Smart-Pricer-CEO und -Gründer Christian Kluge referierte am 19. Märzanlässlich des 28. Tourismusforums Alpen­regionen im «Waldhaus» Flims zuDynamic Pricing. Im Interviewmit der htr ­erklärt Kluge, warum Dynamic Pricing auch für Bergbahnen Sinnmacht.

Christian Kluge, was ist eigentlich DynamicPricing?
Dynamic Pricing bedeutet, dass ein Preisfür ein Gut oder eine Leistung nicht immer fix ist und sich an der Nachfrageorientiert. Es gibt verschiedene Nachfrageindikatoren, bei den Bergbahnen zumBeispiel der Saisonverlauf des Vorjahres, der aktuelle Stand der Vor­verkäufe,das Wetter oder die aktuelle Anzahl Website-­Besucher, die sich gerade einbestimmtes Angebot ansehen. Anhand dieser Faktoren können die Bahnbetreiber abschätzen,wie viele Leute an einem gegebenen Tag an den Berg kommen werden, und passendementsprechend ihre Preise an. Ist wenig los, setzen sie die Preise tiefer an,wenn mehr los ist, höher.

Was haben die Bergbahnen von DynamicPricing?
Mit einer Preisanpassung nach unten kannein Betrieb mehr Nachfrage generieren, zum Beispiel an Tagen mit schwacherAuslastung. An stark ausgelasteten Tagen kann die Bahn die Preise nach obenanpassen und damit die Zahlungsbereitschaft der Kunden abschöpfen. Beides mit demZiel, den Umsatz zu steigern. Das ist der kommerzielle Hintergedanke.Zusätzlich kann die Bahn Frühbucher belohnen. Wenn mehr Kunden früher buchen,weiss die Bahn früher, wie viele Besucher zu erwarten sind. Das hat mehrereVorteile: Der Cashflow findet früher statt, das Wetterrisiko wird verringert,die Personalplanung wird erleichtert. Ausserdem braucht man weniger Personal anden Kassen und kann es ander­weitig einsetzen, etwa um das Kundenerlebnis zuverbessern oder für die Instandhaltung. Letztendlich muss jeder Betrieb selberentscheiden, ob er die Preise nach unten, nach oben, oder in beide Richtungenanpassen will. Wir empfehlen eine Anpassung in beide Richtungen.

Am 28. Tourismusforum Alpenregionen in Flimstraten Sie als Referent auf. Sie sagten, dass in der Schweiz Dynamic Pricingoft mit Preisdumping verwechselt werde. Woher stammt dieses Missverständnis?
Nach drei schweren Wintern mitBesucherrückgängen kämpfen die Schweizer Bahnen um Marktanteile. Dieser Kampfwird neuerdings auch preislich ausgetragen – leider oft nur nach unten, stattin beiden Richtungen.

Wo steht die Schweizer Bergbahnbranche inSachen Dynamic Pricing im internationalen Vergleich?
Ich würde sagen an zweiter Stelle. In denUSA ist Dynamic Pricing beim Skifahren längst normal. Dort existiert aber auchmeistens keine scharfe Trennung zwischen Bergbahnbetreiber,Tourismusorganisation, Hotels und Restaurants vor Ort. Mega-Resorts sind dieRegel, ähnlich wie in Flims Laax Falera oder Andermatt, wo fast alles aus einerHand kommt. In der Hotellerie existiert Dynamic Pricing seit 20 Jahren. Durchdie betriebliche Verknüpfung gibt es Dynamic Pricing bei den Skitickets in denUSA deshalb schon länger als in der Schweiz.

Und in Europa?
Die Schweiz ist aus unserer Sicht imAlpenraum Vorreiter. Der Handlungsdruck war nach drei harten Wintern in derSchweiz am grössten. Langsam wacht allerdings auch Österreich auf, wo man sichnoch auf den Pfründen der letzten Jahre ausruht.

