Noch hat Chris Franzen Zeit für uns. Das ändert sich schon bald, denn Mitte Juni findet in seinem Hotel die Ukraine-Friedenskonferenz statt.

Chris Franzen, die Welt schaut im Juni auf Ihr Haus. Medien nennen Sie den berühmtesten Hotelier der Schweiz. Was macht das mit Ihnen?
Wenn ich ganz ehrlich bin: Es schmeichelt mir für das Resort und das Team. Ich persönlich fokussiere in solchen Situationen auf den Job, that’s it.

Sie mögen den Ausdruck «berühmtester Hotelier» nicht.
Nein, überhaupt nicht. Ich kenne Hoteliers in der Schweiz und anderswo, denen ich das Wasser nicht reichen kann.

Haben Sie Erfahrung mit solchen grossen «Staatskisten»?
In anderen Ländern, anderen Hotels hatte ich bereits mit Staatsanlässen zu tun. Wichtig ist dabei immer, dass alles «seamless» abläuft. (in charmantem «Walliserdütsch» entschuldigt sich Franzen, dass ihm das deutsche Wort nicht gleich einfällt) In unserem Fall zählt ausserdem, dass wir unser Hotel, die Region und die ganze Schweiz positiv darstellen können.

Am 1. April haben Sie Ihre Stelle im Bürgenstock Resort angetreten. Wussten Sie da schon von der Friedenskonferenz?
Nein, das wusste ich damals wirklich nicht.

Franzen zählt bis fünf
Gegenstand, den Sie nie entbehren möchten? 
Auto oder Motorrad. Sie bedeuten für mich Freiheit.

Vorbilder, die Sie geprägt haben? 
Opa und Papa.

Wünsche, die Ihnen eine Fee erfüllt?
Glückliche Gäste, glückliche Angestellte, glückliche Besitzer.

Dinge, die Sie sofort abschaffen würden, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?Meetings, Video Assistent im Fussball (VAR), Ananas auf Pizza und Neid.

Apps, die unbedingt auf Ihr Smartphone gehören?
Kalender; Google Flights App, damit ich meine Ferien buchen kann; Facetime, damit ich mit der Familie sprechen und sie sehen kann; Waze zum Navigieren und Swissmeteo fürs Wetter.

Haben Sie nicht zweimal leer geschluckt beim Gedanken, wie Sie all die Teilnehmer mit ihren Delegationen, die Sicherheits- und Medienleute unterbringen sollen?
Nein. Wissen Sie, wenn die Staaten mit Präsidenten und Premiers ankommen, haben sie grosse Delegationen dabei. 60, 80 Personen oder noch mehr. Die können wir gar nicht alle hier im Bürgenstock Resort unterbringen. Die Konferenz wird deshalb auch in Hotels in Luzern, in Zürich, wahrscheinlich bis Basel zu spüren sein.

Wer bestimmt, wer wo unterkommt?
Das liegt alles beim Bund. Wir als Bürgenstock Resort haben da nichts zu sagen. Das macht es für uns viel einfacher.

Können Sie sich im Juni denn überhaupt noch frei bewegen in Ihrem eigenen Haus?
Doch, doch, das wird sicher möglich sein. Aber klar, gewisse Dinge gehen nicht mehr.

Jetzt sticht uns der Gwunder. 
Ein verpacktes Welcome Present liegt nicht drin. Da hätte das ganze Sicherheitspersonal keine Freude.

Aber wenn Ihnen Joe Biden begegnen sollte, würden Sie ihn begrüssen?
Das bestimmt. Wir begrüssen alle unsere Gäste. Aber klar, das Sicherheitsdispositiv wird sehr streng sein. Ich werde während der Konferenz so eine Art Hüttenwart sein hier oben auf dem Berg.

Ihr letztes Grossereignis war die Fussball-WM 2022 in Katar. Ist das vergleichbar mit der anstehenden Friedenskonferenz?
Aus Mediensicht ist das nicht vergleichbar. Ich hatte Journalisten in Doha, die haben das Interview abgebrochen, weil ich nichts Negatives über das Gastgeberland erzählt habe. Kommt dazu: Der World Cup hat einen ganzen Monat gedauert. Da war die Dichte an Besuchern, auch an VIPs, sehr hoch.

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Einen Monat vor der WM durfte ich das «Waldorf Astoria Lusail» in Doha eröffnen und danach auch während des Turniers führen. Zu unseren Gästen zählten Staatsvertreter, aber auch ein Elon Musk war bei uns. Da konnte ich wichtige Erfahrungen sammeln. Ein Bonus war auch, dass ich ein grosser Fussball-Fan bin.

