Die Hotellerie- und Gastronomiebranche hat ein Attraktivitätsproblem. Die Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden und in der Branche zu halten, sind allgegenwärtig.» Der Ecoplan-Analysereport im Auftrag von hotelleriesuisse nimmt bereits in der Einleitung kein Blatt vor den Mund. hotelleriesuisse-Direktor Claude Meier kam vergangene Woche in Bern am ersten Future Hospitality Day anlässlich der Berufsmesse Swiss Skills zum gleichen Schluss: «Wenn wir unsere Mitglieder fragen, wo der Schuh drückt, dann hören wir das Thema Fachkräfte – Fachkräfte gewinnen, halten und weiterentwickeln – das ist eine der grössten Sorgen der Branche.» Tatsächlich betrifft der Fachkräftemangel das Gastgewerbe im Besonderen. Die Branchenabflussquote, also der Teil der ausgebildeten Fachkräfte, der die Branche verlässt, liegt mehr als doppelt so hoch wie im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt, wie dem Report zu entnehmen ist.
Was tun? Die Inspiration für mögliche Lösungsansätze kam am Future Hospitality Day von ungewöhnlicher Seite: Abfahrts-Olympiasiegerin von Sotschi 2014 und Sportlerin des Jahres, Dominique Gisin. Die Athletin inspirierte die Anwesenden mit einem sehr persönlichen und mit Leidenschaft vorgetragenen Einblick in ihre steinige, von Erfolgen und Rückschlägen geprägte Skikarriere. Ihre grosse Liebe zum Skisport wurde bereits früh und wiederholt auf die Probe gestellt. Zahlreiche Verletzungen, von mehreren Kreuzbandrissen über einen Kniescheibenbruch bis hin zur Gehirnerschütterung, zwangen die junge Sportlerin immer wieder zu langen Pausen. Gisin liess sich dadurch nicht aus der Bahn werfen. Ihren Durchhaltewillen führt sie nicht zuletzt auch auf ihr starkes Netzwerk von Unterstützern zurück. Eine besonders wichtige Rolle nahm ihr «Motivator und Mentalcoach» Christian Marcolli ein, der am Future Hospitality Day ebenfalls sprach. Durch die Brille des Coaches beschrieb der Basler die verschiedenen Entwicklungsphasen, die jeder Athlet in seiner Karriere durchläuft. Phasen, die sich ohne Weiteres auch auf Lernende im Gastgewerbe übertragen liessen. Das A und O für jede erfolgreiche Laufbahn, egal ob auf der Skipiste oder im Hotel, sei Motivation. Die Krux dabei: Motivation ist kaum von aussen steuerbar. «Es passiert einfach – oder eben nicht.»
Ohne Feedback und Anerkennung geht nichts
Etwas genauer wissen wollte es Irene von Atzigen. «Wie motiviere ich meine Lernenden, wie entfache ich in ihnen ein Feuer für unseren Betrieb?», fragte die Assistentin Human Resource vom Art Deco Hotel Montana. Laut Christian Marcolli könne man als Coach beziehungsweise Ausbildnerin lediglich geeignete Rahmenbedingungen schaffen und mit gutem Beispiel vorangehen. «Vermitteln Sie Spass. Wenn die jungen Menschen Ihnen anmerken, dass es einfach toll ist, was Sie machen, dann haben sie eine viel grössere Chance, die Schwelle zur nächsten Entwicklungsstufe zu überschreiten. Menschen lassen sich anstecken.»
Genauso wichtig sei Dominique Gisins Erfahrung nach konstruktives Feedback: «Wenn man etwas so gerne macht und plötzlich die Bestätigung bekommt, hey, das machst du gut, dann stärkt das die Motivation und die Bindung zum Sport umso mehr.» Eine Ansprech- und Vertrauensperson sei dabei zentral. «Oft bewegen sich die Mitarbeitenden in einem luftleeren Raum und wissen nicht genau, wo sie stehen. Loben Sie sie, tadeln Sie sie – auf respektvolle Weise. Diese kleinen Erfolge und Anerkennungen sind für die Lernenden ungeheuer wichtig.»
Der Austausch mit der Olympiasiegerin und ihrem Coach zeigt einmal mehr, dass es für die Lösung des Fachkräfteproblems im Gastgewerbe kein einfaches Patentrezept gibt. Dass jedoch Begeisterung für den eigenen Betrieb und ein einfühlsamer Führungsstil zentrale Bestandteile einer Lösung sind, wurde umso deutlicher.
Parallel zum Future Hospitality Day fand im Rahmen der Swiss Skills auch der Career Day statt. Eindrücke erhalten Sie hier.