«Gibt es Gebote für das Hotel Palace Alpin?», fragte der Betreibungsweibel am Freitag auf dem Konkursamt Oberland in Interlaken. Unter der überschaubaren Runde haben im Vorfeld zwar mindestens zwei Parteien Interesse an einem Kauf bekundet, bei der eigentlichen Versteigerung meldete sich aber niemand – dies obwohl sich der Hotelkomplex mitten im Berner Oberländer Tourismusort Mürren an bester Lage befindet.
Grund ist einerseits der Mindestpreis in der Höhe von einer Million Franken. Andererseits wird der Wert des Hotels vom Konkursamt auf rund minus vier Millionen Franken geschätzt. Auf dem Komplex lastet nämlich eine Nutzniessung bis ins Jahr 2041. Dieses verunmöglicht es faktisch, das Hotel rentabel zu betreiben. Der ehemalige Besitzer hatte aus Geldsorgen sogenannte Timesharer an Bord geholt, um Kapital zu akquirieren. Beim Timesharing werden vereinfacht ausgedrückt im Voraus Hotelübernachtungen für mehrere Jahre oder Jahrzehnte gebucht und bezahlt. 2008 verkaufte der ehemalige Besitzer den Hotelkomplex schliesslich an eine Kasachin. Diese behauptete, von den Schulden nichts gewusst zu haben. Es folgte eine Reihe von Rechtshändeln. Eine Versteigerung wurde so jahrelang blockiert. Das Hotel selber war seit dem Konkurs 2009 geschlossen.
Um einen Ausweg aus der misslichen Lage zu finden, kaufte 2016 eine Gruppe um Geschäftsmann Peter Wirth und den Mürrener Tourismusdirektor Samuel Bichsel die Rechte an der Nutzniessung auf. Wer genau hinter der Gruppe steckt, ist unklar. Peter Wirth spricht von «Institutionen und Freunden Mürrens». Rund 16 Aktionäre sollen der zu diesem Zweck gegründeten Palace Avenir AG angehören. Die AG hat nicht vor, das Hotel selber zu betreiben. «Unser Ziel ist, das Weiterbestehen des Hotels sicherzustellen, ein Konzept auszuarbeiten und dann einen Investor zu suchen», sagte Peter Wirth am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Wirth rechnet mit einer Zeitspanne von zwei Jahren bis dies so weit ist.
Aus dem historischen Luxushotel soll eine «Pop-up Lodge» werden
Die AG plant währenddessen ihre Nutzung zu erweitern. Bisher vermietete sie Räumlichkeiten eines Nebengebäudes des Hotels. Ab August will sie zwei Stöcke des Hotels als «Pop-up Lodge Mürren» betreiben. Dafür hat sie bereits eine Betriebsbewilligung angefordert und in die sanitären Anlagen sowie den Brandschutz investiert. Geplant ist, das Angebot im Winter auf das ganze Hotel auszuweiten. Geht es nach der Palace Avenir AG, soll das Hotel künftig sportlich orientierte Gäste beherbergen, die das mit dem Hotel verbundene Alpine Sportzentrum nutzen. Wirth ist Verwaltungsratspräsident der Alpinen Sportzentrum Mürren AG.
Um ihre Pläne umzusetzen, will die AG das Hotel vorerst selber aufkaufen. Bekannt ist, dass die Gesellschaft im Vorfeld auf einen Verkauf ohne Versteigerung gedrängt hatte. Man habe dem Konkursamt «ein faires Angebot» gemacht, so Wirth. Heinz Aebi vom Konkursamt Oberland widerspricht. Ein Verkauf unter der Hand in der Höhe von 20'000 Franken sei vor der Öffentlichkeit nicht zu rechtfertigen. Das Konkursamt habe ein Gegenangebot unter einer Million offeriert, welches die Palace Avenir AG jedoch abgelehnt hatte.
Nutzniessung muss weg
An der Versteigerung am Freitag meldete sich ein weiterer Player: Auch ein Gläubiger des ehemaligen Luxushotels hat an der Versteigerung Interesse am Hotel bekundet. Er habe konkrete Kontakte zu einer Gruppe Investoren, sagte er gegenüber Keystone-SDA. Um wen es sich genau handelt, wollte er nicht verraten. Ausgeschlossen hat er jedoch die ehemalige Besitzerin aus Kasachstan, über deren Interesse Gerüchte im Umlauf waren.
Der Gläubiger sagte zudem, dass vor einem allfälligen Kauf «die Situation juristisch bereinigt» werden müsse. Sprich, die Nutzniessungsrechte müssten zuerst aus dem Weg geschafft werden. Eine Einigung mit der Palace Avenir AG ist dafür unumgänglich. Die AG teilte mit, dass sie eine Zusammenarbeit mit den interessierten Investoren nicht ausschliesse, solange diese «die Interessen des Hotels und Mürrens» vertreten. Bis zur nächsten Versteigerung ist deshalb davon auszugehen, dass hinter den Kulissen fleissig abgeklärt und verhandelt wird.
«Vielleicht kommt es für einen Fünfliber weg»
Der nächste Versteigerungstermin ohne Mindestpreis wird das Konkursamt im Herbst, voraussichtlich im Oktober, festsetzen. Unter den Hammer kommen wieder ein Paket aus Hotel, Dependence und Pesonalhaus. Dazu gehört auch das Inventar im Wert von 45'000 Franken, darunter auch einige Flaschen Schnaps und Wein. Für das Inventar muss jedoch separat aufgekommen werden.
«Es kann sein, dass das Hotel im Herbst für einen Fünfliber wegkommt», sagte Aebi zum Schluss der Verhandlung. Wichtig sei, dass die Rechtslage schnellstmöglich geklärt wird, damit endlich Ruhe einkehre. (sda/og)