(Keystone-SDA) Seit Ausbruch der Corona-Pandemie fehlen chinesischen Touristen in Schweizer Hotels, Restaurants, Juwelier-Shops oder Bergbahnen. Und auch 2023 wird ein Übergangsjahr, wie eine Sprecherin des Luzerner Tourismusbüros auf Anfrage von AWP sagt. Laut den Rückmeldungen der Luzerner Hotels entwickeln sich die Buchungen im China-Tourismus nach wie vor sehr verhalten. Die Zentralschweiz ist die von Chinesen am stärksten besuchte Region der Schweiz. [RELATED]
Auch in anderen Regionen wartet man noch auf die Rückkehr der Chinesinnen und Chinesen. «Im 2022 hatten wir 6019 chinesische Touristen registriert. Das waren 85 Prozent weniger als 2019», sagt eine Sprecherin des Berner Tourismusbüros. Nun deuteten die Übernachtungszahlen auf eine landesweite Erholung hin, das Niveau von vor der Pandemie sei aber noch weit entfernt. Nicht nur in den Tourismusbüros der Kantone, auch bei der Dachorganisation Schweiz Tourismus wird nicht vor 2024 mit einer spürbaren Zunahme der Tourismusnachfrage aus China gerechnet. Dabei hatte das Land bereits vor rund fünf Monaten die Corona-Massnahmen gelockert und im Zuge davon die Grenzen geöffnet.
Mehrere Stolpersteine
Für die verhaltene Erholung im internationalen Reiseverkehr mit chinesischen Touristen machen Experten verschiedene Faktoren verantwortlich. So sei es für Chinesen schwieriger als noch vor der Pandemie, an die notwendigen Dokumente zu kommen, seien es Pässe oder Schengen-Visa. Zudem bieten die Fluggesellschaften noch nicht die Kapazitäten zwischen Europa und China an, die es vor der Pandemie gegeben hatte. Air China etwa fliegt den Flughafen Genf aktuell dreimal pro Woche an. Das zeige, dass die Wiederaufnahme des Flugbetriebs aus China nur in Schritten vorankomme, erklärt ein Sprecher des Flughafens.
Von und nach Zürich bietet Cathay Pacific derzeit zwei wöchentliche Flüge aus Hongkong an und die Swiss erhöht ihre Kapazitäten ebenfalls schrittweise. Bei der Swiss sind es jede Woche drei Flüge nach Shanghai und sechs nach Hongkong. «Wir sind erfreut, dass sich die Normalisierung auf dem asiatischen Markt fortsetzt», schreibt die Schweizer Fluggesellschaft dazu.
Kleinere Gruppen, längere Aufenthaltsdauer
Vor der Corona-Pandemie war China für den Schweizer Tourismus das fünftwichtigste Land. Zumeist besuchten chinesische Touristen im Rahmen einer Reise durch Europa die Schweiz und verbrachten so im Durchschnitt nur 1,3 Nächte im Land, wie eine Studie der ETH Zürich aufzeigt. Es ist von allen Gruppen die kürzeste Aufenthaltsdauer. Doch das Reiseverhalten der Chinesinnen und Chinesen ändere sich, sagte die Berner Tourismus-Sprecherin. Es gebe von lokalen Reisebüros Hinweise, dass chinesische Touristen sich vermehrt für Reisen interessieren, die nur in die Schweiz führen. Zudem seien die Reise-Budgets höher und damit die Verweildauer länger.
Ähnliche Entwicklungen stellen die Luzerner Tourismusverantwortlichen fest. Chinesische Touristen kämen in kleineren Gruppen und verteilten sich besser auf mehrere Reiseziele sowie auf das gesamte Jahr. Chinesische Grossgruppen, die im Sommer durch Zermatt, Interlaken oder Luzern ziehen, könnten also künftig der Vergangenheit angehören.
Erwarteter Anstieg der Logiernächte
Obschon die Gäste aus China noch weitgehend ausbleiben, dürfte der Sommer 2023 für den Schweizer Tourismus ein guter werden. Die Ökonomen der Grossbank Credit Suisse rechnen etwa in den Monaten Mai bis August im Vergleich zum Vorjahr mit einem Wachstum der Logiernächte um 6 Prozent. Vor allem Gäste aus anderen asiatischen Ländern dürften das Geschäft in diesem Jahr ankurbeln. Das Aufholpotenzial sei gross, schreiben die CS-Ökonomen in einem veröffentlichten Bericht. Dies, nachdem wichtige Tourismusmärkte die Corona-Restriktionen gelockert hatten.
Vor allem die Besucherströme aus Indien haben laut der CS für die Schweiz an Bedeutung gewonnen und dürften weiter zulegen. Insgesamt sei mit einer Rückkehr zur Normalität zu rechnen. Ein Fragezeichen stellt die Bank hingegen hinter die Reiselust der US-Touristen, die Europa und die Schweiz bereits im letzten Jahr in grosser Zahl bereist hatten. Rezessionssorgen belasten die Stimmung der US-Konsumenten, was auch den Reiseverkehr belasten werde. Immerhin seien amerikanischen Gäste weniger preissensibel, womit die Aufwertung des Schweizer Frankens weniger ins Gewicht falle.
Stärker auf Wechselkursveränderungen reagieren laut den Experten Touristen aus Europa, besonders jene aus Deutschland. Dass der Euro-Franken-Kurs weiter unter Parität liege, werde für europäische Gäste wohl auch in 2023 eine abschreckende Wirkung haben. Die in der Schweiz gegenüber Europa schwächeren Inflationstrends dürften diesen Effekt abschwächen. Ein wichtiger Pfeiler für den Schweizer Tourismus bleiben laut der CS die inländischen Gäste. Da aber Schweizerinnen und Schweizer vermehrt wieder ins Ausland verreisen, gehen die Experten der Grossbank bei der heimischen Nachfrage von einem weiteren leichten Rückgang aus.