Airlinekonzerne wie Lufthansa mit Tochter Swiss, Air France KLM, die British Airways-Mutter IAG und der Billigflieger Easyjet fahren ihre Kapazitäten kräftig herunter.
Denn immer weniger Menschen fliegen wegen verschärfter Reisebestimmungen und aus Furcht vor dem Coronavirus überhaupt noch. «Wenn sich die Situation so weiterentwickelt, brauchen alle Airlines staatliche Unterstützung», sagte Swiss-Chef Thomas Klühr im Interview mit dem «SonntagsBlick». Die Gespräche mit dem Bundesrat fänden in den nächsten Tagen statt.
Erst einmal gehe es um administrative Erleichterungen bei Kurzarbeit. Aber wenn die Anzahl der Länder, die die Airline nicht mehr anfliegen könne, weiter steige, bräuchte die Swiss die finanzielle Unterstützung der Schweiz. Dies, um die Situation zu überbrücken.
Krisengipfel in Deutschland
Auch Swiss-Mutter Lufthansa zieht staatliche Hilfen in Betracht. Die deutsche Regierung berät am Mittag mit der deutschen Luftfahrt über die Krise und mögliche Hilfen der öffentlichen Hand.
Beim Krisengipfel im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin dürfte es darum gehen, ob über Liquiditätshilfen und Kurzarbeitergeld hinaus weitere Hilfen nötig sind. Im Raum steht eine Befreiung von der Luftverkehrssteuer, die eigentlich ab April aus Klimaschutzgründen steigen soll. Regierungskreisen zufolge sollen die Unternehmen über ihre Lage berichten, um zu klären, wie lange die eigenen Puffer reichten.
Zuletzt hatte die Lufthansa wegen der Einreisestopps von immer mehr Ländern ihren Flugplan massiv zurückgefahren. Ab Dienstag werden nur noch zehn Prozent der Langstreckenflüge und 20 Prozent der Flüge in Europa abheben, wie der Swiss-Mutterkonzern am Montag mitteilte. Und die österreichische Tochter Austrian Airlines stellt den Betrieb ab Donnerstag bis 28. März vollständig ein.
Weltweit sind seit Ende Januar wegen der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 mehr als 185'000 Passagierflüge gestrichen worden, berichtete der Weltluftfahrtverband IATA. Damit sei auch wichtige Frachtkapazität etwa für die Beförderung von Medikamenten und medizinischem Material entfallen.
«Regierungen müssen dringend Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Versorgungslinien offen, effektiv und effizient bleiben», sagte IATA-Generaldirektor Alexandre de Juniac. Luftfracht sei zur Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln ebenso wie mit dem zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie nötigen medizinischen Material nötig.
Easyjet fordert koordinierte Unterstützung
Auch Easyjet schloss sich dem Ruf nach Staatshilfe an: «Die europäische Luftfahrt steht vor einer gefährlich Zukunft, und es ist klar, dass eine koordinierte staatliche Unterstützung nötig sein wird, um das Überleben der Branche zu sichern und ihre Tätigkeit auch nach der Krise fortzusetzen», sagte Easyjet-Chef Johan Lundgren am Montag.
Der weltgrösste Touristikkonzern TUI, der mit Tuifly auch eine Airline betreibt, stoppt wegen des Coronavirus den grössten Teil seines Geschäfts und beantragt zur Überbrückung Staatshilfe. Die TUI-Aktien fielen um rund 28 Prozent auf ein Rekordtief. Auch die Papiere der Airlines brachen ein: Easyjet-Aktien fielen um etwa 30 Prozent, Air France KLM lagen nach Handelsbeginn rund 19 Prozent im Minus, IAG etwa 28 Prozent und die Lufthansa-Papiere rund 18 Prozent.
IAG bittet nicht um Staatshilfe
British Airways-Eigentümer IAG fährt im April und Mai die Kapazitäten um mindestens 75 Prozent herunter. Der scheidende Konzernchef Willie Walsh wird zudem seinen Abgang verschieben. «Ich denke, dass einzelne Fluggesellschaften sich an Regierungen gewandt haben, um staatliche Beihilfen zu erhalten, wir haben dies nicht getan», sagte Walsh in einer Telefonkonferenz mit Investoren.
Die Regierungen würden von den Fluggesellschaften erwarten, dass sie sich um Selbsthilfe bemühen, bevor sie die Regierungen um staatliche Beihilfen bitten. IAG werde sich aber um staatliche Unterstützung zugunsten der Beschäftigten bemühen.
Um das Überleben der Fluggesellschaft zu sichern, sollen zudem Ausgaben eingefroren, Arbeitszeiten verkürzt und Arbeitsverträge vorübergehend ausgesetzt werden. IAG und Easyjet zogen ihre Prognosen für das laufende Geschäftsjahr wegen der Unsicherheit zurück.
Die französisch-niederländische Fluggesellschaft Air France KLM wird ihre Flotte zum grossen Teil auf dem Boden lassen. Die Kapazitäten sollen schrittweise um bis zu 90 Prozent zurückgefahren werden, teilte der Konzern mit. Zudem sollen 200 Millionen Euro an Kosten eingespart und Investitionen um 350 Millionen Euro gekürzt werden. Die Airline begrüsste Äusserungen der französischen und niederländischen Regierungen zu möglichen Staatshilfen. Der Konzern erklärte ferner, Air France werde die gesamte Airbus 380-Flotte und KLM seine gesamte Boeing-747-Flotte am Boden halten. (awp sda reu)