Geschlossene Grenzen, geschlossene Schulen, Kitas, Geschäfte: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach von «Massnahmen, die es so in unserem Lande noch nicht gegeben hat». In Deutschland sind bislang knapp 8600 Infektionen mit dem neuen Coronavirus bekannt. Das geht aus einer Auswertung der Nachrichtenagentur DPA hervor.
Besonders hohe Zahlen haben Nordrhein-Westfalen mit mehr als 3300, Bayern mit mehr als 1300 und Baden-Württemberg mit mehr als 1100 Fällen. 23 Menschen sind bislang gestorben, zwei weitere Deutsche nach Auskunft des Robert Koch-Instituts während einer Reise in Ägypten. Mehr als 100'000 deutsche Touristen sind jedoch wegen der Coronakrise im Ausland gestrandet. In vielen Ländern hindern geschlossene Grenzen und gekappte Flugverbindungen sie an der Rückkehr nach Hause.
Die Regierung kündigte daher am Dienstag Rückholflüge an, für die sie bis zu 50 Millionen Euro ausgeben will. Betroffen sind vor allem deutsche Touristen in Marokko, der Dominikanischen Republik, den Philippinen, Ägypten, auf den Malediven, Malta und in Argentinien.
Frankreich verteilt Bussgelder
In Frankreich gilt seit Dienstag eine Ausgangssperre. Die Menschen dürfen das Haus nur noch verlassen, um einzukaufen oder zum Arzt oder zur Arbeit zu gehen. Auch Sport sei unter bestimmten Bedingungen möglich.
Die Einschränkungen sollen für mindestens 15 Tage gelten. Mehr als 100'000 Sicherheitskräfte sollen die Ausgangssperre überwachen. Bei Verstössen drohen 38 Euro Bussgeld. Es könnte aber bald auf 135 Euro erhöht werden, heisst es.
Präsident Emmanuel Macron sagte: «Wir sind im Krieg». Daher soll im Hexagon die Armee zum Einsatz kommen, um Kranke aus stark betroffenen Regionen zu verlagern und die dortigen Krankenhäuser zu entlasten. In Frankreich meldeten die Gesundheitsbehörden zum Wochenbeginn 6633 Coronavirus-Fälle. Bisher sind 148 Menschen an Covid-19 gestorben.
London lässt Schulen offen
Bisher eher zurückhaltend handelte hingegen Grossbritannien. Die Regierung in London will mit kleineren Schritten verhindern, dass der Ausbruch zu stark unterdrückt wird und im Herbst mit voller Wucht zurückkehrt.
Schliessungen von Schulen oder Bars wurden bisher nicht angeordnet. Premierminister Boris Johnson hat die Menschen aber dazu aufgerufen, unnötige soziale Kontakte, Reisen oder den Besuch von Massenveranstaltungen zu vermeiden. Zum Wochenbeginn waren in Grossbritannien mehr als 1500 Infizierte registriert, das Gesundheitsministerium meldete 53 Tote.
In Europa am stärksten betroffen von der Pandemie ist bisher Italien. Die Zahl der Toten liegt mittlerweile bei mehr als 2000, die der bestätigten Infektionen bei rund 28'000. Das öffentliche Leben ruht im Land nun schon seit längerer Zeit.
Die Menschen dürfen ihre Wohnungen nur verlassen, um das Allernotwendigste zu erledigen. Fast alle Läden mit Ausnahme jener zur Versorgung sind zu, Bars und Restaurants ebenfalls. Italien hatte diese Massnahmen allerdings in mehreren Schritten über längere Zeit gestreckt eingeführt. In anderen Ländern wurden sie – wohl auch mit Blick auf die Erfahrungen in Italien – schneller umgesetzt.
Spanien setzt Drohnen ein
In Spanien gilt seit Sonntag eine Ausgangssperre. Zur Überwachung setzt die spanische Polizei auch Drohnen ein. In Madrid, der in Spanien von der Coronavirus-Krise am stärksten betroffenen Region des Landes, sind mit Lautsprechern ausgestattete Fluggeräte im Einsatz. Die Menschen werden damit aufgefordert, zu Hause zu bleiben.
