Über 70 Gemeindevertreterinnen und -vertreter, Amtsleiterinnen, Amtsleiter sowie Grossrätinnen und Grossräte trafen sich zum jährlichen Austausch am Gemeindeforum in Interlaken. Im Zentrum des durch die Volkswirtschaft Berner Oberland organisierten Anlasses stand unter anderem die Wohnungsnot in touristischen Gemeinden. Eines der Themen, die im Berner Oberland für rege Diskussionen sorgen würden, heisst es in einer Medienmitteilung.
«Damit wir weiter etwas bewegen können, müssen wir Synergien nutzen und zusammenarbeiten.» Die einleitenden Worte von Marianna Lehmann, Präsidentin der Volkswirtschaft Berner Oberland, zogen sich wie ein roter Faden durch das Programm des Gemeindeforums. [RELATED]
Unterschiedliche Rahmenbedingungen, gleiches Problem
Interlaken, Unterseen, Saanen, Grindelwald, Lauterbrunnen, Thun – das seien nur einige Orte im Berner Oberland, die sich verstärkt mit den Auswirkungen von Wohnungsknappheit beschäftigen würden. Gerade in touristischen Destinationen verschärfe sich die Problematik, so Gemeindeforum der Volkswirtschaft Berner Oberland. Adrian Bürgy, Co-Autor des durch den Verein Berner Tourismusdestinationen in Auftrag gegebenen White Papers «Wohnungsnot in touristischen Regionen –Herausforderungen in der Personalrekrutierung und die Rolle von Airbnb», zeigte die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie auf.
In der anschliessenden Podiumsdiskussion erläuterten Franz Christ, Gemeinderat Interlaken, und Toni von Grünigen, Gemeindepräsident Saanen, als Gemeindevertreter ihre Sicht auf die Herausforderungen. Die Situation präsentiere sich unterschiedlich – so akzentuiere sich etwa die Problematik der Plattformwohnungen in Saanen weniger als in Interlaken. Das zentrale Problem, dass wenig bezahlbarer Wohnraum für Einheimische vorhanden seien, bleibe gleich. Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen würden sich aber auch unterschiedliche Lösungsansätze ergeben.
In Saanen investieren die Gemeinde vermehrt in den Bau von Wohnungen und bieten selbst auch Wohnraum an. In Interlaken hingegen werden aufgrund der geringen Landreserven vor allem regulatorische Lösungen gesucht, wie etwa die Auflage eines Erstwohnungsanteil von 100 Prozent bei Überbauungsordnungen und Zonen mit Planungspflicht oder eine Mindestaufenthaltsdauer in Ferienwohnungen von drei Nächten.
Austausch trägt zur Lösungsfindung bei
Marc Ungerer, Geschäftsführer Jungfrau Region Tourismus AG, brachte die Tourismussicht in die Diskussion ein. Er bemängelte die fehlende Datengrundlage, um die unterschiedlichen Problematiken besser erfassen zu können und so gezielt auf die jeweilige Gemeinde zugeschnittene Lösungen zu finden. Auch die uneinheitlichen Kurtaxen-Reglemente im Kanton würden dazu beitragen, dass beispielsweise mit Plattformanbietern wie Airbnb kein einheitlicher Abrechnungsprozess und Datenaustauch stattfinde.
Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass sich die Lösungen für die bestehenden Herausforderungen individuell und auf die Situation der jeweiligen Gemeinde zugeschnitten, präsentieren müssen. Dennoch hätten alle die Wichtigkeit der Zusammenarbeit betont: Der gegenseitige Austausch – nicht nur zwischen Gemeinden und Tourismus – sondern auch gemeindeübergreifend untereinander, trage zur Lösungsfindung bei, heisst es weiter.
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Auch im AGR ist längst nicht alles klar
Ein weiteres Thema war die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes II zum Bauen ausserhalb der Bauzone, welche im Herbst 2023 vom Parlament beschlossen wurde. In einer «Tour d’horizon» erläuterte Daniel Wachter, Vorsteher des Amtes für Gemeinden und Raumordnung AGR, die wichtigsten Inhalte des Raumplanungsgesetzes II. Das Gesetz tritt voraussichtlich ab 1. Juli 2025 in Kraft. Der Kanton Bern sei besonders von der Gesetzgebung betroffen: Insgesamt befinden sich in der Schweiz 620'000 Gebäude ausserhalb der Bauzone, davon rund 125'000 oder 20 Prozent im Kanton Bern.
Was die Umsetzung der neuen gesetzlichen Bestimmungen anbelangt, ständen noch sehr viele Fragen im Raum – auch beim Amt für Gemeinden und Raumordnung, heisst es weiter. Details der Umsetzung werden in der nationalen Raumplanungsverordnung geregelt, diese befindet sich noch bis zum 9. Oktober 2024 in der Vernehmlassung. Bei aktuellen Planungsverfahren können die Gemeinden die direkt anwendbaren Themen aus der Revision RPG II bereits anwenden. (mm)