FC Sion?
In der Schweiz sicher der FC Sion. Und International schon immer der FC Liverpool. You never walk alone. (lacht)

Zurück zum Einfluss eines derartigen Grossanlasses für die Schweiz. Werden wir alle davon profitieren können?
Wir haben mit dem WEF ja schon einen Gross­anlass mit internationaler Ausstrahlung. Wir beweisen jetzt wieder mit der Friedenskonferenz, dass die Schweiz das Zeug hat, solche Grossanlässe durchzuführen. Das Signal für unser Haus lautet aber auch: Das Bürgenstock Resort ist ein kompetenter Partner für globale Konferenzen. 

Ich werde während der Konferenz so eine Art Hüttenwart sein hier oben auf dem Berg.

Lassen Sie uns über Ihre Wurzeln sprechen: Sie sind in Zermatt aufgewachsen, in einer Hoteliersfamilie.
Mein Opa war Hotelier, Bergführer und Skilehrer, mein Papa war Hotelier mit einer Banklehre, und ich bin im Hotel aufgewachsen, ja.

Begonnen haben Sie Ihre Karriere mit einer Kochlehre.
Das ist richtig, in Hünenberg im Kanton Zug, da sind wir hingezogen, als ich 13 war. Meine Mutter ist Zugerin. Nach der Kochlehre habe ich eine Servicelehre in Martigny angehängt, im «La Porte d’Octodure», das heute Christian Constantin gehört, aber damals im Besitz der berühmten  Hotelierfamilie Seiler war . . . 

... und sind dann mit 23 raus in die Welt? 
Mein erster Auslandjob war das «Hilton» am Flughafen Zürich. (lacht) Für einen Walliser war Zürich damals Ausland. 

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Danach ging es über Deutschland, Australien und die USA schliesslich nach Dubai. War Dubai damals schon diese Megacity?
Das lässt sich nicht vergleichen. Gerade mal eine Handvoll 5-Sterne-Häuser gab es damals. Im Sommer war nichts los. Touristen brauchten ein Visum. Im Jahr 2000 kam der grosse Wandel, da ist Dubai richtiggehend explodiert. 

Danach folgte Oman.
Richtig, das «Grand Hyatt» in Muskat. Das ist bis heute mein Lieblingshotel. Es hat etwas von 1001 Nacht. Es folgte ein Abstecher nach Moskau, schliesslich bin ich zurück nach Dubai, dann erstmals nach Doha in Katar . . .

... bevor Sie dann nach Indien gezogen sind.
Ich wusste ja, dass Indien gross ist. Aber ich habe gelernt: Indien ist richtig, richtig gross. Ich war für zehn Hotels verantwortlich, von der pakistanischen Grenze im Norden bis in den Süden. Ein grossartiges Land – und dann brach Covid auch über den Subkontinent herein. Das war eine unglaubliche Herausforderung, die dieses 1,5-Milliarden-Land zu meistern hatte.

Wie muss man sich all diese Jobwechsel vorstellen? Ist man da auf Jobbörsen unterwegs, wird man berufen?
Es gibt kein festes Muster, das ist sehr individuell. Und als General Manager musst du in erster Linie die Kosten im Griff haben, dafür holt man dich. Die meisten General Manager sind nach getaner Arbeit nach zwei Jahren wieder weg. Ich finde aber, ein General Manager sollte mindestens vier Jahre vor Ort sein, damit er auch die Früchte seiner unternehmerischen Bemühungen ernten kann. Ich habe immer versucht, etwas länger zu bleiben. Es geht mindestens ein halbes Jahr, bis du alles kennst, das Hotel, die Mitarbeitenden, die Kultur. 

Wenn es um etwas geht, das nicht mindestens drei Leute direkt betrifft, braucht es mich nicht.

Wie lernen Sie die Kultur eines Landes kennen?
Ich fahre mit dem Motorrad durchs Land. Mit Harleys oder BMWs. Das ist die beste Art, ein fremdes Land zu entdecken. Von Indien aus bin ich in Bhutan bis an die chinesische Grenze gefahren. Gestoppt hat uns schliesslich eine verschüttete Strasse.

