Nicole Brändle Schlegel, Leiterin Arbeit, Bildung, Politik bei HotellerieSuisse.
Es wäre verheerend, die betroffenen Betriebe jetzt fallen zu lassen – kurz vor dem möglichen Pandemie-Ende.
Hüben wie drüben macht sich Optimismus breit: Die Fallzahlen sinken, die Impfkampagne schreitet voran, und die Restriktionen werden gelockert. HotellerieSuisse freut sich über diese positive Entwicklung, die insgesamt zu einer Entspannung der wirtschaftlichen Lage führt. Doch damit ist die Krise noch nicht ausgestanden. Nebst einer gewissen Unsicherheit über mögliche neue Kapriolen der Pandemie fällt für die Hotellerie besonders die anhaltende Baisse im internationalen Tourismus negativ ins Gewicht. Gäste aus Fernmärkten sowie Geschäftsreisende werden die Schweiz frühestens ab 2022 wieder in grösserer Zahl besuchen. Dies zeigen Marktbeobachtungen und Prognosen renommierter Institute wie der KOF.
Angesichts des traditionell hohen Anteils von 55 Prozent an internationalen Gästen kompensiert die Nachfrage aus dem Inland und dem nahen Ausland die fehlenden Erträge bei weitem nicht. Auf internationale Kundschaft ausgerichtete Destinationen und Unternehmen können nur bedingt von den Öffnungsschritten profitieren. Nach bereits 15 Krisenmonaten sind die Reserven betroffener Betriebe aufgebraucht und fehlen die Mittel für Investitionen, die jedoch zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit matchentscheidend sind. Akut ist die Problematik insbesondere in der Stadthotellerie, wo die Auslastungen und Zimmererträge auf historischen Tiefständen dümpeln. So sind etwa in der Genferseeregion die Einkünfte im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte und in Basel um 70 Prozent eingebrochen.
Auch die neuste Lageeinschätzungsumfrage von HotellerieSuisse zeigt die hohen Verluste klar auf. Im Frühling erlitten allein bei den Stadthotels die Hälfte der Betriebe Einbrüche von 40 Prozent und mehr – 18 Prozent gar einen Verlust von mindestens 70 Prozent. Für die Wintersaison verzeichneten 61 Prozent der Betriebe Verluste von über 40 Prozent, in der Stadthotellerie gar 83 Prozent der Betriebe. Wenig erbaulich sind auch die erwarteten Auslastungen im Sommer von durchschnittlich 48 Prozent gegenüber 72 Prozent 2019. Der Buchungsstand liegt damit auf Vorjahresniveau und weit unter den Auslastungen vor der Pandemie.
Unter solchen Voraussetzungen bleiben staatliche Kompensationszuschüsse in der Beherbergung bis Ende Jahr notwendig. HotellerieSuisse fordert deshalb die Verlängerung der Härtefallregelung, sodass betroffene Betriebe Corona-bedingte Verluste auch im zweiten Halbjahr 2021 kompensieren können. Eine Verlängerung der Härtefallregelung, wie es auch die wirtschaftspolitischen Kommissionen des National- und des Ständerats per Motion einhellig verlangen, muss Zweitgesuche ermöglichen, eine Erhöhung der Maximalbeiträge beinhalten sowie für grosse und kleine Unternehmen zugänglich sein. Die Behandlung dieser Vorstösse darf noch in der laufenden Sommersession erwartet werden.
Die bestehenden Vorgaben, so die Umsatzverlustgrenze von 40 Prozent, können dabei weitergeführt werden. Überkompensationen und Missbräuche werden so gezielt verhindert, während der finanzielle Mehraufwand für den Staat überschaubar bleibt. Mit einer gezielten Fortführung des bewährten Härtefallprogramms kann ein wesentlicher Beitrag zur Überwindung der Krise geleistet werden.
Es ist unbestritten, dass die Hotellerie bald wieder auf eigenen Füssen stehen soll. Unsere Betriebe wünschen sich nichts sehnlicher. Gleichzeitig wäre es verheerend, die am stärksten betroffenen Betriebe jetzt fallen zu lassen – angesichts der anrollenden Binnenkonjunktur und kurz vor dem hoffentlich absehbaren Ende der Pandemie.