Mit Andreas Züllig und Christian Laesser haben wir für einmal zwei Exponenten im Schweizer Tourismus zum Gespräch geladen; einen Praktiker und einen Akademiker, die nicht immer einer Meinung sind, ihre Meinungsverschiedenheiten jedoch freundschaftlich austragen. Wir befinden uns kurz vor der durch die Corona-Krise geprägten Sommersaison, das grosse Werben um den Schweizer Feriengast ist in vollem Gange. Geld für Kampagnen ist vorhanden, aber wie gut sind diese in Ihren Augen?
Andreas Züllig (AZ): Grundsätzlich ist es wichtig, dass man den Schweizerinnen und Schweizern die Möglichkeit aufzeigt, in der Schweiz Ferien zu machen. Schliesslich reisten bis anhin zwei von drei Schweizern im Sommer ins Ausland. Leider gibt es noch immer starke Vorurteile, was Ferien im eigenen Land betrifft.
Welche Vorurteile?
AZ: Zu teuer, unfreundlich, abgewirtschaftete Hotels und Restaurants, entspricht nicht mehr den heutigen Bedürfnissen und so weiter. Aber dieses Bild stimmt einfach nicht. Darum ist es wichtig, mit Kampagnen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es hierzulande überhaupt gibt.
Christian Laesser (CL): Ich sehe ein, dass wenig Zeit zur Verfügung stand, um die Kampagnen zu lancieren. Das mag erklären, warum man auf alte, probate Mittel zurückgriff und nun mit vielen schönen, aber austauschbaren Bildern kommuniziert in der Hoffnung, potenzielle Gäste in ihren Entscheidungen zu beeinflussen. Hierzu benötigen diese aber nicht primär Unterhaltung, sondern mehr konkrete Angebote, die mitunter auch sehr kurzfristig buchbar sind. Kurz gesagt: Ich sehe viel vom Alten, Unspezifischen in einer Situation, wo Spezifisches gefragt wäre.
AZ: Grundsätzlich bin ich gleicher Meinung. Das Produkt sollte in den Vordergrund gestellt werden, das Erlebnis oder – segmentiert – die Erlebnisse, denn nicht alle Gäste haben dieselben Bedürfnisse. Was uns fehlt, ist die Infrastruktur, um zielgerecht vermarkten und verkaufen zu können. Wir haben keine Plattform, um derlei Packages anzubieten. In diesem Sinne sind wir relativ schwach aufgestellt.
CL: Da stellt sich die Frage, warum das so ist.
AZ: Die grossen Player wie Booking und Tripadvisor übernahmen den Lead, und wir liessen sie gewähren, bevor wir begriffen, dass wir selbst aktiv werden sollten.
CL: Das zeigt deutlich, dass das Verständnis für Tourismus in diesem Land immer noch von einer Logik des Konsumgütermarketings getrieben ist. Als ob man Coca-Cola vermarkten würde – aber das ist es mitnichten. Als Gast konsumiert man nicht einfach nur, sondern man gestaltet und produziert die eigenen Erlebnisse, unterstützt durch die Leistungsträger. Warum sehe ich zum Beispiel kein modulierbares Package für vier Schweizer Städte mal zwei Nächte oder eine Plattform für Kurzfrist-Packages?
Womöglich gäbe es die Angebote, aber der Kunde findet sie nicht?
CL: Ich befürchte, es gibt sie nicht einmal. Marketing wird vor allem verstanden als Promotion und Vertrieb; Produktgestaltung und Bepreisung stehen hinten an. Also zeigt man sehr viele Bilder, viel Bling-Bling.
Sie sind sich in diesen Fragen also im Grundsatz einig. Anders war es bei einem Thema, das Sie, Christian Laesser, kürzlich auch in unserer Zeitung zur Debatte stellten, nämlich die Nutzung des Umstands, dass Raum und Ressourcen knapper werden. Worum geht es Ihnen?
CL: Die knappste Ressource in den nächsten Monaten ist vor allem an privilegierten Lagen jener Raum, wo sich Menschen gemeinschaftlich aufhalten. Gerade jetzt, wo die normale Kapazität nicht ausgeschöpft werden kann, sollte man sich deshalb überlegen, wie man ihn bewirtschaften kann. Nun gibt es von akademischer Seite Denkanstösse, ob man mittels Bepreisung oder Schichten, wie es in der Gastronomie da und dort schon praktiziert wird, mehr Umsatz generieren könnte.