In dreissig Jahren haben Sie einen Riesenrucksack an Erfahrungen gesammelt. Was können Schweizer Hotels vom Ausland lernen?
Im DACH-Raum haben wir den gewaltigen Vorteil einer ausgezeichneten Grundausbildung. Das ist eine Hands-on-Ausbildung. Hier musst du anpacken. Dieses duale Bildungssystem ist einmalig. Was ich aber in den USA gesehen habe, ist das harte Business, das Management. Da habe ich in Sachen Ausbildung extrem profitiert. Zusammen mit dem Know-how aus der Schweiz war das eine einmalige Kombination. Vor dreissig Jahren gab es im Ausland nicht wahnsinnig viele Fachleute mit einer praktischen Ausbildung.

Als Koch aber wollten Sie nie Karriere machen?
Nein, die Kochlehre war immer als Ausgangspunkt gedacht. Aber privat koche ich zu Hause immer noch oft und gerne.

Ihre Favoriten?
Ach, was ich damals halt so gelernt habe. Vor allem traditionelle französische Küche. 

Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die Sie auf Ihrem Weg zum Managing Director erworben haben?
Wahrscheinlich höre ich heute besser zu als früher. (lacht) Früher habe ich sicher schneller ins Gras geschossen. Und wahrscheinlich merke ich heute schneller, wenn mir jemand «Chabis» erzählt. Das hat mit meiner Erfahrung zu tun. Gesunder Menschenverstand.

Sind Sie eher ein direkter Kommunikator?
Unbedingt. Ich spreche die Dinge immer an. Machsch appa d Lit embiz verruckti, aber das ist der bessere Weg.

Sind Sie da noch nie gegen eine Wand gefahren?
Nicht wirklich. Im letzten Hotel, das ich eröffnen durfte, arbeiten Menschen aus 71 Nationen. Mit der Erfahrung, die ich sammeln durfte, weiss ich mittlerweile, wie ich mit wem reden darf. Hier und da habe ich aber festgestellt, dass mein Hang zum Sarkasmus nicht immer gut ankam. Manche Menschen können das nicht korrekt einordnen: Meint der Franzen das nun ernst, oder ist das humorvoll gemeint? (lacht) Da musste ich vor allem in Indien dazulernen.

Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Leben als Managing Director aus?
Einen Wecker brauche ich nicht, zwischen fünf und sechs wache ich auf. Dann checke ich meine Mails, danach gehts ins Büro, an die Front im Hotel.

Wo dann wohl viele Meetings anstehen?
(seufzt tief) Früher hatte ich viel mehr Meetings als heute. Viele Meetings empfinde ich als Zeitverschwendung. Das habe ich sehr reduziert. Wir haben all diese Tech-Tools heute. Muss ich da wirklich ein paar Mal am Tag physisch in einen Sitzungsraum gehen? Als ich hier angefangen habe, war ich erst ein wenig schockiert. Alle wollten sofort ein Meeting. Da wäre ich ja nur noch in Meetings gesessen. Unmöglich. Da habe ich gesagt: Wenn du etwas brauchst, ruf mich einfach an oder komm vorbei. Das ist effizienter.

Sie sind halt neu hier, alle wollen Sie persönlich kennenlernen.
Klar, aber es muss nicht immer physisch sein. Jetzt baue ich mir ein Netzwerk auf. Aus einem Kontakt werden zwei, werden zehn, werden viele mehr. Ich rede mit den Menschen in der Umgebung. Ganz pragmatisch. Und wer etwas von mir will, ruft mich an. So einfach ist das, Problem gelöst.

Ihr Führungsstil?
Hands-on würde ich meinen. (dreht sich zu seiner Kommunikationsverantwortlichen um und fragt: Lauriane? Was meinst du? Passt das? Sie lacht und nickt) Direkt. Alle können jederzeit mit ihren Anliegen zu mir kommen. Gestern war ich mit meinem Team essen, und ich habe allen gesagt: Trefft Entscheidungen selber. Ich habe ein Problem, wenn alle mit jeder Frage zu mir kommen. Da fehlt mir die Zeit. Entscheidet selber. Und wenn du einen Fehler machst, dann lerne daraus. Ich sage: Make decisions as long as they are ethical. Das ist mein Credo. Wenn es um etwas geht, das nicht mindestens drei Leute direkt betrifft, braucht es mich nicht.

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen einem 5-Sterne-Hotel und einem Luxushotel?
Wir alle definieren Luxus unterschiedlich.

Wie definieren Sie ihn?
Luxus bedeutet für mich: Zeit zu haben, Ruhe zu haben, nichts tun zu müssen. Das kann am Strand sein, auf dem Töff; wenn ich den Helm trage, erreicht mich niemand. (schaut verzückt an die Decke)

Dies oder das?
Bier oder Wein? 
Wein

Berg oder Meer?
Das wechselt fast täglich. Heute die Berge!

