Christian Laesser ist Leiter des Forschungszentrums für Tourismus und Verkehr am Institut für systemisches Management und Public Governance an der Universität St. Gallen.
Verschiedene Medien haben über die Festtage über die sich immer weiter verbreitenden dynamischen Preissysteme bei Schweizer Bergbahnen berichtet. Einheitlicher Tenor der Journalisten und befragten Experten: Die Unternehmen sind in Sachen Pricing aufgewacht und stehen derzeit inmitten eines wahren Innovationsschubs.
[IMG 1] Im Kern versuchen die Bergbahnen, ihren Umsatz – abhängig von der Nachfrage – zu maximieren. Zwei zentrale Stossrichtungen bestimmen das Handeln. Erstens: Hohe Nachfrage – wie immer diese auch entsteht – möge in höheren Preisen (et vice versa) resultieren. Und zweitens: Gäste, welche zum frühzeitigen Kauf von Eintritten (ohne Refundierung) und damit zum Verzicht auf Optionen bereit sind («Verlust»), möge man mit unterschiedlichen Rabatten («Gewinn») auf ebendiese Preise belohnen. Diese Stossrichtungen, welche auf die Steuerung von Nachfrage und Erträgen abzielen, sind logisch und nachvollziehbar, greifen aber aus verschiedenen Gründen zu kurz.
Zum einen vernachlässigt man in einer solchen Art des Pricings die Wertorientierung, welche unterschiedliche Gästebedürfnisse im Fokus hat, statt nur preislich steuernd in das Geschehen einzugreifen. Ein Preis hat immer auch eine Positionierungsfunktion und ist ein wichtiges Signal für die Qualität und Quantität der Leistung. Früher oder später endet man mit einer allein nachfrageorientierten Denke in der Commodity-Ecke. Dort sind beispielsweise auch viele Airlines «gelandet»; sie versuchen nun fast krampfhaft, mithilfe von verkaufbaren und leistungsdifferenzierenden Zusatzleistungen aus dieser Ecke wieder herauszukommen (Stichwort: Mass Customization).
Zum anderen müssten auch Regeln rund um das Thema «Fair Pricing» vermehrt berücksichtigt werden. Einer Grossmehrheit der Gäste ist bewusst, dass Bergbahnen genug Erträge generieren müssen, um ihre sehr hohen Kosten decken zu können. Für Kunden spürbare Investitionen sollten beispielhaft und deshalb immer sichtbar kommuniziert werden («Wir bauen für Sie …»).
Ein primär auf die Abschöpfung von hoher Nachfrage wahrgenommenes Pricing wird in der Regel jedoch als unfair empfunden, insbesondere wenn Kapazitäten technisch nicht limitiert sind oder ganz bewusst – aus welchen Gründen auch immer (beispielsweise zur Verhinderung von Überfüllung) – limitiert würden (in Hotels oder auch Airlines beispielsweise liegt eine technische Limitierung durch die Zahl der Zimmernächte bzw. Zahl der Sitzkilometer vor). Fehlt eine solche Kapazitätsbegrenzung und damit ein -anker, sollte ein Preisanker in Form eines Cap-Preises (Höchstpreis) gesetzt werden, da sonst – im ungünstigsten Fall – hohe bezahlte Preise sogar als Nachfrageprämie (also -zuschlag und damit «Verlust») interpretiert werden könnten.
Diese Anker- oder Höchstpreise können transaktional (beispielsweise eine an der Kasse gekaufte Tageskarte) oder auch relational (beispielsweise Saison- oder Jahrespass) ausgestaltet sein. Sie müssen sorgfältig gewählt (allenfalls unterschiedlich nach Gästesegmenten) und sodann breit kommuniziert werden, aus zwei Gründen: Zum einen wird ein Angebot positioniert (Leistung und Preis; vgl. Wertorientierung im Pricing), zum anderen wird den Gästen ein externer Referenzpreis kommuniziert, zu welchem sie ihre individuell bezahlten Preise (Rabattierung) in Bezug setzen können (bei vielen Wintersportangeboten sehe ich Referenzpreise, wenn überhaupt, erst spät im Buchungsprozess).
Das Setzen eines solchen Referenzpreises und von Rabattierungsmechanismen stellt deshalb eine wahrlich strategische Herausforderung dar. Es ist letztlich ein Optimum zu finden zwischen Wertorientierung / Positionierung und Nachfragesteuerung, wobei aus der Kombination dieser beiden Orientierungen zwei extreme Welten denkbar sind: Tiefer Höchstpreis, wenig Rabattierung vs. hoher Höchstpreis, viel Rabattierung.
Die Ideallösung, nämlich preisliche Nachfragesteuerung kombiniert mit einem wertbasierten Pricing, müsste konsequenterweise in einer künstlichen Limitierung des Zugangs zu einem Wintersportgebiet resultieren. Man darf gespannt sein, welche Bergbahn als Erste den Nerv hat, nicht nur die Zahl der rabattierten Tageszugänge in ein Wintersportgebiet zu limitieren, sondern den Zugang insgesamt und damit das Pricing vermehrt auch auf die Bewirtschaftung vorab festgelegter Kapazitäten auszurichten.