Seit Inkrafttreten der Ausgangssperre sind die Strassen in Madrid und ganz Spanien nahezu leer. Die Menschen dürfen auch hier nur noch aus dem Haus, um Lebensmittel einzukaufen oder zur Apotheke, zum Arzt und zur Arbeit zu gehen. Den Hund ausführen ist auch erlaubt. Nach Italien ist Spanien in Europa am stärksten betroffen. Die Zahl der Infizierten ist am Dienstag auf mehr als 11'000 geklettert. Es gibt bereits fast 500 Tote.
Seit Wochenbeginn hat Österreich die Bewegungsfreiheit seiner Bürger stark eingeschränkt. Skigebiete, Restaurants, Bars und Geschäfte – bis auf wichtige Läden, wie Supermärkte oder Apotheken
– sind geschlossen.
Die neun Millionen Einwohner sollen Häuser und Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen, zum Beispiel zur Arbeit oder für dringende Besorgungen, wie den Einkauf von Lebensmitteln. Spaziergänge sind aber weiter möglich, allerdings sollen sich nirgends mehr als fünf Menschen gleichzeitig aufhalten.
Auf den Strassen patrouilliert Polizei, um das zu überwachen. Wenn sich jemand Anweisungen widersetzt, drohen hohe Bussgelder. Die Massnahmen sind zunächst auf eine Woche befristet. Österreich meldete am Dienstag 1132 bestätigte Coronavirus-Fälle. Bisher sind dort drei Menschen an den Folgen der Infektion gestorben.
Notstand jetzt auch in Luxemburg
In Europa ergreifen immer mehr Länder solche drastischen Massnahmen. So verhängte am Dienstag Luxemburg den Notstand. Bosnien rief den Ausnahmezustand aus. Solche Regelungen geben Regierung und Behörden zusätzliche Durchgriffsrechte und ermöglichen Massnahmen, die auch bestehendem Recht widersprechen können.
In Israel soll im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus auch Überwachungstechnologie zum Einsatz kommen, die sonst für die Terrorbekämpfung genutzt wird. Nach Medienberichten sollen etwa die Handys von Kranken und Verdachtsfällen geortet werden, um angeordnete häusliche Quarantäne zu überwachen. Israel will ausserdem leerstehende Hotels umfunktionieren, um leicht erkrankte Patienten unterzubringen. Das öffentliche Leben ist stark eingeschränkt.
Seit Dienstag darf keiner mehr ans Meer, in öffentliche Parks, auf Spielplätze und in Einkaufszentren. Infiziert haben sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums mehr als 300 Personen. Todesfälle wurden bisher nicht erfasst. Tausende Menschen sind in Heimquarantäne.
US-Grenzen für Europäer dicht
Die USA haben ihre Grenzen für Einreisen aus Europa geschlossen. Nur Amerikaner und Personen mit einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis und deren Angehörige dürfen in die Vereinigten Staaten zurück, müssen sich aber einer Gesundheitskontrolle unterziehen und sind aufgerufen, sich in eine 14-tägige Selbstquarantäne zu begeben.
Über weitere konkrete Massnahmen entscheiden die Einzelstaaten in den USA selbst. US-Präsident Donald Trump rief die Amerikaner dazu auf, Ansammlungen von mehr als zehn Menschen zu vermeiden, auf nicht notwendige Reisen und auf Besuche von Bars und Restaurants zu verzichten. In den USA wurden bislang mehr als 3000 Infektionen mit dem Virus nachgewiesen, es gibt mehr als 60 Todesfälle.
Auf den Philippinen ordnete Präsident Rodrigo Duterte am Dienstag einen sechsmonatigen Notstand an. Die Massnahme soll nach Angaben der Regierung eine schnellere Bereitstellung von Geldern und Ressourcen während der Pandemie ermöglichen.
Die Hauptinsel Luzon, auf der mehr als die Hälfte der über 100 Millionen Einwohner des Landes leben, wurde für einen Monat abgeriegelt. Von Freitag an dürfen keine internationalen Flüge mehr starten oder landen. Inlandsflüge wurden bereits eingestellt. Das Gesundheitsministerium vermeldete am Dienstag insgesamt 187 Infektionen. Bisher sind auf den Philippinen mindestens 12 Menschen an der Krankheit gestorben. (sda dpa)