Im Gedenken an den im Mai verstorbenen «Monsieur Cinéma» zeigte das Festival zum Auftakt den Kurzfilm «Lettre à Freddy Buache» von Jean-Luc Godard aus dem Jahre 1982. Buache war langjähriger Direktor der Cinémathèque suisse und von 1966 bis 1970 Co-Leiter des Locarno Festivals.
Am Eröffnungsabend feierte zudem die italienische Tragikomödie «Magari» ihre Weltpremiere auf der Piazza Grande. Regisseurin Ginevra Elkann erzählt die kurvenreiche Familiengeschichte aus der Perspektive der achtjährigen Alma, die davon träumt, dass die geschiedenen und zerstrittenen Eltern doch wieder zusammenfinden.
Locarno als Symbol für Mut und Freiheit
Die 72. Festivalausgabe steht erstmals unter der künstlerischen Leitung von Lili Hinstin. Die 42-jährige Französin will die Tradition von Locarno fortführen, wo Publikumswirksamkeit und Experimentierfreude nebeneinander Bestand haben sollen.
Locarno sei für sie ein «Symbol für Wagemut, Originalität und Freiheit», sagte Hinstin am Eröffnungsempfang am frühen Abend. Bundesrat Alain Berset lobte seinerseits die Affinität Locarnos «zum Anderen, zum Neuen, Unkonventionellen und zum Widerständigen.» Das sei gut so, «denn solche Konfrontationen verändern unsere Weltsicht».
Im Internationalen Wettbewerb, der am Donnerstag startet, konkurrieren 16 Werke, darunter ein Dokumentarfilm aus Syrien, um den Goldenen Leoparden. Aus der Schweiz hat es einzig der 34-jährige Westschweizer Basil da Cunha mit «O Film do Mundo» in die Auswahl geschafft.
Neuster Tarantino auf der Piazza Grande
Herzstück des Locarno Festivals und Publikumsmagnet bleibt das allnächtliche Freiluftkino mit 8000 Plätzen auf der Piazza Grande. Erster Höhepunkt ist am Samstag Quentin Tarantinos «Once Upon a Time.... in Hollywood», der nach seiner Premiere in Cannes nun Mitte August in die Kinos kommt.
Neu laufen die zweiten Filme des Piazza-Abends unter dem Titel «Crazy Midnight». Hinstin will damit vermehrt ein junges Publikum ansprechen. In dieser Sektion ist der einzige Schweizer Piazza-Film zu sehen: die schräge Komödie «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» von Natascha Beller. Weitere Schweizer Filme laufen in der Sektion «Cineasti del presente»: «L'île aux oiseaux» von Maya Kosa und Sergio da Costa sowie «Love me Tender» von Klaudia Reynecke.
Ausser Konkurrenz feiert am Samstag der neue Spielfilm von Samir Weltpremiere: «Baghdad in my Shadow». Mit Spannung erwartet wird zudem das Werk «Wir Eltern» des Regisseurs Eric Bergkraut und seiner Lebensgefährtin, der Autorin Ruth Schweikert. Das Paar zeigt eine persönliche Doku-Fiktion, in der auch die drei Söhne mitspielen.
In der unabhängig vom Festival programmierten Kritikerwoche läuft «Shalom Allah». Darin porträtiert der Zürcher Filmemacher David Vogel zum Islam konvertierte Schweizer und stellt sich dabei die Frage, weshalb er selber zur jüdischen Religion auf Distanz gegangen ist.
Leoparden für Hilary Swank und Fredi Murer
In der zweiten Festivalwoche erhält der Schweizer Regisseur Fredi M. Murer auf der Piazza einen Leoparden für sein Lebenswerk. Ein weiterer Ehrenleopard geht am Freitagabend an die US-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Hilary Swank («Million Dollar Baby»).
Zu den illustren Gästen auf der Piazza Grande gehört darüber hinaus der südkoreanische Kult-Schauspieler Song Kang-ho («Parasite»). Er erhält den diesjährigen Excellence Award. (sda)