Bädergeschichte nichts mehr erkennbar. 1939 wurde der Betrieb eingestellt. Heute ist von der 500-jährigen Bädergeschichte nichts mehr erkennbar. Bild: Wikimedia
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Vom ehemaligen Stahlbad Knutwyl ist nur eine Kneippanlage und das Knutwiler Mineralwasser übrig geblieben. Vom ehemaligen Stahlbad Knutwyl ist nur eine Kneippanlage und das Knutwiler Mineralwasser übrig geblieben. Bild: ETH Bildarchiv
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Solbäder - oder wie sie damals hiessen: Soolbäder - sind schon lange eine Spezialität von Rheinfelden. Das Hôtel trois Rois um 1900. Solbäder - oder wie sie damals hiessen: Soolbäder - sind schon lange eine Spezialität von Rheinfelden. Das Hôtel trois Rois um 1900. Bild: ETH Bildarchiv
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Im Zähringerstädtchen entstand das erste Solbad-Hotel: das Hotel Schützen auf einer Postkarte aus dem Jahr 1912. Im Zähringerstädtchen entstand das erste Solbad-Hotel: das Hotel Schützen auf einer Postkarte aus dem Jahr 1912. Bild: ETH Bildarchiv
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Zur Kur fuhr man nicht nur für die Rekonvaleszenz, bei Nervenleiden oder, um mildere Krankheiten wie Rheuma, Verdauungsstörungen und Hautausschläge zu lindern, sondern auch bei gefährlichen Erkrankungen wie Tuberkulose. Die ansteckende Lungenkrankheit wurde etwa in Weissenburgbad im Simmental, Rigi Kaltbad und St. Moritz behandelt.
Das Stahlbad von St. Moritz nach der Eröffnung im Jahr 1892. Das Stahlbad von St. Moritz nach der Eröffnung im Jahr 1892. Bild: ETH Bildarchiv
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Der Name Stahlbad kommt vom eisenhaltigen Wasser. Der Name Stahlbad kommt vom eisenhaltigen Wasser. Bild: ETH Bildarchiv
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Einst traf sich der europäische Adel in Weissenburgbad im Simmeltal zum Kuren. Heute führt der Verein Bad und Thermalquelle Weissenburg im Sommer Exkursionen zur Ruine des ehemaligen Grand Hotels durch. Einst traf sich der europäische Adel in Weissenburgbad im Simmeltal zum Kuren. Heute führt der Verein Bad und Thermalquelle Weissenburg im Sommer Exkursionen zur Ruine des ehemaligen Grand Hotels durch. Bild: ETH Bildarchiv
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Das erste Badehaus in Weissenburg entstand 1602, das als Grand Hotel bekannte Vordere Bad- und Kurhaus 1849. Das Bild stammt aus der Zeit dazwischen. Das erste Badehaus in Weissenburg entstand 1602, das als Grand Hotel bekannte Vordere Bad- und Kurhaus 1849. Das Bild stammt aus der Zeit dazwischen. Bild: Schweizerische Nationalbibliothek
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Durch solche Holzrohre wurde das Wasser in die Badeanstalt geleitet. Bild um 1940. Durch solche Holzrohre wurde das Wasser in die Badeanstalt geleitet. Bild um 1940. Bild: ETH Bildarchiv
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Zur Behandlung gehörte in der Regel nicht nur das Baden, das täglich mehrere Stunden in Anspruch nahm. Auch Trinkkuren, Inhalieren, Duschen, Luft-, Licht- und Sonnenbaden sollten zur Heilung beitragen. Bekannte Kurorte bauten gar – ganz nach dem Vorbild internationaler Bäder wie Baden-Baden, Vichy und Karlsbad – repräsentative Trinkhallen und Kurparks.
