Die grosse Kammer kommt den Kantonen entgegen: Das Aus von fossilen Heizungen soll etwas später kommen als geplant. Zwar soll für Altbauten ab 2023 ein CO2-Grenzwert gelten, wenn die Heizung ersetzt werden muss. Die Kantone sollen aber eine Übergangsfrist bis 2026 erhalten. FDP und SVP wehrten sich erfolglos gegen den Eingriff.
Der Ständerat hatte gegen den Willen der Kantone beschlossen, dass ab 2023 im Fall einer Heizungserneuerung ein CO2-Grenzwert von 20 Kilogramm pro Quadratmeter in einem Jahr gelten soll. Damit könnten Hausbesitzer nur noch dann eine neue Ölheizung einbauen, wenn das Haus sehr gut isoliert ist.
Laut Bundesrätin Sommaruga befinden sich die Gebäude mit 22 Prozent Anteil an den Treibhausgasemissionen an zweiter Stelle. Noch immer würden fast zwei Drittel aller Gebäude mit fossilen Energieträgern geheizt. Der Ersatz einer Ölheizung durch eine andere sei vielerorts noch die Norm.
Ambitionierteres Inlandziel
Daneben gaben zu Beginn der Beratungen zur Totalrevision des CO2-Gesetzes die allgemeinen Verminderungsziele zu reden. Geht es nach der grossen Kammer, sollen mindestens 75 Prozent der Emissionsreduktionen im Inland erfolgen.
Damit geht der Nationalrat weiter als der Ständerat und der Bundesrat. Diese wollen die Klimaziele nur mit mindestens 60 Prozent an inländischen Massnahmen erreichen. SP-, Grüne-, GLP- und die Mehrheit der Mitte-Fraktion standen im Nationalrat aber für ein ambitionierteres Inlandziel ein. Sie setzten sich mit 111 zu 86 Stimmen bei einer Enthaltung durch.
Umweltministerin Simonetta Sommaruga wehrte sich nicht mit grossem Elan gegen das höhere Inlandziel. «Natürlich ist das spannend», sagte sie. Der Bundesrat sei aber der Meinung, dass es realistische Ziele brauche. Die 60 Prozent seien bereits ein guter Kompromiss. Längerfristig seien aber Massnahmen im Ausland keine Option.
Zanken um Zielwerte
Bei den übrigen Entscheiden zu den allgemeinen Bestimmungen im CO2-Gesetz blieb die grosse Kammer weitgehend auf der Linie des Ständerats und des Bundesrats, nämlich die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Das entspricht dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Minderheiten für eine stärkere oder geringere Reduktion waren erfolglos.
Für ambitionierte Klimaziele warben SP, Grüne und GLP. Bastien Girod (Grüne/ZH) nahm Bezug auf die Klimabewegung, welche im vergangenen Jahr für schnellere und stärkere Massnahmen einstand. Eine Senkung der Treibhausgasemissionen auf höchstens 40 Prozent des Wertes von 1990 sei realistisch, auch die EU habe sich dieses Ziel gesetzt. Die Wissenschaft fordere noch ehrgeizigere Ziele.
Die SVP wollte dagegen die Treibhausgasemissionen nicht halbieren, sondern auf 60 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 senken. Zudem setzte sich die Fraktion dafür ein, nur den menschlich verursachten Anstieg der CO2-Emissionen zu vermindern. Die Unterscheidung sei wichtig, gab Christian Imark (SO) zu bedenken. Natürliche Temperaturanstiege und -senkungen habe es in der Geschichte schon immer gegeben.
«Nichts zu tun, ist keine Option»
Die Detailberatung des CO2-Gesetzes wird am Mittwoch fortgesetzt. Es zeichnet sich ab, dass der Nationalrat im zweiten Anlauf eine mehrheitsfähige Vorlage zimmern kann. Das war im Dezember 2018 nicht gelungen, als das Gesetz in der Gesamtabstimmung abgelehnt wurde. Nach den Klimaprotesten und dem ökologischen Rutsch bei den Wahlen 2019 sind die Vorzeichen für einen Kompromiss nun günstiger.
Die grosse Mehrheit zweifelt nicht daran, dass rasch gehandelt werden muss. Das zeigte sich in der fast zweieinhalbstündigen Eintretensdebatte. «Es ist eine völlig veränderte Welt gegenüber dem ersten Mal», sagte Kommissionssprecher Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO).
«Nichts zu tun, ist keine Option», sagte auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga am Ende der Eintretensdebatte. Sie wies darauf hin, dass der Temperaturanstieg in der Schweiz doppelt so hoch sei wie im globalen Durchschnitt.
«Giftgrünes Planwirtschaftsgesetz»
Nur die SVP lehnte ein Eintreten auf die Vorlage ab. Sprecher Mike Egger (SG) verwies auf die aktuelle Corona-Krise. Gerade habe das Parlament 57 Milliarden Franken zur Entlastung der Wirtschaft gesprochen, nun wolle es neue Gebühren und Steuern einführen. Dadurch werde die Wirtschaft mit bis zu 30 Milliarden belastet. «Das ist widersprüchlich.»
Egger kritisierte, dass das Gesetz die Falschen treffe. Insbesondere Familien, die in die Ferien fliegen wollten, und Personen, die auf ihr Auto angewiesen seien, würden stärker belastet. «Sie gefährden mit dem giftgrünen Planwirtschaftsgesetz den Wohlstand.»
Mit 140 zu 51 Stimmen bei 4 Enthaltungen lehnte der Nationalrat den Antrag der SVP ab, nicht auf das Gesetz einzutreten. Auch die Rückweisung der Vorlage an die Kommission war chancenlos. Pierre-André Page (SVP/FR) kündigte bereits ein Referendum an. (sda)