Der Witz ist den Zugreisenden in diesem Lande geläufig, vor allem unsereins, die wir in überfüllten Waggons zwischen Bern und Zürich pendeln. Irgendwann zwischen Abfahrt und Ankunft meldet sich der Zugbegleiter, um sich in drei Sprachen für die Verspätung von ein paar Minuten zu entschuldigen. Touristen finden das urkomisch. Three minutes, and they apologize! Wir Schweizer ziehen bloss eine Grimasse. Denn egal, wie gross die Verspätung mal wieder ist: Wir finden das grundsätzlich nicht lustig.
Wenn es um unsere SBB geht, sind wir grausam. Wir wollen die perfekte Bahn. Die beste Bahn der Welt. Darunter machen wir es nicht – und setzen die SBB unter Dauerdruck. Es ist ja nicht nur die Verkehrsdichte, die regelmässig zu Verspätungen führt und den Unmut schürt. Der Mensch ist willig, aber das Rollmaterial schwach, die Weichen wetterfühlig, die Sitze instabil. Und warum fällt so oft der Speisewagen aus?
Weil das mit der Weltklasse eine Illusion ist. Unsere Bahn ist gut und leidlich pünktlich. Anderswo ist sie es aber auch, etwa in Italien oder in der Ukraine. Besser gehts wohl einfach nicht. Deshalb sollten die SBB aufhören, sich ständig zu entschuldigen. Es wirkt nämlich nicht nur hohl, es ist auch dumm und erinnert mich an einen womöglich historischen Fehler unserer Branche, begangen 2015 nach dem Entscheid, der Nationalbank, die Anbindung des Frankens an den Euro zu kappen. Wir haben so laut geschrien und gejammert, um wie viel teurer wir über Nacht geworden sind, dass man das im Ausland ganz einfach hören musste! Selbstverständlich sind die drei Minuten Verspätung, die wir dem Touristen aufs Auge drücken, dagegen ein Klacks. Aber es ist im Grunde dieselbe Verhaltensweise. Bevor uns jemand möglicherweise beschuldigt, erledigen wir das gleich mal selbst und machen uns damit klein.
«Mein» Zug, die S10 auf den Zürcher Üetliberg, ist an den Wochenenden nicht nur oft, sondern immer verspätet. Den Touristen ist das völlig egal, und wir Anwohner haben längst resigniert. Irgendwann geht immer was. Wenigstens lässt man uns mit dem «Apologize» in Ruhe.
Lesen Sie auch den Meinungs-Artikel: «SBB 2: Gut, ist November» von htr-Redaktor Patrick Timmann in der htr hotel revue vom 1. November 2018.