Ein Bad dauerte oft mehre Stunden. Badegäste in Leukerbad. Ein Bad dauerte oft mehre Stunden. Badegäste in Leukerbad. Bild: ETH Bildarchiv
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Während einer Kur, die in der Regel mehrere Wochen dauerte, fielen bis zu 30 Bäder an. Badegäste im Werrabad von Leukerbad. Während einer Kur, die in der Regel mehrere Wochen dauerte, fielen bis zu 30 Bäder an. Badegäste im Werrabad von Leukerbad. Bild: ETH Bildarchiv
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Thermalbad in Bad Ragaz: Neben dem Baden selbst waren auch andere Behandlungen und Therapien an der Tagesordnung. Etwa das Duschen... Thermalbad in Bad Ragaz: Neben dem Baden selbst waren auch andere Behandlungen und Therapien an der Tagesordnung. Etwa das Duschen... Bild: Stiftung Ragaziana
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... und das Trinken von Heilwasser. Trinkhalle in Bad Fideris um 1906. ... und das Trinken von Heilwasser. Trinkhalle in Bad Fideris um 1906. Bild: Wikimedia
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Ehemaliger Trinkpavillon im früheren Kurort Gimel (VD). Bild von 1941. Ehemaliger Trinkpavillon im früheren Kurort Gimel (VD). Bild von 1941. Bild: ETH Bildarchiv
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Im historischen Dorfbad von Bad Ragaz ist heute unter anderem die Infostelle von Heidiland Tourismus untergebracht. Bild um 1895. Im historischen Dorfbad von Bad Ragaz ist heute unter anderem die Infostelle von Heidiland Tourismus untergebracht. Bild um 1895. Bild: ETH Bildarchiv
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Im Wettbewerb um wohlhabende Gäste aus ganz Europa übertrafen sich die Kurorte auch in der Schweiz mit prunkvollen Badeanstalten und Hotelbauten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte so manches Kurbad internationale Bekanntheit. Gurnigelbad, Baden, Bad Ragaz, St. Moritz Bad wurden zu Treffpunkten der europäischen Oberschicht. Entsprechend gut ausgestattet waren die grossen Hotels in diesen Orten: Zentralheizung, Lifte, Elektrizität. Der Bädertourimus wurde sozusagen zum Katalysator des Hotelkomforts.
Selbstverständlich wollte die noble Gästeschar auch unterhalten werden. Den ganzen Tag nur kuren war auf Dauer – ein Kuraufenthalt konnte problemlos einen Monat dauern – dann doch zu langweilig. Und so sorgten Salons, Bibliotheken, Fumoirs, Konzerte, Promenaden oder Casinos für Zerstreuung und Abwechslung, wie es im Historischen Lexikon der Schweiz heisst.
Geeignet zum Lustwandeln: Laube im Gurnigelbad ums Jahr 1860. Geeignet zum Lustwandeln: Laube im Gurnigelbad ums Jahr 1860. Bild: Schweizerische Nationalbibliothek
Bild: Schweizerische Nationalbibliothek
Auch der grosszügige Park des 1905 eröffneten zweiten Grand Hotels Gurnigelbad lud zum Spazieren ein. Luftaufnahme von 1926. Auch der grosszügige Park des 1905 eröffneten zweiten Grand Hotels Gurnigelbad lud zum Spazieren ein. Luftaufnahme von 1926. Bild: ETH Bildarchiv
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Promenieren in Bad Ragaz. Postkarte mit Stempel von 1919. Promenieren in Bad Ragaz. Postkarte mit Stempel von 1919. Bild: ETH Bildarchiv
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Neben den grossen, international bekannten Kurorten waren in der Schweiz im 19. Jahrhundert auch zahlreiche kleine Heilquellen und Badeanstalten bekannt. In einer Übersicht führte der spätere Bundesrat Stefano Franscini 350 Heilquellen auf – und das war noch vor dem eigentlichen Höhepunkt der Bäderkultur in der Schweiz.
Während sich die zahlungskräftige Oberschicht in den Nobelkurorten vergnügte, begnügte sich die breite Bevölkerung mit kleineren Heilquellen. Nicht selten ging es dort ziemlich toll zu und her. Die oft etwas abseits gelegenen Bäder boten den Jungen die Möglichkeit, sich abseits der wachsamen Eltern und Moralhüter zu treffen. Das Historische Lexikon verweist auf zahlreiche Belege, «wie Pfarrer und Amtspersonen gegen das überbordende Badeleben vorzugehen versuchten».
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs dreht der Wind für die Badeanstalten abrupt. Mit einem Schlag blieben die europäischen Gäste aus. Doch auch nach Kriegsende kam der Bädertourismus nicht mehr gleich zurück. Die moderne Medizin entwickelte neue Heilmethoden und immer mehr Häuser und Wohnungen hatten private Badezimmer mit fliessend Wasser. Die Nachfrage nach Badeanstalten sank.