Für welche Betriebe ist Dynamic Pricingsinnvoll?
Dynamic Pricing macht immer dann Sinn,wenn man eine fixe Kapazität hat – zum Beispiel einen Lift, der den Berghochfährt, oder ein Hotel mit einer bestimmten Anzahl Betten – und diese fixeKapazität auf eine variable Nachfrage mit steigenden und sinkendenBesucherzahlen trifft. Eine starke Auslastung macht es zwar leichter, anSpitzentagen die Preise anzuziehen, ist aber keine zwingend nötigeVoraussetzung für Dynamic Pricing. Unsere Kinokunden wie zum Beispiel AMC-UCIKinowelt, die grösste Kinokette weltweit, oder Cinemapark, der Marktführer inRussland, machen Dynamic Pricing, obwohl ihre durchschnittliche Auslastung nurbei 15 – 25 Prozent liegt. Dennoch können sie so 4 – 6 Prozent mehr Umsatzgenerieren, indem sie die Preise nach unten, aber eben auch nach oben anpassen.

Warum kommen die Berg­bahnen erst jetzt aufden Geschmack?
Neue Preismodelle entstehen grundsätzlichin Märkten, die besonders gross sind. Deshalb hat dieDynamic-Pricing-Ent­wicklung im Airline-Markt ihren Anfang genommen. AmericanAirlines, eine der grössten Airlines der Welt, hat es vor 30 Jahren als Ersteeingeführt. Das ist kein Zufall. Der Umsatz des Unternehmens ist so gross, dasseine Steigerung um nur wenige Prozent genug Kapital abwirft, um die Kosten fürEntwicklung und Einführung eines Dynamic-Pricing-Systems schnell zuamortisieren. In kleineren Märkten wie der Bergbahnbranche generiert eineUmsatzsteigerung von ein paar Prozent dagegen nicht solch grosse Summen. Auchhier sind es meistens die Grossen, die eine Pionierrolle übernehmen und neue Modelle entwickeln,und es dauert dann eine Weile, bis diese Weiterentwicklung auch bei denkleineren Bahnen ankommt. Aber es gibt auch Ausnahmen, wie die Beispiele Pizolund Belalp beweisen.

Für wen kommt Dynamic Pricing nicht in Frage?
Eine Dynamisierung der Preise machtgrundsätzlich für jeden Sinn. Selbst wenn ich ein kleiner Player bin, kann ichdarüber nachdenken, Vor-, Haupt- und Nebensaisonpreise einzuführen. Ich kannauch darüber nachdenken, an starken Tagen mehr zu verlangen als an schwachen.Da gibt es viele Möglichkeiten, und es brauchen nicht immer tagesaktuelleAnpassungen zu sein. Zumindest ein variables Pricing macht auch für kleineBetriebe Sinn. Wenn man es richtig macht, bewirkt Dynamic Pricing immer eineUmsatz­steigerung von einigen Prozent. Je mehr Umsatz ein Unternehmengeneriert, desto mehr lohnt sich auch der Aufwand für die Einführung vonDynamic Pricing. Der zweite Faktor ist Auslastung: Wenn man irgendwo zweiStunden Schlange stehen muss, dann ist der Druck immens, Dynamic Pricingeinzuführen, auch weil die Kunden verärgert sind. Je näher du an deinerKapazitätsgrenze bist, je voller deine Lifte, je länger die Schlangen an deinenKassen, desto eher macht es Sinn, Dynamic Pricing einzuführen.


Das Berliner Start-up Smart Pricer ist spezialisiert auf die Entwicklungvon Dynamic-­Pricing-Lösungen in den Bereichen Ski, Sport, Kino undEntertainment. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem mehrere deutscheSportvereine und internationale Kinoketten. Mit der Zermatt Bergbahnen AGkooperiert das Unternehmen erstmalig mit einem Schweizer Betrieb. Mehr zum Zermatter Dynamic Pricing erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe (5. April 2018) der htr hotel revue (nur für Abonnenten).