Andreas Züllig, was stört Sie an dieser Idee? Das tönt doch gut.
AZ: Tönt gut, ist aber eben ein typisch akademischer, im Elfenbeinturm ausgedachter Ansatz. Wir würden das sicher gerne machen, denn wenn ein Produkt knapp ist und die Nachfrage grösser als das Angebot, steigt der Preis – das ist der normale Markteffekt. Im Moment haben wir ein behördlich verordnetes verknapptes Produkt, aber auch behördlich verordnet eine verknappte Nachfrage. Die Rechnung geht deshalb schlicht nicht auf. Kommt dazu, dass man den Gast erst noch überzeugen muss, dass es einen zusätzlichen Wert hat, in einem Restaurant an einem Tisch zu sitzen und bedient zu werden. Dieses Verständnis oder die Wertschätzung fehlen schlichtweg. Essen und Trinken ist in den meisten Fällen ein Commodity-Produkt, das ein Grundbedürfnis abdeckt. Stellen Sie sich vor, wie der Gast reagiert, wenn er nach zwei Stunden für eine weitere Stunde 50 Franken zahlen müsste. Das gäbe nur rote Köpfe. [IMG 3]
Rote Köpfe gab es auch, als anno dazumal das Rauchverbot eingeführt wurde. Das ist schon längst kein Thema mehr.
AZ: Beim Rauchen geht es auch um einen selbst. Wenn ich meinen Betrieb auf der Lenzerheide betrachte, so ist jeder Gast diskussionslos bereit, für eine 50-minütige Kosmetik- oder Massagebehandlung 130 Franken zu zahlen. Weil er sich selbst etwas Gutes tut. Aber beim Essen oder etwa beim Kaffee diskutiert man um 10 Rappen Preisaufschlag. Da sieht man weder die Dienstleistung dahinter noch den Aufwand. Man will den Kaffee zu jeder Tageszeit, sofort, gut serviert und in guter Qualität.
Wie sieht es denn aus bei den Seilbahnen? Dort könnte man den Gästen doch vermitteln, dass es Mehrwert hat, nicht im Gedränge zu stehen.
AZ: Ich halte auch das für chancenlos. Transport ist ebenfalls ein Commodity-Produkt; die Beförderung von A nach B wird als selbstverständliches Dienstleistungsprodukt angesehen. Hohe Preise können nur sehr wenige exklusive Produkte wie etwa die Jungfraubahnen durchsetzen.
CL: Einverstanden, es braucht eine Zahlungsbereitschaft. Die Frage ist doch dann: Wie kann ich die hierfür notwendige Wertigkeit herstellen? Wenn ich bei den Bergbahnen nicht mehr anstehen muss, habe ich eine Wertigkeit im Sinne von Convenience. Ich möchte aber noch etwas weiter ausholen. Wenn ich nun nicht nur für die Zeit einen Preis verlange, sondern über ein Geschäftsmodell insgesamt nachdenke, könnte ich mir überlegen, das Produkt Essen und Sitzen zu entflechten und meinen schönen Raum oder etwa eine Terrasse für alle zu öffnen. Man könnte dort auch sitzen und das mitgebrachte Picknick konsumieren. [IMG 4]
AZ: Ich weiss nicht, ob ein Gast bereit ist, 100 Franken allein für einen Sitzplatz zu zahlen...
CL: Ich habe nie von 100 Franken gesprochen...
AZ: Aber das müsste man ja verlangen. Stellen wir uns vor, ich hätte eine Terrasse mit hundert Plätzen und versuchte, dieses Modell umzusetzen. Auch wenn es jedem Gast selbst überlassen bleibt, ob und wie er sich verpflegen will, müssen Köche und Servicemitarbeitende bereitstehen, weil eventuell hundert Gäste nicht mit dem Picknickkörbli ankommen, sondern Essen bestellen. Also macht man in der Küche das Mise en Place, hat alles produziert, und nun kommen hundert Leute mit Picknickkörbli. Dann stehen alle meine Mitarbeitenden herum und müssen trotzdem irgendwie bezahlt werden.
CL: Wenn Hundert mit Picknickkörbli kommen, hat deine Terrasse offenbar einen höheren Wert als deine Küche.