Leukerbad gehörte schon im 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Badeorten der Schweiz und tut es auch heute noch. Postkarte von 1919. Leukerbad gehörte schon im 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Badeorten der Schweiz und tut es auch heute noch. Postkarte von 1919. Bild: ETH Bildarchiv
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Dieses historische Bild aus Bad Schinznach um die Jahrhundertwende hängt auch heute noch im Betrieb. Dieses historische Bild aus Bad Schinznach um die Jahrhundertwende hängt auch heute noch im Betrieb. Bild: zvg
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Das Bäderquartier in Baden im Jahr 1904. Das grosse Gebäude unten rechts im Bild ist das 1944 gesprengte Grand Hotel. An dessen Stelle steht heute das letztes Jahr eröffnete Bad Fortyseven. Das Bäderquartier in Baden im Jahr 1904. Das grosse Gebäude unten rechts im Bild ist das 1944 gesprengte Grand Hotel. An dessen Stelle steht heute das letztes Jahr eröffnete Bad Fortyseven. Bild: Wikimedia
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Während in einigen der damaligen Kurorten mit dem Bädertourismus des 19. Jahrhunderts der Grundstein gelegt wurde für den heutigen Wellness-Tourismus – etwa in Bad Ragaz, Bad Schinznach und Leukerbad –, verschwanden andere komplett von der Karte. In Stachelberg im Glanerland etwa ist heute vom einstigen Bäderglanz ebenso wenig übrig geblieben wie im bernischen Gurnigel.
Das Gurnigelbad war im 19. Jahrhundert eine der grössten und bekanntesten Kuranstalten der Schweiz. Die Gäste reisten teils gar aus Übersee an. Der erste Hotelbau brannte jedoch 1902 ab. Bild um 1860. Das Gurnigelbad war im 19. Jahrhundert eine der grössten und bekanntesten Kuranstalten der Schweiz. Die Gäste reisten teils gar aus Übersee an. Der erste Hotelbau brannte jedoch 1902 ab. Bild um 1860. Bild: Wikimedia
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Im Jahr 1905 wurde der Neubau eröffnet, ein 240 Meter langer Trakt mit 266 Zimmern mit 400 Gästebetten und 45 Zimmern für die mitgereisten Bediensteten. Im Jahr 1905 wurde der Neubau eröffnet, ein 240 Meter langer Trakt mit 266 Zimmern mit 400 Gästebetten und 45 Zimmern für die mitgereisten Bediensteten. Bild: Sammlung Roland Flückiger
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Den Ersten Weltkrieg überstand das bekannte Grand Hotel. Die Wirtschaftkrise setzte ihm zwar zu, brach ihm aber nicht das Genick. 1938 erzeilte es mit 25'700 Logiernächten gar ein Rekordergebnis. Doch mit dem Zweiten Weltkrieg kam das Ende. 1942 wurde der Betrieb eingestellt und das Gebäude 1955 gesprengt. Heute steht nur noch ein Nebengebäude. Ausschnitt aus einem Werbeplakat von 1928. Den Ersten Weltkrieg überstand das bekannte Grand Hotel. Die Wirtschaftkrise setzte ihm zwar zu, brach ihm aber nicht das Genick. 1938 erzeilte es mit 25'700 Logiernächten gar ein Rekordergebnis. Doch mit dem Zweiten Weltkrieg kam das Ende. 1942 wurde der Betrieb eingestellt und das Gebäude 1955 gesprengt. Heute steht nur noch ein Nebengebäude. Ausschnitt aus einem Werbeplakat von 1928. Bild: Sammlung Roland Flückiger
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War während der Belle Epoque eine grosse Nummer: das Bad Stachelberg im Kanton Glarus. 1914 ging es Konkurs. Heute steht von ehemaligen Komplex nur noch ein Gebäude, das Mietwohnungen beherbergt. War während der Belle Epoque eine grosse Nummer: das Bad Stachelberg im Kanton Glarus. 1914 ging es Konkurs. Heute steht von ehemaligen Komplex nur noch ein Gebäude, das Mietwohnungen beherbergt. Bild: Sammlung Roland Flückiger
Bild: Sammlung Roland Flückiger
Ein Sonderfall: Daran, dass das Bad Pfäfers heute nicht mehr als Bad genutzt wird, ist nicht der Erste Weltkrieg schuld. In den 1840er-Jahren entschied man, das warme Wasser aus der Taminaschlucht ins Tal zu leiten, wo so Bad Ragaz entstand. Postkarte von 1912. Ein Sonderfall: Daran, dass das Bad Pfäfers heute nicht mehr als Bad genutzt wird, ist nicht der Erste Weltkrieg schuld. In den 1840er-Jahren entschied man, das warme Wasser aus der Taminaschlucht ins Tal zu leiten, wo so Bad Ragaz entstand. Postkarte von 1912. Bild: ETH Bildarchiv