In regelmässigen Abständen führt der Schweizerische Nationalpark (SNP) Befragungen seiner Gäste durch, um deren Zusammensetzung, Motivation, Erfahrungen und Meinungen besser kennenzulernen. Nach 2006, 2012 und dem pandemiegeprägten Jahr 2020 wurden die Gäste 2023 wieder mittels Fragebogen auf Rastplätzen im SNP befragt.
Norman Backhaus, Professor am Geografischen Instituts der Universität Zürich, und Mitarbeitende des SNP führten dieses Projekt in Zusammenarbeit durch und werteten die Antworten aus.
Normalisierung nach zwei Covid-Jahren
In der Pandemie-Saison 2020 hatten fast 50 Prozent mehr Gäste den SNP besucht. Diese waren im Schnitt jünger, SNP-unerfahrener und häufiger in der Schweiz wohnhaft als in früheren Befragungen. Im Jahr 2023 zeigte sich, dass dieses neue Gästesegment eher eine vorübergehende Erscheinung war. Sowohl Zahlen als auch Alterszusammensetzung der Gäste näherten sich wieder dem Level vor 2020 an. Der Anteil der ausländischen Gäste betrug vor der Pandemie 20 Prozent, nahm im Covid-Sommer 2020 auf 8 Prozent ab und stieg 2023 wieder auf 13 Prozent.
Schub bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs
Das Privatauto ist für mehr als die Hälfte der Gäste (55 %) die bevorzugte Anreisemethode. Es hat sich aber gezeigt, dass 2023 ein wachsender Anteil der Befragten den öffentlichen Verkehr für ihre Anreise in den SNP nutzte. Im Vergleich zu den drei vorherigen Befragungen hat sich der Anteil mit 41 Prozent fast verdoppelt.
Dies könne als Erfolg der Gästekarte der Tourismusdestination Engadin Scuol Samnaun Val Müstair (TESSVM) gewertet werden. Mit der Gästekarte können Zug und Bus in der Region gratis benutzt werden. Auch die diversen Angebote von Fahrtziel Natur wie die «Fahrtziel Natur Pauschale» oder «Einfach für Retour Graubünden» würden diese Entwicklung begünstigen.
Die Nationalpark-Gäste verbringen zudem oft mehrere Tage in der Region, mehrheitlich im Unterengadin: 60 Prozent der Gäste übernachteten im Perimeter der TESSVM. Mehr als die Hälfte der Gäste blieb vier bis vierzehn Tage in der Region, ein weiteres Drittel ein bis drei Tage. Bei den Gästen, welche in der Region übernachteten, gaben 40 Prozent Zernez als Unterkunftsort an, je circa 20 Prozent Scuol und das Oberengadin und 12 Prozent das Val Müstair.
Wiederkehrende und zufriedene Gäste
Zwei Drittel der Gäste haben in den letzten zehn Jahren den SNP mindestens einmal besucht. Fast die Hälfte davon hat den SNP bereits mehr als dreimal besucht. 27 Prozent waren erstmals zu Gast.
Die Gäste nannten unberührte Natur und intakte Landschaft (je 98 %) sowie Tierbeobachtungsmöglichkeiten (94 %) als häufigste Motivationsgründe für einen Besuch. Für 60 Prozent spielte der hohe Schutzstatus bei der Wahl des SNP als Ausflugsziel eine Rolle.
Zudem ist die Zufriedenheit der Gäste hoch: 73 Prozent waren vollauf und 25 Prozent weitgehend zufrieden mit ihrem Besuch im SNP. Die am häufigsten genannte Kritik war die Ofenpassstrasse, gefolgt vom Verhalten anderer Gäste und dem teilweisen Fehlen von Toiletten. Ein Drittel der Gäste hat das Nationalparkzentrum in Zernez besucht, wobei sich 88 Prozent zufrieden über ihren Ausstellungsbesuch äusserten.
Wahrnehmung hat sich verschoben
Fast alle Gäste stimmten den beiden Aussagen zu, dass sie die Wälder des SNP schön finden und dass Totholz Teil eines natürlichen Waldes sei. Bei der ersten Befragung vor 25 Jahren lag der Anteil von Personen, die einen sich selbst überlassenen Wald eher negativ beurteilten, deutlich höher. Hier hat sich die Wahrnehmung merklich verschoben. (mm)