Es gibt das Bonmot: Never waste a crisis. Corona ist eine Chance, Geschäftsmodelle zu überprüfen oder weiterzuentwickeln. Wo setzen Sie die Schwerpunkte?
AZ: Der Trend zur Nachhaltigkeit war schon vor Corona da. Zumindest in der westlichen Welt sind die Menschen sensibilisiert für das Thema, wie wir mit unserer Welt umgehen. Die Wertschätzung für das Lokale, Saisonale, Regionale ist gestiegen, ebenso das Bedürfnis, dass man sich nicht schlecht fühlen und nichts Schlechtes tun will, wenn man konsumiert. Dieser Trend wird sich wegen Corona weiter verstärken. Das heisst, dass wir noch stärker auf Glocal-Produktion setzen müssen. Also global denken, aber lokal handeln. Die Globalisierung mit ihrer Vollkaskomentalität, mit der weit verbreiteten Haltung, es könne nichts mehr passieren, alles sei machbar, alles sei sicher – all das wurde durch Corona relativiert. Man ist nicht mehr so locker unterwegs wie bis anhin.
Sie glauben, dass Corona tatsächlich ein Umdenken fördert?
AZ: Ja, das Reisen wird sich verändern. Es muss nicht immer weiter, immer schneller, immer öfter sein. Man ist vorsichtiger, die Wertschätzung für das, was sich vor der eigenen Haustür befindet, nimmt zu. Und das ist die Chance, sich lokal zu positionieren.
CL: Wenn ich das höre, erinnere ich mich an meine Jugend. Ich habe eine intensive Reisekarriere hinter mir. Wenn ich das noch vor mir hätte, käme es mir vor, als würde ich auf eine Karriere verzichten müssen. Wenn die Mittel da sind, werden zumindest die Jungen wieder reisen wie zuvor, ganz klar.
Corona zeigt keine längerfristige Wirkung?
CL: Doch. Ich denke auch, dass Corona ein Katalysator ist, insbesondere bei der Digitalisierung. Hier werden wir eine Beschleunigung erleben. Jeder muss nach Möglichkeiten zur Produktionssteigerung suchen, um Kosten zu sparen, und da hilft Digitalisierung sehr, weil sie Prozesse verändern kann. Was die Nachhaltigkeitsthematik betrifft, so erlaube ich mir zu sagen, dass beispielsweise die Klimadebatte für mich eine Diskussion einer wohlbehüteten Generation ist. Nachhaltiges Verhalten ist einiges komplexer und problematischer. Sehr vieles, was ich an Gutem tue, bringt mir nämlich keinen eigenen Nutzen oder keine Kostenersparnis. Anders gesagt, die Gesellschaft profitiert davon, dass ich mich gut verhalte. Wir brauchten also mehr Anreize hierzu. Es gibt eine Ausnahme, und darum funktioniert es dort auch super, und das ist Food. Lokaler Food, gesunder Food, davon habe auch ich selbst einen Nutzen. Das ist eine lohnenswerte Stossrichtung, die sich nicht in elenden Diskussionen um die reine Ökolehre erschöpft ...
AZ: ...und mit der man auch Geld verdienen kann.
Eine weitere Thematik, die sich durch Corona dramatisch verändert hat, ist der Strukturwandel, insbesondere in der Hotellerie und Gastronomie. Soll das der Markt regeln, oder plädieren Sie für Eingriffe ins System wie etwa Ausstiegsprämien?
AZ: Das ist eine schwierige Frage. Grundsätzlich ist Strukturwandel in jeder Wirtschaft ein normaler Prozess. Der Markt reguliert das Angebot, und ich finde es gut, dass Tourismus etwa im Gegensatz zur Landwirtschaft ein Markt ist. Anders gesagt, man sollte die Fehler in der Landwirtschaft im Tourismus nicht wiederholen. Aber wir müssen aufpassen: Es gibt systemrelevante Angebote, die für ganze Regionen wichtig sind, weil der Mikrowirtschaftsraum ohne einen Hotel- oder Restaurationsbetrieb nicht existieren kann. Dann fehlt nämlich auch der Bäcker, der Metzger – und am Schluss veröden ganze Regionen. Dort, so meine ich, muss es Sache der öffentlichen Hand sein, diese Grundinfrastruktur zu erhalten. Auch eine Bergbahn kann systemrelevant sein, obwohl sie wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig ist. Sonst stimmt das Gesamtprodukt Tourismus nicht mehr.
