Lufthansa bezifferte den rechnerischen Überhang auf 22'000 Vollzeitstellen, wie das Unternehmen am Mittwochabend nach einem Tarifgipfel mit den Gewerkschaften Vereinigung Cockpit, Ufo und Verdi mitteilte. Zuletzt war von deutlich mehr als 10'000 Stellen die Rede gewesen. Ziel sei es, durch Kurzarbeit und Krisenvereinbarungen möglichst betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, erklärte Lufthansa.
«Ohne signifikante Senkung der Personalkosten während der Krise verpassen wir die Chance eines besseren Restarts aus der Krise und riskieren, dass die Lufthansa Group deutlich geschwächt aus der Krise hervorgeht», sagte Personalchef Michael Niggemann. Man setze alles daran, mit den Tarifpartnern bis zum 22. Juni zu konkreten Ergebnissen zu kommen.
Lufthansa rechnet damit, dass die Erholung der Nachfrage im Luftverkehr nur langsam verläuft. Sie geht davon aus, dass die Flotte der Lufthansa Group nach der Krise rund 100 Flugzeuge weniger zählen wird. Hinzu kämen Überhänge in der Verwaltung und im Drittkundengeschäft der Servicegesellschaften.
Gewerkschaft fordert Kündigungsschutz
Die deutsche Flugbegleitergewerkschaft Ufo betonte, sie sei bereit, bis zur ausserordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni eine Lösung zu erreichen. Zugleich forderte sie: «Die Mitarbeiter aller Airlines des Konzerns müssen einen Kündigungsschutz bekommen und daran glauben, dass das Management endlich einen gemeinsamen Kurs geht.» Ufo zufolge entspricht der rechnerische Überhang 26'000 Arbeitsplätzen.
«Es ist gut, dass wir uns heute so intensiv ausgetauscht haben. Allerdings hat es sich gezeigt, dass ein gemeinsamer Kraftakt noch in sehr weiter Ferne ist», sagte der Ufo-Vorsitzende Daniel Flohr. Ufo hat bislang eine Nullrunde für dieses Jahr und die Absenkung des Stundenzuschlags für besonders lange Flüge angeboten.
Piloten zu Lohneinbussen bereit
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bekräftigte ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen in Höhe von 350 Millionen Euro. Für den einzelnen Piloten bedeute dies einen Gehaltsverzicht von bis zu 45 Prozent. «Im Gegenzug erwarten wir einzig vom Konzernvorstand, dass er sich zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekennt», erklärte VC-Präsident Markus Wahl.
Eine Verwendung des Beitrags zur Auslagerung von Arbeitsplätzen zu schlechteren Bedingungen wäre völlig inakzeptabel. Zugleich appellierte Wahl an die Aktionäre, dem Rettungspaket für die Lufthansa zuzustimmen.
Die Corona-Pandemie mit den Reisebeschränkungen hatte die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Der Konzern benötigt daher staatliche Hilfe. Im Gegenzug für ein neun Milliarden schweres Rettungspaket einschliesslich Beteiligung des Bundes an dem Unternehmen muss die Lufthansa 24 Start- und Landerechte an ihren wichtigen Flughäfen in Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben.
Die Aktionäre müssen auf einer ausserordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni noch grünes Licht für Paket geben. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will der Hauptversammlung ein Sparkonzept präsentieren. Der Konzern, der im ersten Quartal einen Milliardenverlust eingeflogen hatte, beschäftigt rund 138'000 Mitarbeiter.
Swiss will kein Personal entlassen
Die Fluggesellschaft Swiss hatte bereits Anfang Mai angekündigt, dass sie ihre Kosten durch verschiedene Sparmassnahmen um rund 20 Prozent senken wolle. Zu diesem Zeitpunkt gab Swiss-Chef Thomas Klühr an, die Firma werde alles tun, damit es nicht zu Entlassungen komme.
Die Schweizer Lufthansa-Tochter hält laut Unternehmenssprecher Marco Lipp weiterhin an dieser Aussage fest. «Unser Statement, dass wir versuchen, die gesamte Belegschaft durch diese Krise zu führen, ist weiterhin korrekt», sagte er auf Anfrage.
Wie viele Mitarbeitende momentan rein rechnerisch zu viel auf der Lohnliste der Swiss stehen, gab er auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP nicht bekannt.
Um ihre Sparziele zu erreichen, hat die Swiss unter anderem Kurzarbeit für alle Mitarbeitenden eingeführt und einen Einstellungsstopp verhängt. Zudem werde sie auch durch die hohe Fluktuation, vor allem bei den Flight Attendants, und durch Pensionierungen «zukünftig weniger Stellen haben als vor der Coronakrise», sagte Lipp.
Ob der Sparplan bereits erste Früchte trage und ob auch bei der Swiss Gehaltskürzungen beim fliegenden Personal zur Debatte stünden, kommentierte die Fluggesellschaft nicht. Man stehe jedoch mit den Sozialpartnern in ständigem Austausch. (awp sda dpa)