Christian Laesser ist Professor für Tourismus und Dienstleistungsmanagement an der Uni St. Gallen:
Nachhaltigkeit ist bekanntlich kein neues Konzept und die Schweiz mehr als nur ein Hidden Champion – aus drei Gründen: 1) Ressourcenarmut schafft ein kollektives Bewusstsein für natürliche Begrenzungen, 2) unternehmerisch geschaffener Wohlstand ermöglicht weitreichende Handlungsspielräume und 3) direkte Demokratie und unsere politischen Prozesse stellen politische Inklusion und geordnete Möglichkeiten der «Konfliktlösung» zwischen divergierenden Interessen sicher.
So haben wir in diesem Land in der Vergangenheit denn auch schon massgebliche ökologische Verbesserungen gesehen. Auch wenn Leistungsträger, insbesondere bei Investitionen, bisweilen mit den Zähnen knirschen: Gerade der Tourismus kann heute vom Resultat des Ausgleichs zwischen Nutzungs- und Schutzinteressen profitieren. Einzig über die Verfahren müsste man mal ernsthaft reden.
Zwei Herausforderungen bleiben jedoch bestehen:
1) Dekarbonisierung und 2) wirtschaftliche Nachhaltigkeit
Die Dekarbonisierung der Unternehmen ist, dank verschiedener finanzieller Anreize, am Laufen. Die unternehmerische Logik, Verbesserung des Unternehmensergebnisses, fördert hier rationale Entscheidungen. Programme wie «Swisstainable» werden diesen Wandel zusätzlich unterstützen.
Reisen ist ein emotional aufgeladener Zustand mit wenig Bereitschaft für Verhaltensänderung.
Anders bei den Gästen: Ferien & Reisen ist ein emotional aufgeladener Sonderzustand, welcher wenig Bereitschaft für Verhaltensänderungen offenbart. Die Zahlungsbereitschaft für mehr Nachhaltigkeit im Konsum ist darüber hinaus beschränkt, ausser der Nutzen aus diesem Verhalten fällt einem selbst zu. So werden denn bspw. freiwillige CO2-Kompensationen wenig genutzt; Gäste freuen sich dagegen über ein «lokales» und biologisches Frühstücksbuffet. Wahrer Eco Travel – ein vielfach proklamierter «Trend» – wird bestenfalls vor Ort und wenn die Gäste «dekarbonisiert» mobil sind, möglich sein.
Herausfordernd ist zudem, dass Verantwortung und Kostenübernahme für das eigene nachhaltigere Verhalten oft bequem an die Anbieter delegiert werden. Dies zeigt aber den Weg in die Zukunft auf: Es müssen seitens der Anbieter effektive und effiziente und für die Gäste bequeme, kostengünstige Wege zur Dekarbonisierung im individuellen Verhalten gefunden werden. Für diese eierlegende Wollmilchsau wird es allerdings beträchtlichen finanziellen Spielraum brauchen.
Es müssen effektive und effiziente Wege zur Stärkung der Margen gefunden werden.
Touristische Leistungen sind oft margenschwach und werden wirtschaftlich nicht wirklich nachhaltig erstellt. Zusätzlich ist die zeitgerechte und zeitgemässe Erneuerung des Sachvermögens nach der Pandemie jetzt vielerorts gefährdet. Es droht ein Szenario, wonach sich die geringen Margen aufgrund zunehmender Lohnkosten wegen Arbeitskräftemangel und Kapitalkosten wegen erhöhten Kapitalbedarfs weiter verringern. Es müssen deshalb effektive und effiziente Wege zur Stärkung der Margen gefunden werden.
Ein erster Ansatz – quasi die Pflicht – besteht in gemeinsamen kostensenkenden Anpassungen von Backoffice-Prozessen sowie der Margenstärkung beim Design von Dienstleistungen und deren Gehalt. Unternehmensübergreifende Geschäftsmodelle, welche gleichermassen Kosten senken und Einnahmen stärken können, sind sodann die «Kür», bedingen aber vielfach eine abgestimmte strategische Investitionsplanung. Doch wenn hierbei auch Massnahmen zur Dekarbonisierung im Gästeverhalten eingebaut werden können, umso besser.