Es braucht also eine gewisse Steuerung?
AZ: Es braucht eine gewisse Unterstützung, vor allem in der jetzigen Situation, wo unverschuldet ein Nachfrageeinbruch entstanden ist. Wenn ganze Regionen entvölkert werden, sind die Folgekosten viel höher.
CL: Ich denke genauso. Die alles entscheidende Frage ist, was oder wer in welchem Perimeter systemrelevant ist. Wenn man das aber einmal identifiziert hat, habe ich null Probleme damit, wenn zum Beispiel eine Gemeinde sagt, wir unterstützen einen systemrelevanten Leistungsträger wie eine Bergbahn. Gott sei Dank haben wir im Vergleich zu anderen Ländern bei uns demokratische Prozesse bis hinunter zu den Kommunen, wo eine Gemeinschaft entscheidet, wie sie ihre Steuermittel zur eigenen Wohlfahrt einsetzen will. Sie kann sich für einen für sie systemrelevanten Betrieb sogar verschulden, und niemand hat ihr dreinzureden – zumindest solange sie nicht Bankrott geht.
AZ: Die Kommunen sind gefordert, aber nicht nur sie. Auch die Zweitwohnungsbesitzer oder Zweitheimischen, wie man heute offenbar zu sagen hat, müssen Interesse haben daran, dass die Infrastruktur erhalten bleibt.
Zweitheimische?! Wir lernen dazu. Wie sieht es aus bei Kanton und Bund?
CL: Beim Kanton wird es problematischer. Denn wenn dort punktuell Gelder fliessen, könnte es unter Umständen wettbewerbsverzerrend wirken. Wenn aber der Kanton quasi subsidiär Mittel einer Gemeinde toppt, wobei die Gemeinden entscheiden, wäre auch das für mich legitim. Beim Bund wiederum finde ich es in Ordnung, Gelder für Kurzarbeit zu sprechen, weil für alle Empfänger dieselben Voraussetzungen gelten.
AZ: Vergessen wir nicht die CoronaKredite. Wir gerieten unverschuldet in die Situation, dass dem Tourismus über Nacht der Stecker rausgezogen wurde. Überbrückungskredite zur Existenzsicherung waren deshalb enorm wichtig, und es war Weltklasse, wie die Schweiz das gemeistert hat. Kein anderes Land hat so unbürokratisch und schnell Soforthilfe organisiert. Was bleibt, ist das Problem, dass ich die Liquidität, die ich für Investitionen angespart habe, fürs Überleben nutzen musste, was mittel- und langfristig meine Wettbewerbsfähigkeit schmälert. In unserem Betrieb zum Beispiel planten wir neue Badezimmer, was mich eine Million Franken kostet. Nun brauchte ich eine halbe Million an Liquidität, um die verlorenen vergangenen Monate zu überbrücken. Das ist gut die Hälfte der geplanten Investition. Es fragt sich also für Betriebe, die an und für sich gesund wären: Will man sie mit einem A-fonds-perdu-Beitrag unterstützen? Da muss der Bund noch nachlegen.
CL: Einverstanden. Ich würde die Argumentation sogar noch schärfen. Die Logik der Kreditvergabe passt in die Welt einer Güterproduktion mit Lagerhaltung als Puffer. Lager wachsen und nehmen ab. Eine Dienstleistung aber, die nicht erstellt wurde, ist für immer verloren. Darum ist eine Rückzahlung ungleich schwieriger, greift die blosse Kreditvergabe zu kurz. Es ist interessant, dass das in all den Diskussionen rund um die Corona-Kredite nie zum Thema wurde. Dabei ist die Schweiz eine ausgeprägte Dienstleistungsnation. Was die A-fonds-perdu-Beiträge angeht, lautet die Frage dann wieder, wie und an wen sie vergeben werden.
Was schlagen Sie vor?
