Aktuell gebe ich die operative Führung unseres Familienbetriebs an die nächste Generation weiter. Es ist eine herausfordernde Aufgabe. Über viele Quartale hinweg fühlte es sich an, als ob ich mich mit nichts anderem beschäftigte. Das Gröbste ist inzwischen abgeschlossen, und ich bin zuversichtlich, dass es gut kommt. Dennoch hat es mich überrascht, wie viel konzeptionelle Arbeit, wie viele Auseinandersetzungen in so einer Übergabe stecken. [RELATED]
Umso grösser sind mein Respekt und meine Freude, wenn ich andere gelungene Beispiele von Betriebsübergaben sehe. In meiner Funktion als Stiftungsratspräsidentin der Schweizer Berghilfe habe ich viele solcher Fälle erlebt. Die Berghilfe unterstützt Kleinbetriebe, Einzelfirmen und Genossenschaften aus dem Berggebiet finanziell, wenn diese anstehende Investitionen nicht aus eigener Kraft stemmen können. Solche Investitionen sind besonders häufig, wenn eine neue Generation das Ruder übernimmt, Neues anpackt und in die Zukunft schaut. Gerade auch im Tourismus.
Über viele Quartale fühlte es sich so an, als ob ich mich mit nichts anderem beschäftigte.
Ein schönes Beispiel ist das Hotel Rössli in Alt St. Johann im Toggenburg. Vater Georges Schlumpf hat sich dort über Jahrzehnte mit seiner Küche und vor allem den Wildspezialitäten aus eigener Jagd eine treue Stammkundschaft aufgebaut. Riesig war seine Freude, als Tochter Josiane und ihr Mann Philipp – beide ausgebildete und erfahrene Gastronomen mit eindrücklichem Leistungsausweis – beschlossen, mit den Kindern zurück ins Toggenburg zu ziehen und das «Rössli» zu übernehmen.
Um auch in Zukunft effizient arbeiten zu können, bauten die Jungen die veraltete Küche um und erneuerten in einem zweiten Schritt die Hotelzimmer, die dem Standard des Restaurants in keinster Weise mehr entsprachen. Sie steckten ihr Erspartes in diese Sanierungen, aber finanziell tragbar wurden diese erst, als die Schweizer Berghilfe ihre Unterstützung zusicherte.
Dass erfolgreiche Nachfolgeregelungen nicht immer innerhalb der Familie stattfinden müssen, zeigt ein Blick ins Unterwallis. Dort, oberhalb von Bex, befindet sich das Hotel Restaurant Miroir d’Argentine. Mitten in der eindrücklichen Bergkulisse der Alpage de Solalex bieten Joelle und Martin Deburaux Gaumenfreuden auf Gault-Millau-Niveau und einige gemütliche Zimmer. Die Deburaux’ hatten bereits ein «Refuge» gepachtet, als die Besitzer des Hotels sie auf der Suche nach Nachfolgern kontaktierten. Einfach an irgendjemanden verkaufen wollten sie ihr Hotel nicht, aber weil sie über Jahre hinweg miterlebt hatten, wie gute Gastgeber Joelle und Martin waren, hatten sie das Vertrauen, dass diese ihr Hotel in ihrem Sinne weiterführen und weiterentwickeln würden. Auch hier waren Investitionen aber unausweichlich.
Es hat mich überrascht, wie viel konzeptionelle Arbeit, wie viele Auseinandersetzungen in so einer Übergabe stecken.
Es ist schön, dass es weitergeht. Bei diesen beiden Betrieben und in ganz vielen ähnlichen. Für die jungen Gastronomen, aber auch für die jeweiligen Regionen – insbesondere in den Bergen. Denn all diese Restaurants und Hotels bieten Arbeitsplätze, ihre Betreiber kaufen bei lokalen Produzenten ein und sorgen damit unter anderem für den Stiftungszweck der Schweizer Berghilfe: belebte Berggebiete.
Eva Jaisli ist Präsidentin des Stiftungsrats Schweizer Berghilfe.