Konzernchef Dave Calhoun begründete den Schritt mit der derzeitigen Marktentwicklung. Der einst grösste Passagierjet der Welt hatte 1969 seinen Jungfernflug absolviert.
Überraschend kommt das Aus nicht – Boeing erwog schon seit Jahren, den früher als «Königin der Lüfte» gefeierten Jumbo wegen Nachfragemangels einzustampfen. Die Produktionsrate lag zuletzt bei mageren 6 Maschinen pro Jahr. Ausserdem wurde das Modell zuletzt praktisch nur noch in der Frachtversion gebaut – und in einer Sonderversion für den US-Regierungsjet Air Force One.
Stark angeschlagen und auf Sparkurs
Zudem ist der US-Luftfahrtriese schwer angeschlagen und muss sparen. Die Corona-Pandemie und das Debakel um den nach zwei Abstürzen mit Flugverboten belegten Krisenjet 737 Max haben Boeing tief in die roten Zahlen gebracht. Im zweiten Quartal stand unter dem Strich ein Verlust von rund 2,4 Milliarden Dollar (gut 2 Mrd Euro), wie der US-Luftfahrtriese mitteilte.
Vor einem Jahr hatten hohe Sonderkosten wegen des Unglücksfliegers 737 Max dem Konzern ein Rekordminus von 2,9 Milliarden Dollar eingebrockt. Der Umsatz fiel verglichen mit dem Vorjahreswert um ein Viertel auf 11,8 Milliarden Dollar.
Herausforderungen noch nicht ausgestanden
Boeing-Chef Dave Calhoun bezeichnete die vergangenen Monate in einem Memo an die Mitarbeiter als beispiellos und warnte, dass die Belastungen durch die Corona-Krise noch nicht vorbei seien. «Die Herausforderungen, denen wir als Unternehmen gegenüber stehen, sind nicht ausgestanden».
Der Quartalsverlust von Boeing fiel etwa doppelt so hoch aus wie von Analysten erwartet. Immerhin: Mit 5,3 Milliarden Dollar verbrannte der Konzern im abgelaufenen Vierteljahr im Tagesgeschäft weniger Geld als befürchtet.
Produktion von Langstreckenjets wird zurückgefahren
Jetzt will Boeing die Produktion seiner Langstreckenjets noch weiter zurückfahren. So sollen im kommenden Jahr monatlich nur noch sechs Exemplare des Langstreckenjets 787 «Dreamliner» fertiggestellt werden. Die Produktion der noch grösseren Boeing 777 und ihrer Neuauflage 777X soll auf zwei Maschinen pro Monat sinken.
Die Auslieferung der ersten 777X erwartet Boeing nun erst im Jahr 2022, damit wird die Premiere erneut verschoben. Die Produktion der 737 Max läuft derweil langsamer als geplant wieder an.
Viele Aufträge storniert
Während beim Unglücksflieger zuletzt immerhin die Hoffnung auf eine baldige Wiederzulassung stieg, dürfte die Corona-Krise den Luftverkehr und damit auch Boeing noch länger stark belasten. Im ersten Halbjahr stornierten Airlines zahlreiche Aufträge.
Angesichts der erneuten Corona-Eskalation in einigen US-Bundesstaaten und anderen Teilen der Welt ist keine rasche Erholung in Sicht. «Die Realität ist, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die Luftfahrt weiterhin schwerwiegend sind», erklärte Boeing-Chef Calhoun.
Unglücke haben am Image gekratzt
Hoffnung gibt es zumindest beim wichtigsten Modell 737 Max, das wegen zweier Abstürze mit insgesamt 346 Toten seit über einem Jahr nicht starten darf und nicht ausgeliefert werden kann. Hier rechnet das Boeing-Management mit einer baldigen Wiederinbetriebnahme, die US-Luftfahrtbehörde hatte zuletzt die Schlussphase des Verfahrens zur Wiederzulassung eingeleitet. Der Zeitpunkt ist dennoch unglücklich, denn ausgerechnet jetzt lässt die Corona-Pandemie die Nachfrage nach neuen Jets wegbrechen, so dass viele Bestellungen ungewiss sind.
Die 737-Max-Unglücke haben zudem das Vertrauen in Boeing erschüttert und enorm am Image des Unternehmens gekratzt, das bis zu den Abstürzen als erfolgsverwöhnter Vorzeigekonzern und Triebkraft der US-Wirtschaft galt. Als Unfallursache wurde in den bisherigen Untersuchungsberichten eine defekte Steuerungssoftware ausgemacht. Boeing steht im Verdacht, die 737 Max überstürzt auf den Markt gebracht und die Sicherheit vernachlässigt zu haben. Der Ruf dürfte sich auch bei einer Wiederzulassung so schnell nicht erholen. (awp sda dpa)