CL: Ein radikaler Denkansatz wäre Helikoptergeld für den Dienstleistungssektor. Rechnen wir grob: Wir haben ein BIP von etwa 700 Milliarden, der Dienstleistungsanteil beträgt gut 70 Prozent. Dies ergibt ein Dienstleistungs-BIP von 490 Milliarden, geteilt durch zwölf Monate, ergibt eine Grössenordnung von gut 40 Milliarden pro Monat. Es wäre am einfachsten gewesen, den tiefsten Umsatz der letzten drei Jahre als Benchmark zu nehmen und diesen Betrag wenigstens für einen Monat nun auszuzahlen unter Verrechnung aller weiteren Forderungen.
AZ: Das wäre natürlich eine wunderbare Lösung – die Marge würde vom Staat gleich auch noch finanziert.
CL: Ich sagte: zeitlich beschränkt und auf Basis des schlechtesten Umsatzes.
AZ: Auch der schlechteste Umsatz hat noch irgendeine Marge. Aber wie auch immer: Politisch ist ein solcher Vorschlag absolut chancenlos. Helikoptergeld ist brandgefährlich für die Strukturerhaltung.
CL: Weshalb? Faktisch passiert es ja schon, denn viele Kredite werden wohl nicht zurückbezahlt.
AZ: Effektiv bezogen wurden nur 20 Prozent der gewährten Kredite. Das Ziel muss sein, schlussendlich ohne diesen Kredit auszukommen. Aber es gibt uns mehr Sicherheit, wenn der Bund das unternehmerische Risiko abdecken hilft.
Akademiker versus Praktiker: Wie nehmen Sie die jeweils andere Seite wahr?
AZ: Ich finde es an und für sich sehr bereichernd, dass unsere Tourismusbranche Leute wie Christian Laesser hat. Seine Beiträge regen zum Denken an, und es ist gut, wenn man immer wieder mit Thesen zum Marktgeschehen «gefüttert» wird. Aber ja, etwas praxisorientierter dürfte es manchmal schon sein. Manches spielt sich in einem zu akademischen, theoretischen Bereich ab und ist darum schwer nachvollziehbar.
CL: Ich würde eher sagen, wir reden oft nicht die gleiche Sprache, da wir in unterschiedlichen beruflichen Welten unterwegs sind und unterschiedliche Ansätze haben, mit Realitäten umzugehen. Das Letzte, was wir allerdings brauchen, ist pseudowissenschaftliches Geschwätz.
AZ: Der Unterschied besteht darin, dass wir es in unserer Realität tagtäglich mit Hunderttausenden von Kunden zu tun haben. In einem Modell lassen sich diese hunderttausend Individuen mit ihren Bedürfnissen nicht abbilden.
Modelle könnten jedoch in der Praxis überprüft werden.
CL: So ist es. Andreas, wenn du mir in diesem Sommer deine Terrasse zur Verfügung stellst, führe ich sehr gerne ein kleines Experiment zum Thema bepreister Platz durch.
AZ: Einverstanden. Ich stelle dir fünf Tische auf einer meiner Terrassen zur Verfügung. Es ist zwar nicht die Schönste, aber die Interessanteste, denn sie liegt direkt gegenüber der Posthaltestelle. (beide lachen)
So finden Theorie und Praxis zusammen. Eine letzte Frage: Von welchem Schweizer Tourismus träumen Sie?
AZ: Das Problem ist, dass für viele KMU-Betriebe, nicht nur im Tourismus, die Preise, die am Markt erzielt werden können, zu tief sind, um mittel- bis langfristig zu überleben. Ich wünsche mir deshalb einen Tourismus, wo die Wertschätzung seitens der Kunden da ist, damit wir den Preis bekommen, der für das Produkt angemessen ist. Dann können wir anständig leben und kontinuierlich investieren.
CL: Ich kann dem beistimmen, würde aber nicht nur von Wertschätzung, sondern auch von Wertschöpfung sprechen. Die Schweiz hat super Voraussetzungen: Wir sind wunderbar klein, sehr vielfältig, haben gute Infrastrukturen und gute politische Prozesse, die einen anhaltenden Frieden schaffen. Ich wünschte mir nur, dass wir mehr aus diesen Ressourcen herausholten, ohne sie zu übernutzen. Insbesondere im internationalen Tourismus müssen wir uns für mehr Wertschöpfung und die bessere Verteilung zu unseren Gunsten einsetzen. Ein Ansatz wäre, uns zu überlegen, wie man bündelt und wem man das Bündeln überlässt.
AZ: Das machen wir selber.
CL: Genau das ist der Punkt. Wir müssen es selber machen.