Bergbahnen und Destinationen tun gut daran, die Bevölkerung über ihre Energieinfrastruktur und Ausbaupläne zu informieren. Transparenz schafft Vertrauen und erleichtert nötige Investitionen. Das Beispiel Grimselwelt der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) zeigt, wie Tourismus für Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden kann. Seit 22 Jahren spielt das Berner Oberländer Wasserkraftunternehmen im Tourismus mit.
Am TFA Tourismusforum Alpenregionen vom 20. bis 22. März in Grindelwald BE nimmt Grimselwelt-Leiter Florian Spichtig die versammelte Bergbahn- und Tourismusbranche auf einen inspirierenden Alpenflug in die Welt des Energietourismus mit.
Herr Spichtig, warum ist die Kraftwerke Oberhasli AG auch im Tourismus tätig?
1999 wurde das Kraftwerksprojekt Grimsel West aufgrund der grossen Opposition von Umweltverbänden und Gesellschaft sistiert. Der erlittene Reputationsschaden war gross. Die KWO erkannte, dass grosse Wasserkraftprojekte in Kooperation mit Umweltverbänden und den verschiedenen Interessengruppen erarbeitet werden müssen und wie wichtig transparente, offene Kommunikation ist. Ab dem Jahr 2000 wurde eine Willkommenskultur geschaffen. Unter der Marke Grimselwelt entwickelt die KWO seither touristische, erlebbare Produkte rund um die Stromproduktion aus Wasserkraft und öffnet ihre Kraftwerke und Werkbahnen der Öffentlichkeit. Heute gehört die Grimselwelt zu den wichtigsten touristischen Leistungsträgern der Region Haslital.
... und dient nach wie vor der Imageförderung der KWO.
Die KWO geniesst heute einen guten Ruf. Die Grimselwelt dient jedoch nach wie vor als wichtiges Kommunikationsinstrument für die breite Öffentlichkeitsarbeit.
Letztes Jahr zählte die Grimselwelt rund 260 000 zahlende Gäste. Energie und Tourismus scheinen wie gemacht füreinander.
Energiepolitische Themen haben an Bedeutung gewonnen. Durch die drohende Strommangellage ist das Interesse gewachsen. Die KWO leistet einen essenziellen Beitrag für die sichere Stromversorgung und erbringt wichtige Dienstleistungen für ein stabiles Stromnetz. Diese Themen wirken sich positiv auf das Interesse und die Besuchendenzahlen der Grimselwelt aus.
Unsere bestehenden Kapazitäten geben das Mass vor.
Florian Spichtig, Leiter Grimselwelt
Hat Energietourismus in der Stadt dasselbe Erfolgspotenzial wie im Berggebiet?
Das Interesse der Bevölkerung an Energiethemen und am Umgang mit der Natur ist sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum gross. Deshalb sind Kommunikation und Besichtigungsmöglichkeiten vor Ort in den Kraftwerksanlagen auch so wichtig – unabhängig von den Produktionsstandorten. Mittlerweile bieten viele Kraftwerksbetreiber Besichtigungsangebote an. Die Grimselwelt hat durch die Historie der Alpenpässe, der Wasserkraft und der alpinen Landschaft, aber auch der damit verbundenen Geschichten beste Voraussetzungen.
Der Erfolg führt zeitweise auch zu einem Grossandrang wie beispielsweise an der Gelmerbahn.
Die Gelmerbahn hat eine grosse Ausstrahlung und ist bei Gästen aus dem In- und Ausland sehr beliebt. Die Besuchendenzahlen sind in den letzten Jahren stetig gestiegen, was uns sehr freut. Alle Bahnen der KWO werden nach wie vor auch als Werkbahnen für die Instandhaltung der Kraftwerksanlagen benutzt. Die Kapazitäten sind deshalb beschränkt.
Wann ist genug?
Unsere bestehenden Kapazitäten geben das Mass vor. Die Grimselwelt nutzt ausschliesslich bestehende Infrastrukturen und betreibt sanften Tourismus. Das ist uns ein grosses Anliegen. Am Grundsatz, nur bestehende Werkinfrastrukturen touristisch zu nutzen, halten wir fest. Eine neue Bergbahn oder ein neues Hotel werden in der Grimselwelt nicht gebaut. Das bestehende Angebot soll aber laufend optimiert oder bei Bedarf ersetzt werden.
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Abgesehen von der Besuchendenlenkung – welche Herausforderungen beschäftigen die Grimselwelt?
Derzeit macht uns vor allem der Fachkräftemangel zu schaffen. Weitere Herausforderungen sind die kurze Betriebssaison und die Wetterabhängigkeit unserer Angebote aufgrund der hochalpinen Lage. Der Aufwand für den Betrieb und die Instandhaltung der Infrastrukturen ist in der Grimselwelt überdurchschnittlich gross.
Als Bergregion ist das Oberhasli von Abwanderung betroffen. Inwiefern hilft Energietourismus, diesem Negativtrend entgegenzuwirken?
Die Angebote der Grimselwelt haben dazu beigetragen, dass das Haslital an Attraktivität gewonnen hat – sowohl für die Touristinnen und Touristen als auch für die Bevölkerung vor Ort. Neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, andere touristische Anbieter, aber auch Zulieferer und Handwerksbetriebe profitieren von den touristischen Angeboten und Infrastrukturen. Auch die Attraktivität der KWO als Arbeitgeberin wurde damit gestärkt. Die Grimselwelt hat heute insgesamt eine wichtige Bedeutung für die KWO, die Region und die Gesellschaft.
Neue Energie tanken am Branchentreff
Das TFA Tourismusforum Alpenregionen vom 20. bis 22. März in Grindelwald BE steht unter dem Motto «New Energy». Forumsgründer und Organisator Roland Zegg greift damit sowohl aktuelle Themen wie die Energiekrise oder den Fachkräftemangel als auch den Neustart im postpandemischen Zeitalter auf. Panels mit Fachexperten, Unternehmerinnen und Unternehmern aus der Bergbahn- und Tourismusbranche sorgen für Inspiration, Diskussion und Nachdenken. Zu den Rednerinnen und Rednern am 32. TFA gehören unter anderem Jungfraubahnen-CEO Urs Kessler, Generationenforscher Rüdiger Maas, die Hotelière Silvana Schlösser vom Tschuggen Grand Hotel Arosa oder Mike Goar, Geschäftsführer Skiregion Andermatt-Sedrun (Vail Resorts). Das Rahmenprogramm sieht einen Abstecher aufs Jungfraujoch oder eine Hoteltour durch Grindelwald vor.
Die htr hotelrevue ist Medienpartnerin des TFA Tourismusforum Alpenregionen.