Beatles oder Beethoven?   
Weder noch. Country!

Fisch oder Fleisch?  
Fleisch

Süss oder salzig? 
Salzig

Was heisst für Sie Luxus im Job?
Auch das ist sehr unterschiedlich. In Katar muss ich einen 500-Punkte-Katalog erfüllen. In Indien sind die Kriterien wieder andere. Und hier in der Schweiz kann ein 3-Sterne-Hotel luxuriös sein: Der Service ist freundlich; in den Zimmern gibts WiFi; das Wasser ist klar und frisch – das ist Luxus. Im Bürgenstock Resort ist die Arrival Experience Luxus. Du nimmst das Schiff in Luzern (schaut hinunter auf den See und strahlt wie ein Maikäfer, als er es tatsächlich herangleiten sieht), kommst an der Station an, fährst mit der Standseilbahn hoch und stehst an der Rezeption. Und auf der anderen Seite siehst du die Alpen. Das ist einmalig. Das gibt es nirgendwo sonst. Das ist Luxus.

Was heisst Luxus sonst noch im Bürgenstock Resort?
Wir haben im europäischen Vergleich sehr viele Angestellte. Die persönliche Betreuung ist aussergewöhnlich individuell. Wir haben rund dreissig Gebäude hier oben. Eigentlich sind wir ein Dorf. Mein Titel müsste Gemeindepräsident sein, nicht MD. Aber da müsste ich ja gewählt werden. (lacht laut) Dazu kommen eine ausgezeichnete Küche und der Spa-Bereich. Und ganz individuelle Angebote. Bei uns kann man Kühe melken, wandern, biken, und und und ...

Welche Rolle spielt Sustainability im Bürgenstock Resort?
Das ist wichtig und wird immer wichtiger werden. Wir kaufen, wenn immer möglich, lokal ein, verwenden so wenig Plastik wie möglich.

Also keine kleinen Kunststofffläschchen mehr für Körper und Haar?
Wir arbeiten daran. Vor nicht allzu langer Zeit galten die grossen Behälter als Gegenteil von Luxus. Das ändert sich gerade. Aber sehen Sie: Wenn Länder wie Indien, China oder die USA hier nicht zügig vorwärtsmachen, sind Bemühungen in der Schweiz nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Im Ausland wird Nachhaltigkeit von den grossen Hotelketten getrieben. Die rollen ihre Initiativen weltweit aus. Wichtig ist der Mindset, eine Haltung, die man bereits den Kindern mitgeben sollte. Das braucht Zeit.

Was war der beste Ratschlag, den Sie jemals erhalten haben?
Perfection is the enemy of progress. Wer nach Perfektion strebt, entwickelt sich nicht. Daran glaube ich fest.

Wenn Sie nicht in die Hotellerie eingestiegen wären ...
... wäre ich vielleicht Hochseekapitän geworden. Auf einem Frachter notabene. Da läufst du die unterschiedlichsten Destinationen an.

Wie entspannen Sie, wenn Sie Abstand brauchen?
Ich war schon über 30 Jahre alt, da meinte meine Frau: Du brauchst ein Hobby. Sie dachte wohl an Golf oder Tennis. Damals hatte ich einen Küchenchef, einen Österreicher, der ständig von Motorrädern schwärmte. Da bin ich eines Tages raus, habe zwei BMW-Maschinen gekauft, eine für ihn, eine für mich. Und seitdem habe ich das Töffvirus in mir. 

Was genau fasziniert Sie daran?
Zum einen sicher das Gefühl von Ungebundenheit und Freiheit. Und dann ist da die Community der Töfffahrer. Wenn du eine Panne hast, hält garantiert ein anderer Motorradfahrer an und hilft. 

Welche Persönlichkeiten haben Sie inspiriert?
Vater und Grossvater natürlich. Aber als ich 1999 bei Hyatt angefangen habe in Dubai, hatte ich einen indischen Boss, Ashwini Kumar. Er hatte es ohne klassische Ausbildung vom Bellboy zum General Manager gebracht. Bis heute rufe ich ihn an, wenn ich eine Zweitmeinung brauche. Auf seinen Ratschlag kann ich mich immer verlassen.

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Wie lange möchten Sie hierbleiben? Gibt es Pläne?
Ach wo, ich bin doch abhängig von den Besitzern. Deshalb habe ich nie Pläne gemacht. Aber wie schon erwähnt, würde ich gerne auch hier die Früchte meiner Arbeit ernten können. Für die Familie war uns sonst wichtig, dass wir überall, wohin wir gingen, eine gute Schule für unsere beiden Kinder hatten. Heute ist die Tochter 18 und wird in England studieren. In zweieinhalb Jahren ist auch mein Sohn mit der Schule fertig. Danach sind meine Frau und ich wieder allein, und alles wird möglich sein.

