Schwerpunkt des 24-stündigen Ausstands war Deutschland mit 250 abgesagten Verbindungen und 42.000 betroffenen Passagieren. «Wir wollen eine ganz klare Botschaft nach Dublin senden: 'Ryanair must change.'», sagte Ingolf Schumacher, Vorsitzender Tarifpolitik der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit. Ryanair bezeichnete den Streik als «bedauerlich und ungerechtfertigt.» Der Konzern erwartet, dass der Flugbetrieb nach dem Ende des Protests, der in Deutschland bis Samstagmorgen um 02.59 Uhr dauern soll, wieder planmässig abgewickelt werden kann.
Im Streit um eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen legten am Freitag auch Piloten in Belgien, Schweden und Irland die Arbeit nieder. In den Niederlanden konnten nach Ryanair-Angaben alle Flüge planmässig stattfinden, obwohl das Unternehmen vor Gericht mit dem Verbot des Streiks gescheitert war. Der Ausstand durchkreuzte die Reisepläne von insgesamt 55.000 Passagieren in Europa. Der irische Konzern, der sich jahrzehntelang Tarifgesprächen verweigerte, wird immer öfter Ziel von Streiks. Erst vor zwei Wochen musste das Unternehmen wegen eines zweitägigen Ausstands der Flugbegleiter in Spanien, Portugal, Italien und Belgien 600 Flüge streichen. Mit den abgestimmten Arbeitskämpfen für höhere Löhne gerät das Geschäftsmodell von Ryanair unter Druck.
Die Fluglinie hat mit ihren Kampfpreisen die Branche umgekrempelt und ist zur profitabelsten Airline in Europa aufgestiegen. Nach Unternehmensangaben kostete das durchschnittliche Ryanair-Ticket zuletzt knapp unter 39 Euro. Konzernchef Michael O'Leary hat sich lange erbittert gegen Gewerkschaften gewehrt. Er würde lieber seine Hand abhacken als Gewerkschaften anerkennen, wurde O'Leary einst zitiert. Erst nach massivem Druck akzeptierte Ryanair im Dezember erstmals Gewerkschaften. Seitdem wurden in den Tarifverhandlungen keine Ergebnisse erzielt.
Langwieriger Arbeitskampf droht
«Wir müssen damit rechnen, dass das ein sehr langwieriger Arbeitskampf wird», sagte Pilotenvertreter Schumacher. Ryanair müsse eine verbessertes Tarifangebot vorlegen. Das werde nicht ohne höhere Personalkosten gehen, die Ryanair bislang kategorisch ausgeschlossen habe. Die Gewerkschaft beklagt, die Ryanair-Piloten würden deutlich schlechter bezahlt als bei der Konkurrenz und müssten viele der Kosten selbst tragen, die andere Gesellschaften für ihre Piloten übernehmen. Der Billigflieger argumentiert dagegen, die Piloten erhielten mehr Geld als bei der Lufthansa-Billigtochter Eurowings oder beim norwegischen Billigflieger Norwegian. Ryanair will bis Herbst eine Lösung in dem Tarifkonflikt finden. Gleichzeitig betonen die Iren, dass sie nicht an ihrem Geschäftsmodell rütteln wollen. «Wir werden nicht zur Lufthansa werden», hatte Ryanair-Manager Peter Bellew, der an den Verhandlungen mit den Piloten beteiligt ist, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Frankfurt gesagt.
Ungemach droht dem Billigflieger aber auch von der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo: «Auch seitens der Kabine bereiten wir uns auf eine harte, aber konstruktive Tarifauseinandersetzung mit Ryanair vor», kündigte Ufo-Tarifexperte Steffen Frey an. Passagiere am Frankfurter Flughafen zeigten grösstenteils Verständnis für den Streik mitten in der Urlaubszeit. «Wenn sie irgendwann streiken, wo es niemanden betrifft, geht es ja am Ziel vorbei», sagte Alexander Kusto, der mit Ryanair eigentlich nach Malaga fliegen wollte, zu Reuters TV. «Es ist irgendwie ein bisschen ungerechtfertigt, dass die Piloten den Kürzeren ziehen, nur weil Menschen günstig fliegen möchten», sagte Fluggast Daniel Flamman.
Ryanair droht mit Stellenabbau
Der Arbeitskampf wird mit harten Bandagen ausgefochten. In Irland warnte die Fluglinie Ende Juli 300 ihrer Piloten und Flugbegleiter vor einem Stellenabbau infolge der Streiks. Nach den zahlreichen Flugausfällen seien die Buchungen in Irland für die Wintersaison eingebrochen. Dennoch legten die irischen Piloten am Freitag bereits zum fünften Mal die Arbeit nieder.
Auch aus Deutschland könnten Flugzeuge abgezogen werden, falls die Buchungen zurückgehen, hatte Bellew gewarnt. Bislang habe man aber keine Auswirkungen auf das Buchungsverhalten bemerkt und wolle in Deutschland weiter wachsen, sagte Vertriebschef Kenny Jacobs. Ryanair beschäftigt nach eigenen Angaben gut 480 Piloten in Deutschland und fliegt 16 deutsche Flughäfen an. (awp sda reu)