Welche Sprache sprechen Sie in der Familie?
Ausschliesslich Englisch. Da muss ich zugeben, habe ich einen Fehler gemacht, dass die beiden Kinder kein Schweizerdeutsch sprechen.

Als der Anruf kam für die Stelle im Bürgenstock Resort, haben Sie sich mit Ihrer Frau abgesprochen?
Da kursiert in den Medien ein Missverständnis. (lacht) Ende letzten Jahres bin ich eines Morgens aufgewacht und dachte, dass es nach 30 Jahren im Ausland doch schön wäre, etwas mehr Zeit mit meinen Eltern zu verbringen. Einmal im Jahr in den Ferien schien mir plötzlich zu wenig. Ich habe das mit meiner Frau Rachel besprochen, sie war einverstanden, und da habe ich gekündigt.

Wie bitte?
Ja, ich habe meine Stelle in Doha am 27. Dezember gekündigt und hatte keine neue in Aussicht. Der Besitzer wollte die Kündigung erst nicht akzeptieren. Gegangen bin ich trotzdem. 

Wie sind Sie denn auf das Bürgenstock Resort gekommen? Wohl kaum über eine Jobplattform.
Es gibt in der Schweiz nicht sehr viele Häuser, die mich von der Grösse her interessieren. Wissen Sie, einen «Leuen» oder ein «Rössli» wollte ich nicht übernehmen, diese Jobs sind pickelhart. Ganz ehrlich: Ich könnte das nicht, was die Betreiber solcher kleiner Hotels Tag für Tag leisten. Ich habe dann per Zufall erfahren, dass man für das Bürgenstock Resort einen Managing Director suche. Ich war ja schon in Katar, das Resort gehört der Katara Hospitality Group, also habe ich einen Anruf gemacht, und der Rest ist Geschichte

Ihre Frau kommt bald nach?
Sie bleibt noch ein Jahr in Doha. Wir hatten hier keine passende Schule für unseren Sohn gefunden.

Das ist hart.
In fünf Stunden bin ich in Doha. Eine Kollegin hat einen Job in Dubai aufgegeben, weil sie näher bei ihren Eltern in Düsseldorf sein wollte. Ihre neue Stelle ist in Saas-Fee. Von Saas-Fee nach Düsseldorf braucht sie länger als von Dubai. Voilà.

Sind Sie eher Unternehmer oder Gastgeber?
Das ist jetzt eine ganz gute Frage (denkt lange nach), darüber habe ich nie wirklich nachgedacht. Klar bist du Gastgeber, wenn du ein Hotel führst. Aber wenn du wie ich in einem Hotel aufgewachsen bist, dann ist das Unternehmertum drin. Da schaust du finanzielle Dinge zweimal an, bevor du einen Entscheid triffst. Also bin ich letztlich doch eher der Unternehmer. Ein Unternehmer mit einem Gastgeberherzen.

Noch ein Letztes: Das Bürgenstock Resort ist auch ein Wanderparadies. Lassen Sie Gäste rein, wenn sie mit Wanderschuhen aufkreuzen?
Diese Frage habe ich schon einige Male gehört. Wir arbeiten daran, um den Besuchern diese Schwellenangst zu nehmen. Ausserdem steht gleich nebenan die «Taverne 1879», ein schönes Bergbeizli, das auch zu uns gehört. Es gibt andere Dinge, die wir verbessern werden, zum Beispiel auch den Kontakt mit der Lokalbevölkerung. Das gehen wir dann alles nach der Friedenskonferenz an. Geben Sie uns noch etwas Zeit.

Zur Person
Chris Franzen (*1971) wuchs in Zermatt auf und ist Hotelier in dritter Generation. Nach seiner Ausbildung zum Restaurantfachmann zog es ihn ins Ausland, um an der Australian International Hotel School in Canberra und an der renommierten Cornell University, Ithaca, USA zu studieren. Es folgten fast dreissig Jahre in Toppositionen im Ausland, zuletzt im «Waldorf Astoria Doha Lusail».

Neben seiner Tätigkeit als Managing Director des Bürgenstock Resort ist Franzen in mehreren Gremien und Beratungsunternehmen tätig. Er wurde während seiner Karriere mehrfach ausgezeichnet und in die General Manager’s Power List Middle East 2023 aufgenommen (Hotelier Middle East). Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.